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Horst Seehofer

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Seehofer-Sprachakrobatik: "Leichtmatrosen" und "Dipferlscheißer"

Seehofer-Sprachakrobatik: "Leichtmatrosen" und "Dipferlscheißer"

Mit Horst Seehofer verlässt einer der wohl redseligsten bayerischen Ministerpräsidenten die Staatskanzlei. Seine Sprachakrobatik war unter Parteifreunden gefürchtet – und hinterließ bei Beobachtern oft Rätselraten. Von Sebastian Kraft

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Interviews mit dem Typ eines modernen Politikers sind meist kurz. Derjenige oder diejenige überlegt ein paar Sätze und dann kann man von allen Ecken und Enden kritisch nachfragen, es kommt immer mehr oder weniger dieselbe Antwort. Ein Meister dieser "ich sage mit vielen Worten möglichst wenig"-Disziplin ist der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Horst Seehofer dagegen ist ein Unikat. Während der moderne Statement-Politiker seine Botschaft oft am Anfang setzt – gerne auch mal ungefragt –, kann es bei Seehofer passieren, dass er 25 Minuten belanglos vor sich her redet, um dann in Minute 26 den Kracher rauszulassen. "Immer dieses Quatschi-Quatachi", lästerte er übrigens einst über Parteifreunde.

"Dipferlscheißer" trifft "Leichtmatrosen"

Der Instinkt- und Bauchpolitiker Seehofer kann wie kein zweiter das Spiel mit den WortenVor dem zermürbenden Machtkampf war jahrelang der Steinerne Saal im Bayerischen Landtag seine Bühne, der Vorraum zum Plenarsaal. Hier lästerte er über den ehemaligen Koalitionspartner FDP als "Dipferlscheißer", weil die Liberalen von den Studiengebühren nicht abrücken wollen.

Auch seine Parteifreunde in der Fraktion bekamen ihr Fett mit Wortschöpfung wie "Mäusekino", "Leichtmatrosen" oder "Pyjama-Strategen" weg. Letzteres mussten sich übrigens kurz vor der Bundestagswahl 2017 diejenigen in der CSU anhören, die zu hinterfragen wagten, ob seine Strategie erst gegen und dann plötzlich für Merkel zu sein, wirklich aufgeht.

Man merkte schnell, ob Seehofer gut gelaunt war

Begegnungen mit Horst Seehofer waren für Landtagsjournalisten selten langweilig. Man merkte schnell, ob er gut oder schlecht gelaunt war. Wenn ihn etwas bewegte, konnte er damit nur schwer hinterm Berg halten und was dann folgte, war fast wie ein Spiel: Man musste nur lange genug bohren, mal von der einen, mal von der anderen Seite. Irgendwann brach es dann aus ihm heraus.

Wie erst kürzlich, als er Ausführungen über Thomas de Maizière mit den Worten begann: "Der soll froh sein, dass wir schweigen" – um drei Fragen später seinen wahrscheinlichen Vorgänger als Bundesinnenminister hart zu kritisieren.

Deutsch – Seehofer, Seehofer – Deutsch

Phasenweise hätte man fast ein Wörterbuch auflegen können: "Deutsch – Seehofer, Seehofer – Deutsch". Wenn er in schwierigen Situationen mit den Worten einleitete "Ich bin ganz ruhig", wussten nicht nur alle Journalisten, sondern auch sein Umfeld: Eigentlich brennt die Hütte.

Als er auf den Höhepunkt der Verwandtenaffäre über den damaligen Fraktionschef Georg Schmid und seine über Steuergelder beschäftige Ehefrau sagte: "Das ist keine schöne Sache" war eigentlich schon klar: Schmid kann sich keine 24 Stunden mehr halten.

So oft hat Seehofer Testballons steigen lassen, um die Stimmung zu bestimmten Themen zu erforschen. Manche seiner Sätze haben in der Politik fast eine Ewigkeitsgarantie. So ist rund um die Modellbau-Affäre seiner ehemaligen Staatskanzleichefin Christine Haderthauer der Satz überliefert: "Ein Fehler wird erst durch Sekundärfehler zu einem Problem."

Und zu seinem eigenen politischen Ende im Freistaat sagte der scheidende bayerische Ministerpräsident auf die Frage, warum er aus der Staatskanzlei weichen, in Berlin aber unentbehrlich sei: "In Machtfragen ist die Logik kein natürlicher Partner."