Schule

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Schulangst: Wenn Kinder nicht zur Schule gehen

"Schulabsentismus" - so nennt man die psychische Erkrankung von Kindern und Jugendlichen, die sich vehement weigern, in die Schule zu gehen. Die Zahl der Betroffenen nehme in Bayern zu, warnten Wissenschaftler auf einem Symposium.

Er will jetzt einen Job finden: Florian geht mit seiner Mutter Sylvia Bewerbungsportale durch. Der 18-Jährige aus dem Münchner Großraum leidet unter chronischem Schulabsentismus: Die Realschule hat er noch geschafft, den Sprung auf die Fachoberschule, FOS, dann nicht mehr.

"Ein paar Mal habe ich es noch versucht, zur Schule zu gehen. Aber dann bin ich nicht aus der S-Bahn gestiegen, es war eine komplette Hemmung." Florian

Neue Lehrer, neue Mitschüler, neues Umfeld - Florian kam mit der Situation nicht mehr klar.

Lange Leidenszeit

Schon beim Übergang von der Grund- auf die Realschule blieb er wochenlang zu Hause, sagt die Mutter. Auch für sie war die Schulverweigerung ihres Sohnes eine schwierige Sache:

"Es war auch hier zuhause teils dramatisch. Er ist zusammengebrochen und hat nur noch geheult." Florians Mutter Sylvia

Mutter und Sohn sprachen mit der Schulleiterin und baten um einen sanften Wiedereinstieg mit wenigen Stunden pro Tag. Diese hatte aber kein Verständnis, verwies auf den Lehrplan, den alle im Klassenverbund einzuhalten hätten. Eine typische Reaktion, sagt Gerd Schulte-Körne, Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der LMU in München. Er behandelt Betroffene ambulant und manchmal auch stationär. Den Behörden sei das Thema suspekt, sagt er, sie setzten fälschlicherweise Schulabsentismus mit Schulschwänzen gleich.

"Es gibt ganz unterschiedliche Kinder, die nicht zur Schule gehen. Es gibt die, die keinen Bock haben. Aber es gibt eben viele Kinder, die auch Angst vor der Schule haben, weil sie zum Beispiel Mobbing dort erlebt haben. Oder aber auch die Kinder, die sich von zuhause nicht trennen können, wo die Eltern sehr eng gebunden sind an die Jugendlichen und sie nicht gut aus dem Haus lassen können." Professor Schulte-Körne

Forderungen an die Schulen

Das längere Fernbleiben müsse von Schulen aktiver gemeldet werden, fordert der Experte: "Bei unseren Patienten haben wir teilweise Abwesenheitszeiten von einem halben bis dreiviertel Jahr und wir fragen uns: Wie kann das gehen? Oft haben wir den Eindruck, dass das von schulischer Seite so gar nicht verfolgt oder registiert wird. Und das sehen wir als sehr bedenklich an, denn je länger die Schüler nicht in die Schule gehen desto größer ist die Problematik oder wird dadurch verstärkt."

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass vier bis sechs Prozent aller Schüler von Schulabsentismus betroffen sind. Genauere Zahlen dazu gibt es für Bayern keine: Im Rahmen der sogenannten Schulschwänzerinitiative listet das Innenministerium lediglich die Zahl derjenigen Schüler auf, die vormittags von der Polizei aufgegriffen werden, etwa vor Kaufhäusern oder Jugendtreffpunkten. Auch hier gibt es einen Anstieg von 2700 auf 3000 Schüler in den vergangenen drei Jahren. Professor Schulte-Körne warnt davor, das Thema auf die leichte Schulter zu nehmen. Passende Ansprechpartner seien Schulpsychologen und Kinder- und Jugendpsychiater.

Bei Florian wurde letztlich eine Sozialphobie diagnostiziert. Er will das Thema Schule jetzt hinter sich lassen und eine Ausbildung in der IT-Branche beginnen.