Sayragul Sauytbay ist zur Preisverleihung mit ihrer Familie nach Nürnberg gereist. Eine Unterstützung, die sie braucht. Auch wenn die 45-Jährige schon öfters über die unmenschlichen Zustände in den sogenannten Berufsbildungszentren in der chinesischen Provinz Xinjiang berichtet hat, fällt es ihr dennoch weiterhin schwer, darüber zu reden. Denn hinter den harmlos klingenden Zentren verstecken sich Umerziehungslager, in denen vor allem Muslime gefoltert werden, erzählt Sauytbay.
Folter, Vergewaltigungen und Zwangssterilisation
"Den Menschen wird der Kopf kahlgeschoren, sie werden gefesselt und geschlagen", sagt die 45-Jährige. Die Insassen müssten ihre Identität und Religion verleugnen. Viele würden zwangssterilisiert. Zudem komme es regelmäßig zu sexuellen Übergriffen, so Sauytbay. "Eine Frau wurde vor unseren Augen von den Wachen nacheinander immer wieder vergewaltigt. Das werde ich niemals vergessen", berichtet Sauytbay.
Rund eine Million Menschen in Lager gesperrt
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch schätzen, dass rund eine Million Menschen in solchen Lagern in China interniert werden. Die meisten sind Uiguren. Seit Jahren kommt es in der Provinz Xinjiang zu Unruhen zwischen den muslimischen Uiguren und der chinesischen Regierung, die brutal durchgreift und die Menschen auf Jahre in den Lagern verschwinden lässt.
Mutige Stimme gegen Unterdrückung und Folter
Sayragul Sauytbay, die als Ärztin und Schulleiterin tätig war, wurde 2017 als Ausbilderin für eines der Lager zwangsrekrutiert. Sie sollte den Insassen Chinesisch beibringen. Gleichzeitig musste sie selbst Folter erleiden. Als sie einige Monate später unerwartet freigelassen wurde, floh sie ins Ausland. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Schweden. Ihre Erlebnisse schildert sie im Buch "Die Kronzeugin". Für ihren Mut, öffentlich die Missstände anzuprangern, erhält sie in diesem Jahr den Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreis. Der Preis gebe ihr Hoffnung, dass sich die Situation für die muslimischen Minderheiten in China verbessern wird, sagt die 45-Jährige.
Menschenrechtspreis als Schutzschild
Sayragul Sauytbay wird wegen ihres Engagements bis heute bedroht. Der Nürnberger Menschenrechtspreis soll durch die große Öffentlichkeit, die durch die Preisverleihung hergestellt wird, auch einen gewissen Schutz darstellen, erklärt Martina Mittenhuber, die Leiterin des Nürnberger Menschenrechtsbüros. "Wir halten außerdem Kontakt zu unseren Preisträgern und versuchen, sie über viele Jahre hinweg zu unterstützen", so Mittenhuber.
Städtepartnerschaft zwischen Nürnberg und Shenzhen auf Eis
Dass der Nürnberger Menschenrechtspreis an Sayragul Sauytbay geht, löse Reaktionen aus, die die Stadt Nürnberg so noch nicht erlebt habe, berichtet Mittenhuber. Der chinesische Generalkonsul in München sei erzürnt, ominöse E-Mails mit Einschüchterungsversuchen erreichten die Stadt, und auch die Städtepartnerschaft zwischen Nürnberg und der Region Shenzhen leide. "Viele der partnerschaftlichen Aktivitäten sind im Augenblick von chinesischer Seite aus zurückgefahren. Das tut uns sehr leid", so Mittenhuber. Doch trotz Gegenwind: Nürnberg hält an seiner Menschrechtspreisträgerin fest.
Rund um die Verleihung des Menschenrechtspreises wird ein großes Rahmenprogramm geboten. Am Sonntag findet im Anschluss an die Preisverleihung eine Friedenstafel in der Nürnberger Innenstadt statt. Zudem sind in der kommenden Woche mehrere Lesungen und Vorträge geplant.

Die Trägerin des Nürnberger Menschenrechtspreises Sayragul Sauytbay in der Straße der Menschenrechte.
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