Club-Historiker Bernd Siegler in einem Büro. Er sucht in einem Karton mit Karteikarten.
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Der Hausmeister beim 1. FC Nürnberg hat eine Mitgliederkartei aus den 1930-er Jahren entdeckt.

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1. FC Nürnberg entdeckt Mitgliederdatei aus NS-Zeit

Der 1. FC Nürnberg hat 12.000 Karteikarten aus den Jahren 1928 bis 1955 entdeckt. Diese ermöglichen eine Aufarbeitung der unrühmlichen Geschichte des FCN in der Zeit des Nationalsozialismus. Der Club spricht von einem "sensationellen Fund".

Es war eine zufällige Entdeckung: In einem Keller auf dem Gelände des 1. FC Nürnberg am Valznerweiher lagerten Kisten mit 12.000 alten Karteikarten. Sie stammen aus den Jahren 1928-1955 und dokumentieren damit die Mitgliedsentwicklung im Dritten Reich.

Der Club-Hausmeister habe die grauen, unscheinbaren Kartons gefunden und Club-Historiker Bernd Siegler informiert, berichtete dieser auf einer virtuellen Pressekonferenz. Seitdem habe er bereits einige Nächte damit verbracht, Geschichten jüdischer Mitglieder zu recherchieren, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus dem 1. FC Nürnberg ausgeschlossen wurden, so Siegler.

Viele jüdische Mitglieder wurden beim Club rausgeschmissen

Bislang hat der Club-Historiker 143 Fälle gefunden, in denen er davon ausgeht, dass die Mitglieder aufgrund ihres jüdischen Glaubens aus dem Verein geworfen wurden. Die meisten seien zum 1. Mai 1933 aus dem 1. FC Nürnberg ausgeschlossen worden und gehörten der Tennisabteilung an. Auf den Karteikarten war der Stempel "30. APR. 1933" aufgebracht. Drei Tage zuvor hatte die damalige Vereinsspitze so wie auch andere süddeutsche Vereine beschlossen, nach dem Willen der Nazis jüdische Mitglieder auszuschließen.

Viele der ehemaligen Mitglieder konnten aus Deutschland fliehen, andere wurde in Konzentrations- oder Vernichtungslagern umgebracht.

FCN-Fußballer Werner Gruber, mit 16 Jahren ausgeschlossen

Einer von ihnen war Werner Gruber. Gruber wurde 1934 Clubmitglied und drei Jahre später, im Jahr 1937, aus dem Verein ausgeschlossen. Bei ihm habe sich erst zu diesem Zeitpunkt herausgestellt, dass er "Nichtarier" war, so Siegler. Der Club-Historiker hat auch ein Interview gefunden, das Gruber später in den USA gab.

"Ich tat alles, um Fußball spielen zu können, Fußball war mein ganzes Leben. Als die Nürnberger Gesetze 1935 in Kraft treten, konnte ich nicht länger Fußball spielen. Mein Vater war deutsch, meine Mutter jüdisch. Mir wurde gesagt, dass ich nicht mehr willkommen bin im deutschen Fußsportverein. Das war schockierend für mich. Ich war so jung, so unschuldig, ich war ja erst 13, 14 Jahre alt." Club-Mitglied Werner Gruber in einem Interview

Werner Gruber flüchtete anschließend als 16-Jähriger mit dem Schiff nach New York.

Ausgeschlossene Club-Mitglieder sollen rehabilitiert werden

Nicht nur aus Sicht des Historikers Bernd Siegler sind die Kisten aus dem FCN-Keller eine Sensation. "Die Bedeutung des Fundes ist nicht in Worte zu fassen“, sagt auch Club-Vorstand Niels Rossow. Nun könnten den Betroffenen endlich Namen gegeben werden. Rossow will bald ein Zeichen setzen: "Wir wollen bei der nächsten Mitgliederversammlung den Ausschluss der Mitglieder rückgängig machen und sie rehabilitieren. Das wollen wir im Rahmen eines formellen Aktes vor der nächsten Mitgliederversammlung tun", so Rossow.

1. FC Nürnberg will Forschungsprojekte unterstützen

Auch die Recherche nach weiteren jüdischen Mitgliedern soll forciert werden. Der 1. FC Nürnberg wolle die Möglichkeit schaffen, universitäre Forschungsprojekte zu realisieren, kündigte Vorstand Niels Rossow an. Darüber hinaus haben das Stadtarchiv Nürnberg und die Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg (IKGN) ihre Unterstützung bei der Aufarbeitung der Geschichte des 1. FC Nürnberg zugesagt.

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