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Bernd Rützel aus Gemünden am Main

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So erlebte ein unterfränkischer Abgeordneter den Sonderparteitag

Nach dem knappen Votum des SPD-Sonderparteitags für Koalitionsverhandlungen mit der Union sollen die Gespräche über eine Regierungsbildung möglichst schnell beginnen. Wie haben Abgeordnete die Abstimmung erlebt?Von Julio Segador

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Sie machen eine Menge Remi-Demi. Die Gegner der Großen Koalition. Hunderte stehen vor dem Kongresszentrum in Bonn, trommeln, schreien und wettern gegen eine mögliche Regierungsbeteiligung der SPD. Neugierig blickt der unterfränkische Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel auf die NoGroKo-Aktivisten. Neugierig und beeindruckt.

"Sehr, sehr beeindruckt von dem. Aber sowas habe ich schon lange nicht mehr erlebt und man sieht: Die sind ganz gespannt auf die SPD. Ob mich das jetzt in meiner Entscheidung beeindruckt, das würde ich mit Nein beantworten." Bernd Rützel

Rützel für GroKo

Bernd Rützel aus Gemünden hofft, dass seine SPD sich erneut an der Regierung beteiligt, er ist für die Große Koalition. Damit ist der Unterfranke innerhalb der Bayern-SPD in der Unterzahl. Er hofft auf die Rede des Parteichefs. Doch Martin Schulz wirkt seltsam gehemmt.

"Wie ihr wisst, haben wir uns früher auf eine Linie festgelegt. Ich kann jeden verstehen hier im Saal, der jetzt sagt, Warum vertritt der Schulz jetzt eine andere Position. Glaubt mir, wir haben uns das alle nicht leicht gemacht. Ihr nicht, ich auch nicht." Martin Schulz

Richtig in die Herzen der sozialdemokratischen Delegierten gehen die Worte des SPD-Parteichefs nicht. Bernd Rützel ist nach den 57 Minuten Schulz-Diskurs einigermaßen ratlos, versucht dessen schwachen Auftritt zu erklären.

"Das war eine erklärende, werbende Rede. Es war mit Sicherheit keine enthusiastische Rede. Das ist aber auch nicht die Zeit. Dafür sind viel zu viele Fehler in der eigenen Partei gemacht worden in den letzten Wochen und Monaten." Bernd Rützel

Applaus für Juso-Chef Kühnert

Ganz anders Kevin Kühnert. Der Juso-Chef und Wortführer der NoGroKo-Kampagne gilt beim Parteitag als heimlicher Star. Seine Rede ist nur neun Minuten lang, aber sie hat es in sich. Immer wieder brandet begeisterter Applaus auf.

"Die GK ist keine Entscheidung, sondern sie ist das regierunggewordene sowohl als auch. Und das ist die Endlosschleife, in der wir so lange drin sind. Und die muss durchbrochen werden diese Logik." Juso-Chef Kevin Kühnert

Und auch Bernd Rützel zeigt sich beeindruckt.

"Ich glaube, dass wir mit dem Kevin Kühnert einen neuen Parteivorsitzenden haben werden. Ich bin begeistert. Er weiß ganz genau, was er will. Inhaltlich komme ich zu einem anderen Ergebnis." Bernd Rützel

Kohnen überzeugt

Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles ist es, die mit einer emotionalen Rede viele Delegierte davon überzeugt, für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zu stimmen. Und Natascha Kohnen. Die bayerische SPD-Vorsitzende macht deutlich: Das Sondierungspapier ist eine gute Grundlage für Koalitionsverhandlungen.

"Wer aber behauptet, wir hätten nicht die großen Dinge durchgesetzt, die großen Themen, den großen Wurf, dem antworte ich: Das nehme ich nicht an. Das Leben von vielen Menschen hängt von den kleinen Dingen ab, die wir da drinnen erreicht haben." Natascha Kohnen

Nach fünf Stunden kontroverser und leidenschaftlicher Debatte kommt es zur Abstimmung. Es ist mucksmäuschenstill im Saal als Heiko Maas das Ergebnis durchgibt.

"Es sind 642 Stimmen abgegeben. Mit ja haben gestimmt 362, mit nein 279, eine Enthaltung. Damit wird die SPD Koalitionsverhandlungen aufnehmen." Heiko Maas

Bernd Rützel steht zu diesem Zeitpunkt schon an der Garderobe, er will dem großen Gedränge entfliehen. Der unterfränkische Bundestagsabgeordnete ist zufrieden mit dem Ergebnis.

"Fünf Stunden hervorragende Debatte, was uns auch weiterbringt. 56 Prozent ist in Ordnung. Jetzt geht’s weiter mit großem Selbstbewusstsein. Ich glaube, das ist heute auch deutlich geworden." Bernd Rützel

Die Chancen des unterfränkischen Bundestagsabgeordneten sind jedenfalls gestiegen, dass er in Berlin auch in Zukunft Mitglied der Regierungskoalition sein wird. Bernd Rützel würde es freuen.