Muslimisches Grab auf einem Friedhof
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Obwohl die Sargpflicht bereits 2019 vom Landtag gekippt worden ist, wird sie in den bayerischen Kommunen unterschiedlich umgesetzt.

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Sarglose Bestattung noch nicht überall in Bayern möglich

Der Freistaat hat vor zwei Jahren die Sargpflicht abgeschafft. Damit aber die Bestattung im Leichentuch etwa für Muslime auch möglich ist, müssen erst die Kommunen ihre Friedhofsordnung ändern. Das ist bisher eher in großen Städten passiert.

Seit 50 Jahren lebt der gebürtige Türke Yunus Tektasli in Erding. Tektasli hat hier eine Familie gegründet und ein Taxiunternehmen aufgebaut. Inzwischen ist er Mitte 60 und Großvater. Und er macht sich Gedanken, wo und wie er als gläubiger Muslim einmal bestattet werden möchte: "Ich lebe hier, ich werde hier sterben und wie es aussieht, werde ich nicht mehr in die Türkei zurückgehen. Meine Kinder haben Deutsche geheiratet und sie haben Kinder. Das sind meine Nachfahren, die mich an meinem Grab mal besuchen werden", erzählt Yunus Tektasli. "Ich möchte wie ein Muslim gelebt haben und wie ein Muslim sterben und begraben werden."

Sarglose Bestattung in jeder Kommune unterschiedlich geregelt

Doch bisher ist das in Erding, in Yunus Tektasli Heimat, nicht möglich. Wie in vielen keineren Städten und Gemeinden in Bayern gibt es hier weder ein eigenes muslimisches Gräberfeld, noch die Erlaubnis, Verstorbene ohne Sarg nur in einem Leichentuch zu bestatten. Warum das in Erding bisher so ist, darauf will die Stadtverwaltung auf BR-Anfrage nicht näher eingehen und schreibt: "Um Bestattungen nach islamischem Ritus zu ermöglichen, sind umfangreiche Vorarbeiten nötig. Diese betreffen unter anderem die Grabfelder und den Ablauf der Bestattungen. Erst wenn in diesen Bereichen zahlreiche Fragen geklärt sind, kann die Friedhofsverordnung der Stadt geändert werden."

Bereits 2019 hatte der Bayerische Landtag die Sargpflicht auf Bayerischen Friedhöfen gekippt, das Bayerische Gesundheitsministerium änderte das Bestattungsrecht erst vor zwei Jahren geändert, am 1. April 2021. Die sarglose Bestattung ist für Muslime wichtig, die traditionell im Leichentuch beerdigt werden. "Der Friedhofsträger kann Erdbestattungen in einem Leichentuch ohne Sarg aus religiösen und weltanschaulichen Gründen zulassen, soweit öffentliche Belange nicht entgegenstehen." So steht es seit 1. April 2021 im bayerischen Bestattungsrecht.

Das bedeutet, die Friedhofsträger - also in der Regel die Kommunen - entscheiden vor Ort darüber, ob sie eine Beerdigung im Leichentuch zulassen oder nicht. Recherchen des Bayerischen Rundfunks zeigen ein Stadt-Land-Gefälle: Während in großen Städten die sarglose Bestattung meistens schon jetzt möglich ist, haben viele kleine Kommunen die Friedhofsordnung bisher noch nicht geändert.

Andere Kommunen rechtfertigen die zögerliche Umsetzung damit, dass die Nachfrage nach sarglosen Bestattungen überhaupt nicht da sei. Tatsächlich wird die sarglose Bestattung regional sehr unterschiedlich angenommen. In Regensburg zum Beispiel ist die Friedhofsordnung schon lange geändert, trotzdem habe es in den vergangenen zwei Jahren keine sarglose Bestattung gegeben. Dagegen wurden in Aschaffenburg fast alle muslimischen Begräbnisse im Leichentuch durchgeführt. Und in Würzburg gab es bei muslimischen Beerdigungen in etwa gleich viele Bestattungen ohne wie mit Sarg.

München: Muslimisches Gräberfeld mit sargloser Bestattung

In vielen anderen Bundesländern ist die sarglose Bestattung ohnehin seit Jahren möglich und schon längst üblich. Nur in Bayern sei es ein jahrelanger Kampf gewesen, Politik und Verwaltung davon zu überzeugen, blickt Salid Güler zurück. Er betreibt in München ein muslimisches Bestattungsunternehmen. "Jeder soll so beerdigt werden, wie er gekommen ist – so einfach wie möglich, jeder gleich, egal ob reich oder arm."

In München sind Bestattungen nach islamischem Ritus mittlerweile möglich. Auf dem neuen südlichen Friedhof in München etwa gibt es ein eigenes muslimisches Gräberfeld. Hier können Verstorbene Richtung Mekka und ohne Sarg, nur im Leichentuch, bestattet werden. Allerdings muss das Begräbnis innerhalb von 96 Stunden nach dem Tod stattfinden, kritisiert Bestatter Salid Güler. "Mal kommt ein Wochenende dazwischen, Termine können nicht vergeben werden, es gibt Angehörige, die möchten auf bestimmte Angehörige aus dem Ausland warten", zählt Güler auf. "Dann wird die Frist auch oft überschritten."

Für deutsche Staatsbürger keine Überführung möglich

In anderen bayerischen Städten wie zum Beispiel in Augsburg gilt die Frist von 96 Stunden dagegen nicht. Die Friedhofsordnungen sind eben von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich. Die Moschee-Gemeinde von Yunus Tektasli in Erding hat die Stadt nun erneut um ein Gespräch gebeten, um doch noch eine Änderung der Friedhofsordnung zu erreichen. Yunus Tektaslis und anderen bleibt sonst womöglich nur, sich nach dem Tod in ihr muslimisches Herkunftsland überführen und dort bestatten zu lassen.

Das geht allerdings nur, wenn ein Verstorbener noch die Staatsangehörigkeit seines Herkunftslandes besitzt. Aber viele in Deutschland lebende Muslime haben mittlerweile die deutsche Staatsbürgerschaft. Für sie ist eine Überführung und Bestattung in einem muslimischen Land damit in der Regel nicht möglich. Für Yunus Tektasli ist ohnehin klar: "Wir fühlen uns hier zu Hause, wir wollen hier sterben und wollen hier auch als Muslime begraben werden."

Tuchbestattung noch nicht überall in Bayern möglich
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Tuchbestattung noch nicht überall in Bayern möglich

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