Für viele ist es der Inbegriff der Romantik: Das Schloss Neuschwanstein, wie es vor traumhafter Bergkulisse über Hohenschwangau und dem Alpsee thront. Aber auch an einem Märchenschloss nagt der Zahn der Zeit: 150 Jahre nach Baubeginn muss das Schloss von König Ludwig II. umfassend restauriert werden. Und das ist aufwendig: Fünf Jahre dauern die Sanierungsarbeiten nun schon. Jetzt ist die Königswohnung mit Schlafzimmer, Wohnzimmer, Ankleidezimmer und Grotte dran. Weil es dort so eng ist, heißt es für die Besucher zum ersten Mal seit Beginn der groß angelegten Sanierung: draußen bleiben.
Für die Restaurierung braucht’s Fingerspitzengefühl
Mit einem Fön in der linken Hand trocknet Viktoria Jung die Gold-Farbe, die sie mit dem Pinsel in der rechten Hand vorsichtig aufträgt. Auf einem Gerüst sitzend vor den Rundbogenfenstern im Wohnzimmer des Königs bessert sie den Goldrand an der kostbaren Wandmalerei über dem Fenster aus. Seit fünf Jahren, seit Beginn der ersten umfassenden Sanierung in der Geschichte Neuschwansteins, ist die Restauratorin mit dabei. Langweilig wird die königliche Baustelle nicht: "Das ist ja eine unerschöpfliche Vielfalt an Formen und an Darstellungen, man entdeckt immer etwas Neues. Bleibt schon spannend", berichtet die Restauratorin.
Bisher fanden die Arbeiten in den anderen Räumen wie Thronsaal und Sängersaal statt, während gleichzeitig Besucherführungen im Schloss unterwegs waren. Tausende Besucher am Tag schauten den Restauratoren über die Schulter. In der Königswohnung ist es dafür zu eng. Jetzt sind die Restauratorinnen unter sich, schildert Viktoria Jung: "Man genießt das natürlich, wenn auch mal die ruhigen Stunden einkehren und man sich voll drauf einlassen kann, ohne Ablenkung."
Mit der Zahnbürste gegen die Staubschicht
Im Schlafzimmer steht Esther Nickel im Prunkbett des Königs und trägt mit einer Zahnbürste vorsichtig ein Lösungsmittel auf die kunstvoll geschnitzte, dunkelbraune Wandvertäfelung auf. Stück für Stück müssen die Restauratorin und ihre Kolleginnen eine dicke, dunkle Schicht aus Staub und Pflegemitteln auf unzähligen Quadratmetern abnehmen. Für die Restauratorin ist Schloss Neuschwanstein ein besonderer Arbeitsplatz: "Ich durfte beobachten, wie die Matratze rauskam. Es waren drei Matratzen übereinander. Also dieses Märchen von der Prinzessin auf der Erbse, vielleicht hat das irgendeinen Hintergrund", erklärt sie lachend und fügt hinzu: "Es ist was ganz Besonderes. Eine große Ehre, hier in diesem Schloss arbeiten zu dürfen."
Was alles zu tun ist
Mehr als ein Dutzend Restauratorinnen sind in der Königswohnung derzeit im Einsatz. Sie kümmern sich um die aufwendigen Wandmalereien, die prachtvollen Textilien, die kostbaren Möbel und die filigranen Verzierungen. Es gilt, Staub und Schmutz von eineinhalb Jahrhunderten zu entfernen. Außerdem bessern die Fachleute unter anderem kleine Risse oder Abplatzungen an den kostbaren Wandmalereien aus, restaurieren Möbel und Textilien und dichten die Fenster wieder ab.
Restaurierung ganz "im Sinne Ludwigs II."
Nur die Besten dürfen hier Hand anlegen. Über alldem wachen die kritischen Augen der Fachleute von der Bayerischen Schlösserverwaltung, wie von Stephan Wolf vom Restaurierungszentrum. Nichts wird bei einer Sanierung in Neuschwanstein dem Zufall überlassen: "Es ist hier zu Zeiten Ludwigs II. absolute Top-Qualität geliefert worden. Darauf hat der König auch großen Wert gelegt und hat sich ja bis ins Detail in die Planungen eingebracht. In diesem Sinne sollten dann natürlich auch Restaurierungsarbeiten laufen."
Das ist der Plan für die Restaurierung
Bis spätestens Juli, zum Beginn der Hauptsaison, sollen die Arbeiten in der Königswohnung aber abgeschlossen sein. Insgesamt 20 Millionen Euro wird die aufwendige Sanierung den Freistaat wohl kosten. 2.300 verschiedene Gegenstände, Holzbauteile sowie Fenster und Türen werden bearbeitet. Kommendes Jahr soll die größte Restaurierung in der Geschichte des Schlosses nach jetzigem Stand zum Abschluss kommen.

Auch an einem Märchenschloss nagt der Zahn der Zeit: 150 Jahre nach Baubeginn muss Schloss Neuschwanstein umfassend saniert werden.
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