Es sind aufwühlende Minuten auf der Pressekonferenz des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West in Kempten. Elke Bruns durchlebt noch einmal den Schockanruf, den sie am 12. Mai erhält, und gibt die Szene laut schreiend und weinend wieder. Am Telefon schluchzt ein Mädchen: "Mama, ich hatte einen Unfall, ich habe eine Frau totgefahren, sie ist tot, tot und ich bin nun bei der Polizei und die wollen mit Dir sprechen….".
Täter nutzen Schockzustand ihrer Opfer aus
Elke Bruns ist sich sicher: Das ist ihre Tochter Lara. Ab diesem Moment, so der ebenfalls anwesende Psychologe Frank Lohmann, hatte die 60-Jährige keine Chance mehr, alleine aus der Situation herauszukommen. Ihr Gehirn hat auf Notfallprogramm "umgeschaltet", die Sorge der Mutter gilt nur noch ihrem Kind. Und die Täter spulen professionell ihr Programm ab.
25.000 Euro als "Kaution"
Da Elke Bruns' Mitbewohner das Gespräch auch mitbekommen hat, müssen beide ihr Handy immer offen halten und dürfen niemanden anrufen, da das sonst der Tochter schade, verlangen die Täter. Diese arbeiten mit verschiedenen Personen, die sich als Polizistinnen und Polizisten ausgeben. Elke Bruns müsse nun schnellstens 25.000 Euro als Kaution beschaffen, dies habe der Staatsanwalt so festgelegt. Da sie so viel Geld nicht besitzt, bittet sie ihren Hausmitbewohner, der ebenfalls nervlich völlig aufgelöst ist, sie zur örtlichen Sparkasse zu fahren und das Geld zu besorgen.
Filialleiterin wird stutzig
Doch dort benehmen sich die beiden so auffällig, dass die Filialleiterin Verdacht schöpft, die Geldabhebung verweigert und, als die beiden unverrichteter Dinge die Bank verlassen, umgehend die Polizei anruft.
Doch ehe diese dann eintrifft, hatte Elke Bruns noch die Idee, in ihrer Verzweiflung mit dem Handy eines Nachbarn ihren Ex-Mann in Hannover anzurufen. Der witterte sofort Betrug und beruhigt Elke Bruns, er werde umgehend die Tochter kontaktieren, die ebenfalls in Hannover lebt und arbeitet. Er erreicht sie, es geht ihr gut, nichts an der Geschichte stimmt, und diese gute Nachricht gibt er dann auch weiter.
Die 60-Jährige hat sich bereit erklärt, ihren Fall auf der Pressekonferenz der Polizei einer breiten Öffentlichkeit darzulegen, damit andere vielleicht von ihrem Schicksal lernen können. Es gilt, selbst oder gerade bei Anrufen mit merkwürdigem Inhalt bei klarem Verstand zu bleiben und zu verhindern, dass man in einen emotionalen Ausnahmezustand gerät.
Aufklärung soll Betrug verhindern helfen
Das ist auch die Hoffnung der Polizei. Sie will durch die Veröffentlichung solcher Taten erreichen, dass die Menschen ein gesundes Misstrauen unbekannten Anrufern gegenüber entwickeln.
Die Polizei ruft die Menschen dazu auf, aufzulegen, wenn sie so einen Anruf bekommen haben, und umgehend die Polizei zu verständigen. Denn oftmals agieren die Täter mit Massenanrufen gezielt in einer Region. Dort stehen dann Komplizen bereit für die Geldübergabe.
Werden den Polizeiinspektionen gehäuft Schockanrufe gemeldet, schicken Sie eine Warnung an Banken, Taxiunternehmen, Seniorenheime, große Betriebe, usw. heraus, damit nachgefragt wird, wenn Menschen erkennbar emotional zur Bank gebracht werden und dort hohe Summen abheben wollen.
Täter erbeuten fast eine halbe Million Euro
Dass die Täter Erfolg mit ihrer Schockmasche haben, zeigen die Zahlen: Im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West gab es allein in diesem Jahr bis April 279 Fälle, 45 Mal waren die Betrüger erfolgreich, insgesamt konnten sie so 471.462 Euro erbeuten. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein, da sich die Menschen oftmals schämen, wenn sie den Betrug entdecken, und lieber schweigen.
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