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Schülerin bei der Abiturprüfung

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Sind bayerische Abiturienten im Nachteil?

Bayern rühmt sich mit einem besonders harten Abitur. Für die bayerischen Abiturienten heißt das, sie müssen beim Numerus Clausus mit Bewerbern aus anderen Bundesländern konkurrieren, die es vermeintlich leichter hatten. Eine Benachteiligung?

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Im Gymnasium Marktbreit in Unterfranken steht Ende dieser Woche ein erfreulicher Termin an: die Abiturfeier. Im Büro des Schulleiters Friedhelm Klöhr sind einige engagierte Abiturienten zusammengekommen, um letzte Details für die Feier abzusprechen. Alle sind guter Dinge und froh, die Prüfungen überstanden zu haben. Aber ein nicht ganz unwichtiges Detail trübt ein wenig die Stimmung. Die bayerischen Abiturienten meinen, im bundesweiten Vergleich im Nachteil bei der Bewerbung um Studienplätze zu sein, weil das bayerische Abitur schwieriger sei.

Ungerechter Wettbewerb um NC-Studienplätze?

Für einige der Abiturienten ist der Numerus Clausus entscheidend, um den gewünschten Studienplatz zu bekommen. Zum Beispiel für Mona Hankewitz, die Medizin studieren möchte. Die 18-Jährige glaubt, dass sie bei der Bewerbung im Nachteil ist: "In anderen Bundesländern ist es eben so, dass dadurch, dass das Abitur meiner Meinung nach ein bisschen leichter gemacht wird, man eine bessere Abiturnote erreichen kann. Und man kommt somit leichter in den entsprechenden Studiengang rein. Zum Beispiel in Medizin, wo der NC sehr hoch ist."

Konkurrenz mit Bewerbern aus anderen Bundesländern

Bei der Vergabe der Studienplätze mit bundesweiter Zulassungsbeschränkung - derzeit sind das Medizin, Pharmazie, Tiermedizin und Zahnmedizin - wird zwar ein Teil, nämlich 20 Prozent, über Landesquoten vergeben. Dadurch soll gewährleistet werden, dass nur Studienbewerber desselben Bundeslandes miteinander konkurrieren. Das ist allerdings der kleinere Teil der zu vergebenden Studienplätze.

Für die Plätze, die Unis über eigene Auswahlverfahren vergeben, gibt es keine Landesquoten und die Bewerber aus den verschiedenen Bundesländern konkurrieren miteinander. Um an einem beliebten Studienort einen Platz für ein beliebtes Studienfach zu ergattern, können bei der Abi-Note Zehntel entscheidend sein. An der Ludwig-Maximilians-Universität in München sind derzeit beispielswiese Psychologie, Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften zulassungsbeschränkt, und der NC entscheidet mit bei der Auswahl der Bewerber.

Was bringen gemeinsame Abituraufgabenpools?

Die Kultusminister der Bundesländer arbeiten seit Jahren an einer Angleichung der Abiturstandards - ein mühsamer Prozess. Denn Bildung und damit auch die Lehrpläne sind Ländersache. Und Beschlüsse der Kultusministerkonferenz, die Abschlüsse betreffen, müssen einstimmig gefasst werden. Vor sechs Jahren haben sich die Kultusminister auf gemeinsame Abitur-Aufgabenpools geeinigt, und zwar für die Fächer, für die gemeinsame Bildungsstandards vorliegen. Das sind Deutsch, Mathematik sowie Englisch und Französisch. Nach dem Beschluss hat es noch einmal fünf Jahre gedauert, bis beim Abitur 2017 erstmals Aufgaben aus dem Pool zur Verfügung standen.

Noch keine echte Vergleichbarkeit

Aus diesem Pool können alle Länder Aufgaben entnehmen. Der Freistaat hat dem bayerischen Kultusministerium zufolge in jedem der vier Fächer Aufgaben entnommen. Theoretisch kann es aber vorkommen, dass bayerische Abiturienten keine Aufgabe aus dem Pool bearbeiten. Zum Beispiel in Deutsch: Hier können die Prüflinge aus fünf Aufgabentypen auswählen, aber nicht alle entstammen dem Pool. Zudem können die Länder die Aufgaben noch verändern, auch der Freistaat hat laut Kultusministerium "leichte Anpassungen vorgenommen".

Das ist einer der Gründe, warum Schulleiter Friedhelm Klöhr vom Gymnasium Marktbreit die gemeinsamen Aufgabenpools differenziert betrachtet. Aus seiner Sicht wäre es wünschenswert, dass die Aufgaben, die entnommen werden, nicht verändert werden. Ansonsten könne von echter Vergleichbarkeit keine Rede sein. Seine bayerischen Schüler sieht der Schulleiter trotzdem gut aufgestellt. Klöhr verweist auf die Abiturnoten im Ländervergleich. Bayern komme da in der Regel unter die besten fünf Bundesländer. Bei den aktuellsten Zahlen aus 2016 landete Bayern mit einem Durchschnitt von 2,32 bei der Abiturnote hinter Thüringen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam mit Sachsen auf dem vierten Platz.

Bayerische Abiturienten wünschen sich mehr Angleichung

Über Vergleichbarkeit und Qualität des Abiturs in den einzelnen Bundesländern sagt dieses Ranking allerdings wenig aus. Und die Abiturienten vom Gymnasium Marktbreit würden sich auch über die gemeinsamen Abitur-Aufgabenpools hinaus mehr Vergleichbarkeit wünschen. So auch Florian Schwegler, der auf Mathematik als Prüfungsfach gut und gerne verzichtet hätte: "Ich war in Mathe nie ein guter Schüler, ich habe einen Punkt geschrieben. Das war eine Punktlandung." Eine, die seinen Durchschnitt allerdings nach unten zieht, was dem Abiturienten in dem Ausmaß in Berlin möglicherweise erspart geblieben wäre.

Denn die Kultusministerkonferenz hat sich zwar darauf geeinigt, dass unter den Abiturprüfungsfächern zwei der drei Fächer Deutsch, Mathematik oder eine Fremdsprache sein müssen. Manche Bundesländer wie Bayern gehen aber darüber hinaus. Deutsch, Mathematik und eine Fremdsprache sind im Freistaat für alle Schüler verpflichtende Abiturprüfungsfächer. In Berlin dagegen reicht es aus, aus den drei Fächern zwei auszuwählen. Florian Schwegler findet, dass das ein struktureller Unterschied mit weitreichenden Folgen sei. Der Abiturient wünscht sich mehr Angleichung: "Ich denke, wenigstens die Strukturen sollten einheitlich sein, wenn schon der Inhalt durch den Bildungsföderalismus bedingt - was auch gut ist - unterschiedlich ist."

Bundesbildungsministerin will Nationalen Bildungsrat

Die Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) kann das nachvollziehen. Anfang Mai schrieb sie in einem Gastbeitrag in einem Bildungsblog, Abiturienten würden zu Recht erwarten, dass ihre Reifezeugnisse bundesweit den gleichen Wert haben und vergleichbare Karrierechancen bieten. Auch bei einem Umzug über Landesgrenzen hinweg muss der damit verbundene Schulwechsel von Kindern aus Sicht von Karliczek erleichtert werden. Eine schwierige Ausgangslage für die Ministerin, denn eigentlich sind ihr die Hände gebunden, weil Bildung Ländersache ist und sich daran erst einmal nichts ändern wird.

Helfen könnte aus Sicht von Karliczek allerdings ein Nationaler Bildungsrat, bestehend aus einer Bildungskommission mit Vertretern aus Wissenschaft und der Schulpraxis und einer Verwaltungskommission mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen. Ein solcher Rat könnte Empfehlungen für mehr Qualität und Vergleichbarkeit im Bildungswesen vorlegen. Dieser Nationale Bildungsrat ist im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart.

"Der Nationale Bildungsrat soll sich mit drei Dingen beschäftigen: Er soll Transparenz schaffen, er soll Vergleichbarkeit schaffen und wir wollen die Diskussion über Qualitätsstandards - wie kann man überhaupt Qualitätsstandards schaffen innerhalb eines föderalen Systems, das von der Struktur her sehr unterschiedlich ist." Anja Karliczek, CDU, Bundesbildungsministerin

Länder wollen keine Kompetenzen abgeben

Die Länder haben allerdings zurückhaltend auf dieses Vorhaben reagiert, weil sie ihre föderalen Kompetenzen bedroht sehen. Derzeit wird um die Machtverteilung in dem Gremium gerungen. Die Kultusminister der Länder befürchten, dass sie in der Kommission überstimmt werden könnten. Eine Sorge, die auch der bayerische Kultusminister Bernd Sibler teilt. Derzeit liegen laut dem CSU-Politiker zwei Vorschläge auf dem Tisch, eines von Bundes- und eines von Länderseite - ein Kompromiss stehe noch aus. Für Sibler steht fest, dass der Nationale Bildungsrat nur als beratendes Gremium tätig sein soll.

"Wir setzen darauf, dass das Qualitätsargument im Mittelpunkt stehen sollte. Zeugnisse müssen Aussagekraft haben. Von daher sehen wir im Nationalen Bildungsrat einen guten Aspekt zur Weiterentwicklung, betonen aber auch ausdrücklich, dass die Ländersouveränität, der Kulturföderalismus im Mittelpunkt stehen soll - deshalb ein beratendes Gremium und keines, das Standards mit setzt." Bernd Sibler, CSU, Bayerischer Kultusminister

Heikle Detailfragen also, die eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe in den kommenden Monaten bearbeiten soll. Was dabei herauskommt, wird für die Abiturienten vom Gymnasium Marktbreit in Unterfranken keine Rolle mehr spielen. Aber sie wünschen sich, dass das Abitur langfristig weiter angeglichen wird, damit die Abschlüsse für die nachfolgenden Schüler über die Ländergrenzen hinweg vergleichbarer werden.