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Handy an der Schule

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Schüler lernen in Immenstadt Umgang mit Handy

Für viele Kinder ist das Smartphone Alltag. Mit den Gefahren wie Mobbing oder Porno sind sie aber vielfach überfordert. Bei einem Pilotprojekt in Immenstadt im Allgäu zeigen ihnen ältere Schüler, wie sie mit dem Handy verantwortungsvoll umgehen.

Im Medienzentrum in Immenstadt erklärt Doris Sippel das Projekt "Medienscouts". Die Medienberaterin ist zuständig für 100 Schulen in der Region. Gekommen sind Lehrer und Sozialarbeiter aus Schulen von Lindau bis Kempten, die alle mit ähnlichen Problemen kämpfen. Sie klagen, dass Schüler über What’s App–Chats gemobbt werden, dass die Hemmschwelle im Chat niedriger ist und dass Schüler oft gar nicht im Blick haben, wie belastend das dann für den Einzelnen werden kann.

Ältere Schüler als Vorbild

Verbote helfen da längst nicht mehr. Der Kniff des Pilotprojekts an der Immenstädter Mittelschule ist, dass ältere Schüler aus der 8. Klasse mit Fünftklässlern arbeiten. Und es ist auch nötig, so früh anzufangen, sagt die Medienberatungslehrerin Doris Sippel: "Die haben alle ein Smartphone, die haben fest-mobile Daten, und es ist nicht so, dass sie in dem Alter noch in einem Schutz- und Schonraum wären, sondern die sind da mit dabei und sie nutzen einfach alles." Nach ihrer Erfahrung schränken die Eltern den Gebrauch sozialer Medien wenig ein.

Kinder stoßen auch auf Gewalt und Porno

Bei dem Pilotprojekt fragen die Älteren erst einmal ab, wie die 11- und 12-Jährigen im Internet unterwegs sind. "Gaming“ – also interaktive Spiele, machen fast alle. Oft sind es Kampfspiele, wo die Kids durchaus auch Horrorbilder zu sehen bekommen. Horroreffekte wie das sogenannte "Jump Scare" sind auch in Erklärvideos oder Filme eingebaut. Das gesamte Netz ist von problematischen Inhalten durchsetzt. Damit werden dann auch Kinder und Jugendliche automatisch konfrontiert. Die meisten von ihnen schauen YouTube-Videos oder haben Apps wie Musically oder Instagram. Neben Gewalt stoßen die Kinder aber auch auf Pornoseiten, wie sie selber sagen.

Soziale Medien omnipräsent

Das Projekt zeigt auch, wie intensiv die sozialen Medien schon im Leben der Fünftklässler verankert sind. Viele der Fünftklässler schauen morgens nach dem Aufwachen und nach der Schule sofort auf ihre WhatsApp-Nachrichten und konsumieren in der Freizeit YouTube-Filme und Fernsehen.

Vor allem über den Messengerdienst "WhatsApp" tauschen die Kinder Videos aus, aber auch Beleidigungen und Drohungen. Da kommt es schnell zu Konfliktherden, bilanziert die Oberallgäuer Medienberaterin Doris Sippel: "Wir haben immer wieder auch Fälle, die anders aufgegriffen und aufgearbeitet werden müssen, gerade Videos mit Beleidigungen und auch Situationen, die sehr brenzlig sind, wo wir dann sofort intervenieren müssen und Aufklärung betreiben müssen, um dann einen größeren Schaden zu verhindern."

Erfahrungen mit Cyber-Mobbing

Bei dem Pilotprojekt dürfen die Älteren im Unterricht ausnahmsweise ihre Handys benutzen, denn als "Medienscouts“ für die Jüngeren werden sie besonders geschult. Alle sind schon auf die eine oder andere Weise mit dem sogenannten "Cyber-mobbing" konfrontiert worden. Und sie können den Jüngeren erklären, wie sie damit umgehen sollen. Sie berichten, dass da Kinder beleidigt werden, weil sie angeblich hässlich sind, oder sogar dass sie sterben sollen. Auch mit Kettenbriefe werden Schüler unter Druck gesetzt.

Besonders die Jungen sind oft völlig unbedarft. Die Medienberatungslehrerin Doris Sippel setzt auf Werteerziehung. Die Schüler sollen reflektieren, was Cyber-Mobbing auslöst und wie sie sich verhalten können: "Die Medienscouts sollen dann auch weiter zur Verfügung stehen, sie sehen ja die Schüler auf dem Pausenhof. Wir wollen einfach ein langfristiges Projekt damit starten."

Projekt soll Schule machen

Ein offener Umgang ist wichtig, denn einen geschützten Raum gibt es in der virtuellen Realität nicht. Die Schüler leben in und mit den sozialen Medien. Genau da setzt die Medienberaterin an, denn genauso wie viele Eltern tun sich die Schulen schwer, mit dem Tempo der Entwicklung mitzuhalten.

Die Mittelschullehrerin Marion Zobel aus Lindau will sich von dem Pilotprojekt einiges abschauen, weil sie an ihrer Schule ein Medienkonzept entwickeln wollen. Die älteren Schüler als Medienscouts zu nutzen, findet sie eine gute Idee: "Warum sollen wir gerade die nicht an Bord holen, die eigentlich kompetent sind? Gerade die brauchen wir. Denen hören die Kleineren wahrscheinlich besser zu als dem Lehrer."