Angesichts der Diskussionen über ein europaweites Ski-Verbot aufgrund der Corona-Pandemie schlagen die deutschen Ski- und Snowboard-Verbände Alarm. In einem offenen Brief forderten der Deutsche Skiverband (DSV) und weitere Organisationen die Politik unter Hinweis auf ihre Hygienekonzepte auf, die Pläne zu überdenken. Die Verbände warnen vor großen wirtschaftlichen sowie gesellschaftlichen Nachteilen. Der Wintersport sei "ein unverzichtbarer Wirtschaftsfaktor für den gesamten Tourismus im Alpenraum".
Blankes Entsetzen bei Bergbahnen
Geballte Ratlosigkeit und blankes Entsetzen herrscht bei den Betreibern der Bergbahnen im Verband Deutscher Seilbahnen. Matthias Stauch von der Bayerischen Zugspitzbahn betonte, dass die Beschlüsse zur Verlängerung des Lockdown-lights für die kleineren Betriebe existenzbedrohend seien. Die Bergbahnunternehmen könnten die Diskussion nicht verstehen. Nach dem Teil-Lockdown hatten die meisten bayerischen Skigebiete damit gerechnet, dass es am 20. Dezember losgehen könne. Der Verband wünscht sich einen Start der Wintersaison noch vor oder an Weihnachten.
Bayerische Skiregionen alarmiert
Der Geschäftsführer der Bergbahn Hocheck in Oberaudorf, Hannes Rechenauer, hält die Entscheidung für unverhältnismäßig. Im Sommer habe die Bergbahn bereits bewiesen, dass sie die Hygienekonzepte gut umsetzen könne. In den vier Hauptmonaten seien rund 50.000 Menschen im Gebiet unterwegs gewesen. Fast alle hätten sich an die Regeln gehalten, Abstände eingehalten und Masken getragen. Für die Wintermonate habe man nun sogar noch Lautsprecherdurchsagen auf Italienisch, Englisch und Deutsch aufgenommen, um an die Regeln zu erinnern.
Verluste für Liftbetreiber, Skischulen, Restaurants
Alexander Achatz von der Geißkopfbahn im Bayerischen Wald findet ein Verbot "völlig unmöglich". "Dann gehen wir Bankrott", sagte er dem BR. "Wir brauchen den Winter". Bernhard Hain, Geschäftsführer des Skizentrums Mitterfirmiansreut, hofft, dass kein generelles Verbot kommt, denn das würde nicht nur die Liftbetreiber, sondern die ganze Region von der Gastronomie über die Skischulen bis zu den Gastgebern treffen. "Das wäre für uns eine Katastrophe", sagte auch die Tourismuschefin von Sankt Englmar im Bayerischen Wald, Astrid Piermeier. "Die Liftbetreiber haben keine Kosten und Mühen gescheut, um Hygienekonzepte aufzustellen, dafür teils fünfstellige Beträge investiert", betonte sie.
Bodenmais kritisiert Unsicherheit
Im niederbayerischen Bodenmais werden die unklaren Vorgaben ebenfalls kritisiert. Die meisten Gäste hätten ihren Weihnachtsurlaub seit Monaten oder sogar seit einem Jahr gebucht. "Wir können aber jetzt wieder keine sicheren Aussagen treffen," sagt der Bodenmaiser Tourismuschef Marco Felgenhauer. Einige Gäste stornierten bereits, andere warteten noch ab. "Das Schlimmste für uns ist die Unsicherheit," so Felgenhauer.
Allgäu befürchtet Super-Gau
Auch im Allgäu herrscht Entsetzen. In einem offenen Brief forderte die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller die Staatsregierung auf, sich für eine Öffnung der Skigebiete vor Weihnachten einzusetzen. Die Diskussion um einen möglichen späteren Saisonstart der Skigebiete habe sie durchaus überrascht. "Ganz abgesehen von den erheblichen wirtschaftlichen Konsequenzen, die ein solcher Schritt hätte, haben die Bergbahnen in den Sommermonaten bewiesen, dass Corona-gerechte Betriebs- und Hygienekonzepte zum Gesundheitsschutz der Gäste und des Personals konsequent und vorbildlich umgesetzt wurden."
Staat müsste Ausfälle bezahlen
Von Liftbetreibern im Allgäu heißt es: "Wenn wir gar nicht fahren können, ist das der Super-Gau. Da müssen wir uns die Frage stellen, wie wir das überleben können", sagte Wilfried Tüchler, Geschäftsführer der Hörnerbahn Bolsterlang im Oberallgäu.
Sollte es wirklich zum Verbot kommen, dann müsse der Staat den Ausfall bezahlen, forderte Tüchler. Bernhard Joachim, Geschäftsführer der Allgäu GmbH, forderte zudem eine Perspektive für die Öffnung von Hotels und Gaststätten. Man akzeptiere die gestrigen Beschlüsse, brauche aber Planungssicherheit.
Fichtelgebirge befürchtet "Fiasko"
Für die Tourismusbranche in der Region rund um den Ochsenkopf im Fichtelgebirge wäre ein coronabedingter Ausfall der Wintersportsaison ein "Fiasko". Die diskutierten Maßnahmen würde nicht nur Liftbetreiber und Skischulen betreffen, sagte der Geschäftsführer der Tourismus und Marketing GmbH Ochsenkopf, Andreas Munder. Der gesamte Bereich um Restaurants, Hotels und Privatunterkünfte würde bis zu 45 Prozent des Jahresumsatzes in den Wintermonaten einnehmen, so Munder. Munder unterstrich zudem, dass man die Region im Fichtelgebirge nicht mit den Corona-Vorfällen im österreichischen Ischgl zu Beginn des Jahres vergleichen könne, da in Oberfranken keine "Après-Ski-Kultur" herrsche.
Söder fordert klare Regeln
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte zu, sich in der EU dafür einzusetzen, dass es keine Skiurlaube bis zum 12. Januar in Europa geben solle. Italien und Frankreich hätten die Bundesrepublik darum gebeten, die Ski-Ferien abzusagen, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Bayerns Ministerpräsident Markus Söder warnte davor, dass die Infektionen in den Ferien nicht wieder steigen dürften wie im Sommer. "Die Ferien sollen kein Risiko bilden", so der CSU-Chef.
In ihrer Regierungserklärung bekräftigt Bundeskanzlerin Merkel noch einmal ihr Bestreben, eine europaweite Lösung für Skigebiete zu finden. Diese sollen nach ihrem Willen geschlossen bleiben.
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