Nach Lawinenunfällen stellt sich oft die Frage: Wie konnte das passieren? Neben der genauen Tourenplanung, dem Wetterbericht und der Beobachtung des Lawinenlageberichts spielt immer auch die Gruppendynamik eine Rolle – und das eigene Bauchgefühl.
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Skitourengeher in alpiner Winterlandschaft beim Aufstieg

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Skitouren: Wie man am Berg die richtige Entscheidung trifft

Nach Lawinenunfällen stellt sich oft die Frage: Wie konnte das passieren? Neben der genauen Tourenplanung, dem Wetterbericht und der Beobachtung des Lawinenlageberichts spielt immer auch die Gruppendynamik eine Rolle – und das eigene Bauchgefühl.

Der lang ersehnte Schnee ist da, und die Saison für Pisten- und Skitourengeher beginnt. Skitourengehen liegt seit Jahren im Trend, vor allem bei jungen Bergsportlern – und -sportlerinnen. Die einen bleiben auf ausgeschilderten Pisten. Andere wollen ins Gelände. Wer dort unterwegs ist, muss sich mit Lawinengefahren auskennen und in einem Kurs lernen, worauf man achten sollte.

Gefahren erkennen – Lawinenkurse schaffen Grundlage

Am Kreuzeck oberhalb von Garmisch-Partenkirchen haben "Die Bergführer" aus Ohlstadt ein Übungsgelände präpariert. Erst geht es an die Theorie: Die Teilnehmer lernen im Kreuzeckhaus über Gefahrenstufen, Hangneigung und Schwachschichten.

Danach geht es in den Schnee zur Praxis. Die Grundlagen zur Lawinenkunde lernt man im zweitägigen Kurs, sagt der Leiter und Bergführer Franz Perchtold aus Ohlstadt. Zur Tourenplanung gehört, den Lawinenlagebericht zu verstehen und auf das Gelände zu übertragen. "Wie lege ich eine Spur an, welche Hänge soll ich meiden und wie wähle ich die Abfahrt? Die Grundlagen im zweitägigen Kurs helfen bei der selbständigen Planung von einfachen Skitouren bei mäßiger Lawinengefahr", erklärt der Bergführer.

Gruppen mit unterschiedlichen Vorkenntnissen

Gute Entscheidungen zu treffen, sind auf Skitour das Wichtigste. Oft sind es in einer Gruppe diejenigen mit der meisten Erfahrung, die eine Tour aussuchen und planen, sich informieren, Wetter- und Lawinenlage prüfen und am Start alle Piepser in der Gruppe testen. Sie gehen am Berg fast immer als Erste. Andere mit weniger Wissen steigen hinterher.

Wichtig ist, dass die Gruppe vor allem in schwierigem Gelände zusammenbleibt. Wenn Anfänger mit guten Skisportlern unterwegs sind, muss die Tour auf das Können abgestimmt sein – vor allem im Frühjahr. Dann dauert der Aufstieg länger als geplant und die Lawinengefahr steigt mit der Erwärmung. Mehr Wissen ist mehr Sicherheit.

Mehr Sicherheit durch Frauen in der Gruppe

Wer eine Frau bei der Tour dabei hat, ist auf jeden Fall besser dran, sagt Rudi Mair, der Leiter des Lawinenwarndienstes Tirol: "Über 80 Prozent der Lawinen-Verunfallten sind Männer. Frauen sind weniger betroffen, obwohl inzwischen sehr viele von ihnen Skitouren gehen. Offensichtlich sind Männer riskanter unterwegs. Wenn eine Frau dabei ist, senkt sie das Risiko deutlich."

Auch der Ohlstädter Bergführer Franz Perchtold bestätigt diese Erfahrung. Frauen und Männer, vor allem junge Männer, treffen sehr unterschiedliche Entscheidungen bei möglicher Lawinengefahr. "Frauen treffen gute und eher defensive Entscheidungen. Wir Männer, vor allem wenn wir jung sind, haben das Problem, dass wir immer Helden sein müssen. Das läuft viel über Risiko und Beweisen. Das ist ein Vorteil von Frauen, dass die nicht so toll sein müssen und nicht so dumme, heldenhafte Dinge machen müssen."

Lawinensituationen (wieder-)erkennen

Neben Wetterbericht, Lawinenlage, Tourenbeschreibung und Schneeprofil hilft auch die aufmerksame Beobachtung im Gelände. Lawinenabgänge ähneln sich manchmal. sagt der Tiroler Experte und Leiter des Lawinenwarndienstes Rudi Mair: "Es gibt Lawinensituationen, die sich ständig wiederholen. Wenn man beispielsweise Windzeichen und Schneewechten sieht, ist klar: ich habe einen Triebschnee und muss aufpassen. Wenn ich das einmal verstanden haben, habe ich eine sehr große Chance, sicher durch den Winter zu kommen."

Nicht zu unterschätzen: das Bauchgefühl

Auch das Bauchgefühl spielt eine Rolle bei der Einschätzung, ob ein Hang gefährlich ist oder nicht. Manchmal erleben das Skitourengeher in einer Gruppe ganz unterschiedlich. Dann heißt es noch mal zu sammeln, welche Punkte für ein Weitergehen und welche für das Umdrehen sprechen. Alles zusammen hilft, die Lawinengefahr zu reduzieren. Je mehr Erfahrung in der Gruppe, umso besser.

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