Scientology, Dianetik-Zentrum, in München-Schwabing (Archivbild vom 2.1.20)
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Seit der Corona-Pandemie steigen die Mitgliederzahlen bei Scientology.

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Seit Corona-Pandemie: Mitgliederzahlen bei Scientology steigen

Mit Ständen in der Fußgängerzone, einem Fernsehprogramm und einer kostenlosen App versucht Scientology, neue Mitglieder zu gewinnen. Zuletzt sind die Zahlen gestiegen. Dabei wird die Organisation in Bayern weiterhin vom Verfassungsschutz beobachtet.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Eine weiße Schrift auf blauem Hintergrund: "Scientology-Kirche" steht über dem Eingangsportal der Beichstraße 12 in München. Das Haus ist in die Jahre gekommen, außen an den Wänden bröckelt der Putz ab. Die Inneneinrichtung ist modern gehalten, rote Stühle im Bauhaus-Stil, an der Wand ein großer, flacher Bildschirm, es läuft Scientology-Fernsehen.

Bayerische Scientology-Zentrale gibt es seit den 70er Jahren

Seit den 70er Jahren hat Scientology eine bayerische Zentrale in München, seit 1982 in einem großen Eckhaus in Schwabing. Doch es ist still geworden um die umstrittene amerikanische Organisation, die sich selbst gerne als "Kirche" bezeichnet, der aber Weltanschauungsexperten immer wieder attestieren, eine klassische Sekte zu sein.

Das Scientology-Fernsehen werde in Hollywood produziert, erklärt Pressesprecherin Eva Altendorfer. "Und es wird eigentlich jeden Tag gesendet: Es geht um verschiedene Projekte, Aktionen und auch um die Lehre und Prinzipien von Scientology", erklärt Altendorfer. Das Fernsehprogramm gibt es seit 2018, es ist in mehreren Sprachen erhältlich und frei zugänglich, auch über eine kostenlose App mit dem Namen "Scientology Network". Die Kurse dagegen, die die Mitglieder belegen sollen , um "über sich selbst hinauszuwachsen", wie Scientology es nennt, sind teuer.

Oft nicht erkennbar, dass es Scientology ist

"Ich beobachte, dass Scientology sehr stark in Fußgängerzonen in München und anderswo mit eigenen Ständen wirbt, Broschüren verbreitet über den Weg zum Glücklichsein", beobachtet Matthias Pöhlmann der Beauftragte für Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. "Das klingt zunächst mal nett und von außen ist gar nicht erkennbar, dass es Scientology ist", sagt Pöhlmann.

Der Fernsehsender sei Teil einer neuen Strategie der Organisation. "Durch Social-Media-Kanäle, durch entsprechende Streaming-Dienste versucht man Menschen anzusprechen. Nach Einschätzung von Beobachterinnen und Beobachtern wurden Menschen vor allem im Zuge der Corona-Pandemie auf diese Angebote aufmerksam und waren dafür viel offener als vielleicht vorher."

Seit Corona-Pandemie nehmen Mitgliederzahlen zu

Tatsächlich haben die Mitgliederzahlen der Organisation seit der Pandemie leicht zugenommen: Nach Angaben des Verfassungsschutzes bewegt sich die Zahl der Mitglieder deutschlandweit zwar auf einem konstant niedrigen Niveau, 2021 waren es 3.600 Scientology-Mitglieder. Ein Jahr zuvor waren es noch 3.500. Davon leben in Bayern etwa 1.300. Dennoch dürfe man die Organisation nicht unterschätzen, warnt der Weltanschauungsexperte Matthias Pöhlmann.

Unter-Organisationen seien besonders gefährlich

Gefährlich seien vor allem gewisse Unter-Organisationen, unter deren Deckmantel Scientology für sich werbe, sagt Pöhlmann. Ein Beispiel ist die Organisation, die regelmäßig Lebenshilfe-Hefte herausgebe, mit Titeln wie "Sag nein zu Drogen" oder "Der Weg zum Glücklichsein". Wer dahinterstecke, sei nur im kleingedruckten Impressum erkennbar. Die Organisation selbst sagt: Diese Broschüren sollen die Gesellschaft verbessern. "Das ist eine Broschüre, die von L. Ron Hubbard, dem Gründer von Scientology verfasst wurde, Anfang der 80er Jahre, weil er gesehen hat, dass die Moral weltweit gesunken ist", sagt Eva Altendorfer. "Klingt harmlos, ist aber gefährlich", meint der Weltanschauungsexperte Pöhlmann.

"Wenn Menschen davon angesprochen sind, versuchen sie Kontakt aufzunehmen und schreiben eine E-Mail, dann ist man da mit im Verteiler und wird mit entsprechenden Schriften und Informationen versorgt und überlegt sich, ob man das einfach mal ausprobiert, und so gerät man dann in das System Scientology hinein", warnt Pöhlmann.

Verfassungsschutz: Scientology, stellt Grundrechte in Frage

Der bayerische Verfassungsschutz schreibt in seinem aktuellen Bericht: "Scientology ist nicht nur eine Gefahr für Einzelne – sie stellt vielmehr auch das demokratische System der Bundesrepublik Deutschland und die staatliche Garantie der Grundrechte in Frage." Nach Vorstellung von Scientology soll eine ausschließlich nach scientologischen Richtlinien funktionierende Welt geschaffen werden, heißt es in einem Bericht. Der bayerische Verfassungsschutz will daher die Beobachtung von Scientology nicht einstellen, wie es einige andere Bundesländer getan haben. Auch bietet die Behörde weiterhin eine Hotline für Opfer, Angehörige und Aussteiger von Scientology an.

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