Das Kernkraftwerk Isar 2 in Essenbach im Landkreis Landshut.
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Die Frage nach dem Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Isar 2 sorgt aktuell für hitzige Debatten.

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Reservebetrieb von Isar 2: Krach zwischen Habeck und Betreiber

Die Absage sorgt für Wirbel: Der Betreiber des AKW Isar 2 hält dessen Reservebetrieb nicht für möglich, Bundeswirtschaftsminister Habeck reagiert mit "einiger Verwunderung". Sein bayerischer Ressortkollege Aiwanger spricht von einem Desaster.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat mit seinen Plänen für einen Reservebetrieb zweier Atomkraftwerke kontroverse Debatten ausgelöst. Nicht nur Spitzenvertreter des Koalitionspartners FDP äußerten sich kritisch - vom Betreiber der niederbayerischen Anlage Isar 2 erhielt Habeck heute eine klare Absage.

Der Vorschlag des Ministeriums, zwei der drei noch laufenden Atom-Meiler zum Jahreswechsel in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren, sei "technisch nicht machbar", hieß es in einem Schreiben von PreussenElektra, das dem BR vorliegt. Dies sorgt nun wiederum bei Habeck für heftiges Kopfschütteln.

  • Zum Artikel: AKW-Betreiber erteilt Reservebetrieb von Isar 2 Absage

Habeck irritiert über Betreiber-Aussage

Habeck sagte dazu in Berlin: "Ich hab den Brief von PreussenElektra mit einiger Verwunderung zur Kenntnis genommen." Die Betreiber des AKW Isar 2 hätten offenbar das Konzept der Einsatzreserve nicht verstanden. Dabei gehe es nicht um ein mehrfaches Hoch- und Runterfahren des Kraftwerkes.

Vorgesehen sei vielmehr, "einmal zu entscheiden, ob man die beiden dafür vorgesehenen Kraftwerke braucht oder nicht", erläuterte der Grünen-Politiker. "Das ist offensichtlich an den Technikern von PreussenElektra vorbeigegangen." Neben Isar 2 im Landkreis Landshut soll laut Habeck auch die Anlage Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg in einen Reservebetrieb bis April 2023 gehen.

Minister: Widersprüchliche Aussagen

Zudem verwies Habeck auf einen früheren Brief des Energiekonzerns aus dem August, in dem dieser selbst ein solches Vorgehen in Verbindung mit einem Streckbetrieb vorgeschlagen habe. Ein vorübergehendes Ausschalten wäre demnach möglich, sagte der Minister.

Nach Habecks Darstellung widersprechen sich die Angaben des Konzerns. Es sei technisch nicht nachvollziehbar, warum dies nicht auch für die Einsatzreserve gelten solle. Er fügte hinzu: "Also genau das, was sie heute sagen, das geht nicht." Nun solle in neuen Gesprächen geklärt werden, was gelte.

Staatssekretär: Können keine Probleme für AKW-Einsatzreserve erkennen

Energiestaatssekretär Patrick Graichen sprach von "Missverständnissen" zwischen PreussenElektra und dem Bundesministerium. Er habe von keinen nicht überwindbaren technischen Hindernissen in Vorgesprächen gehört, versicherte Graichen in einem Antwortschreiben auf die Nachricht von PreussenElektra. Die Reaktoren würden entweder im Dezember für die Reserve als nötig erachtet, sodass die Kraftwerke gar nicht heruntergefahren werden müssten. Oder sie würden im Januar oder Februar wieder hochgefahren, um dann im Streckbetrieb bis April zu produzieren.

Für eventuell nötige technische Änderungen habe das Unternehmen nur einen kurzen Betriebsstillstand als notwendig erachtet. "Ich vermag daher nicht erkennen, welche technischen Probleme im Fall der Einsatzreserve entstehen würden, die nicht in der von Ihnen mehrfach angebotenen Option des Streckbetriebs von AKW Isar 2 auftreten würden", schrieb Graichen an PreussenElektra-Chef Guido Knott. "Ich gehe davon aus, dass Ihr Angebot ernst gemeint war und dementsprechend unabhängig von der Frage gilt, ob es sich um einen Streckbetrieb oder einen Einsatz im Rahmen der Reserve handelt."

Am Montag hatte Bundeswirtschaftsminister Habeck aufgrund eines sogenannten Stresstests für das Stromnetz die Einsatzreserve vorgeschlagen. Damit soll ein Blackout im Winter im Notfall angesichts der Energiekrise vermieden werden. Im Bedarfsfall sollen die beiden Kernkraftwerke einsatzbereit sein und Strom produzieren. Einen Streckbetrieb, also ein reduziertes Weiterbetreiben ohne komplettes Abschalten, hatte er für nicht nötig erachtet. Grundsätzlich will Habeck am beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie zum Jahresende festhalten.

PreussenElektra: Mit der Sicherheitskultur nicht vereinbar

Der Energiekonzern PreussenElektra, eine E.ON-Tochter, die das niederbayerische AKW Isar 2 betreibt, hält die Pläne aber für ungeeignet. Problematisch sei, dass der Meiler komplett heruntergefahren sein werde und die Brennstäbe schon an das Ende ihrer Leistungsfähigkeit kämen, hieß es in dem Brief des Geschäftsführers von PreussenElektra Knott. Das Unternehmen habe damit keine Erfahrungswerte. Dieses Vorgehen sei mit der Sicherheitskultur des Kraftwerksbetreibers nicht vereinbar.

Knott warnte davor, die Option eines Wiederanfahrens ausgerechnet für diesen Winter zu erwägen, denn "das Austesten einer noch nie praktizierten Anfahrprozedur sollte nicht mit einem kritischen Zustand der Stromversorgung zusammenfallen". Auf Twitter entgegnete das Bundeswirtschaftsministerium, dass es um eine gezielte Maßnahme gehe, für die auch ausreichend Vorlaufzeit bestünde.

Union und FDP drängen auf AKW-Laufzeitverlängerung

Union und auch der Koalitionspartner FDP hatten die Reserve als nicht ausreichend bezeichnet und eine mehrjährige Laufzeit-Verlängerung verlangt. Die Lage in Süddeutschland könnte im Winter besonders angespannt sein, da Kohlekraftwerke wegen des Niedrigwassers und Bahn-Problemen nur schwer beliefert werden können, die Windenergie dort kaum ausgebaut ist und Strom nach Frankreich wegen AKW-Revisionen dort abfließt.

Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, twitterte mit Blick auf den Brief des Energiekonzerns PreussenElektra: "Robert Habecks Vorschlag hält einer vertieften fachlichen Prüfung offenkundig nicht stand." Kernkraftwerke seien kein Experimentierfeld für grüne Wahlkampferfolge. Die Regierung müsse nun ein neues Konzept präsentieren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. An einer Verlängerung der Laufzeiten führe kein realitätsnaher Weg vorbei.

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Aiwanger: Reservebetrieb keine Lösung

Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) bezeichnete die Ablehnung des Reservebetriebs durch PreussenElektra als "Super-GAU für die Bundesregierung". Deutschland stehe wegen grün-ideologischer Politik vor der politischen Handlungsunfähigkeit und einem wirtschaftlichen Desaster, so Aiwanger. "Als Wirtschaftsminister schaue ich derzeit sehr pessimistisch in die Zukunft, was den Erhalt der bayerischen Betriebe angeht."

Wirtschaft und Bürger stünden laut Stresstest der Stromnetzbetreiber in den nächsten Monaten vor einer Stromversorgungslücke von insgesamt bis zu 91 Stunden, hieß es in einer Mitteilung des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Aiwanger sprach sich erneut für eine Laufzeitverlängerung der bestehenden drei Kernkraftwerke aus. Auch die Netzbetreiber forderten dies, um "Schlimmeres zu verhindern", argumentierte der Freie-Wähler-Politiker. "Die Bundesregierung nimmt dies schulterzuckend nicht mal zur Kenntnis und macht fachlich desaströse Vorschläge, die AKW auf Abruf in der Hinterhand zu halten, ohne Strom einspeisen zu dürfen."

Die Grünen könnten sich nicht zu einem "überfälligen Beschluss" zur Laufzeitverlängerung durchringen, kritisierte Aiwanger. Die Bundesregierung müsse diese "Pippi-Langstrumpf-Politik" unverzüglich beenden. Am Dienstag hatte auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die SPD und die FDP aufgefordert, Habecks Reserveplan im Bundeskabinett stoppen.

Grüne: Argumente von PreussenElektra "nicht stichhaltig"

Die Grünen-Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger wirft dem Kraftwerkbetreiber im BR24-Interview dagegen vor, zu pokern: "PreussenElektra kann nicht einfach sagen: 'Wir haben keine Lust.'" Der Konzern versuche offenbar, möglichst viel herauszuholen.

Auch die Sicherheitsbedenken des Betreibers gegen den Reservebetrieb hält die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bayerischen Landtag für nicht stichhaltig: "Vor kurzem hatten wir einen Störfall. Da ging das auch, dass das AKW heruntergefahren wurde und ein paar Tage später wieder hoch", sagte Steinberger.

Landrat und Bürgermeister haben Verständnis für Betreiber-Seite

Verständnis für den Kraftwerksbetreiber zeigt dagegen der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler). Der geplante Reservebetrieb sei "absoluter Unsinn". Ein solcher Stand-by-Betrieb sei nicht realisierbar. "Ein AKW ist kein Notstromaggregat", stellte Dreier klar. Der Landrat plädiert stattdessen für einen befristeten Weiterbetrieb des Atomkraftwerks Isar 2.

Auch der Bürgermeister der Gemeinde, in der das AKW Isar 2 steht, Dieter Neubauer (CSU), nennt die ablehnende Haltung von PreussenElektra zur AKW-Reserve nachvollziehbar: "Ein AKW ist keine Küchenmaschine, die man aus- und einschalten kann." Es sei vorher bekannt gewesen, dass diese Art von Betrieb problematisch sei, so der Rathauschef von Essenbach.

Betreiber von Neckarwestheim 2 will weiter beraten

Etwas anders fällt das Feedback für Habecks Pläne in Baden-Württemberg aus. Dort betreibt EnBW das AKW Neckarwestheim 2. Der Konzern sei im Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium zur Klärung der konkreten Details und Fragen, heißt es von dort: "Erst danach können wir die technische und organisatorische Machbarkeit des aktuell diskutierten Vorschlags bewerten."

Eines der drei noch aktiven Atomkraftwerke in Deutschland: Isar 2 im niederbayerischen Essenbach.
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Die Betreiber von Isar 2 halten die Atompläne von Wirtschaftsminister Habeck, Grüne, für technisch nicht umsetzbar.