Wann fällt eine Personenkontrolle unter Racial Profiling und wann nicht? (Symbolbild)
Bildrechte: picture-alliance/dpa

Wann fällt eine Personenkontrolle unter Racial Profiling und wann nicht? (Symbolbild)

Per Mail sharen
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Rassismus in der Polizei: Das denken Polizeischüler

Es gibt sie immer wieder: Fälle von Rassismus innerhalb der Polizei. Das BR-Politikmagazin Kontrovers begleitete zweieinhalb Jahre eine bayerische Polizeiklasse. Was wird gegen Rassismus getan in der Polizeiausbildung?

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Hasan steht kurz vor dem Abschluss seiner Polizei-Ausbildung in Eichstätt. Er ist einer der wenigen Polizeischüler mit Migrationshintergrund. Seine Eltern stammen aus der Türkei. Er selbst hat nie negative Erfahrungen mit Rassismus gemacht, aber er weiß natürlich von den Fällen, die es innerhalb der bayerischen Polizei gegeben hat. Während seiner Ausbildungszeit beispielsweise im März 2019 einen Fall von Antisemitismus: In einer Chatgruppe von bayerischen Polizeibeamten wurden antisemitische Videos verschickt. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Polizeischüler schon in der Ausbildung sensibilisiert werden.

Projekttage: Polizeischüler besuchen Synagoge und Asylbewerberheim

Anti-Rassismus-Unterricht in dem Sinn gibt es nicht im Lehrplan der bayerischen Polizeischüler. Aber das Thema Rassismus komme fast überall vor, sagt Jörg Ottenschläger. Er ist Ausbildungsleiter bei der bayerischen Bereitschaftspolizei und für den Lehrplan mitverantwortlich. Besonders Projekttage widmen sich diesen wichtigen Themen. Die Klasse von Hasan hat beispielsweise eine Synagoge besucht. An einem anderen Projekttag waren die Polizeischüler in einem Asylbewerberheim. Dort konnten sich die Polizeischüler die Erfahrungen anhören, die Flüchtlinge hier in Deutschland gemacht haben.

"Gerade die jungen Polizistinnen und Polizisten haben das selber, sowohl im dienstlichen als auch im privaten Bereich, so noch gar nicht erlebt. Und hören dann einfach mal von der anderen Seite, wie das bei den Menschen so ankommt", sagt Ausbildungsleiter Ottenschläger. Weitere Themen bei Projekttagen sind zum Beispiel interkulturelle Kompetenz und Rassismus. Ottenschläger schätzt, dass das Thema Rassismus in etwa 80 Unterrichtseinheiten vorkommt.

Der Fall George Floyd: Könnte das auch in Deutschland passieren?

Die Tötung des Afroamerikaners George Floyd durch einen weißen Polizisten in den USA hat auch die Polizeiklasse von Hasan und seine Mitschülerinnen Annelie und Marina sehr beschäftigt. Sie haben viel diskutiert, auf den Dienststellen während ihrer Praktikumsmonate und auch untereinander. Hasan sagt: "Meine persönliche Meinung ist, dass es nichts mit Deutschland zu tun hat. Die haben in den USA dieses Second-Amendement-Recht, dass sich jeder eine Waffe holen kann. Dementsprechend arbeiten die Polizisten dort anders. Wenn man sich die Videos auf YouTube anschaut, wie ein Polizeieinsatz dort ablaufen kann, dann ist das nicht ohne: mit was für Waffen die rumfahren, aber auch, mit was für Waffen die konfrontiert werden."

Unterschied in der Polizeiausbildung: US-Ausbildung dauert nur vier Monate

Polizeischülerin Annelie verweist auch auf die Unterschiede in der Polizeiausbildung: Dort werden Kadetten in nur vier Monaten zu Polizisten ausgebildet. "Wir haben uns ganz klar gesagt, dass das bei uns anders ist, weil wir eine viel längere und intensivere Ausbildung haben als in den USA." So sieht das auch ihre Mitschülerin Marina: "Ich könnte mir das bei uns wirklich nicht vorstellen, wie wir innerhalb von vier Monaten das ganze Wissen reingedrückt bekommen sollen."

Alltagsrassismus und Racial Profiling

Ein weiteres Thema, für das Polizeischüler sensibilisiert werden sollen: Racial Profiling, etwa bei Kontrollen, die keinen konkreten Anlass haben - also nicht aufgrund einer Täterbeschreibung oder konkreten Fahndung stattfinden. Dabei, das berichten Betroffene immer wieder, geraten häufiger People of Colour in den Fokus als weiße Menschen. Auch, weil möglicherweise die Vorstellung besteht, dass sie an bestimmten Orten bestimmte Straftaten häufiger begehen als Weiße. Solche Kontrollen werden für die Auszubildenden einmal Alltag sein.

Welche Erfahrungen haben die Polizeischüler in den Dienststellen gemacht? Annelie berichtet: "Ich muss sagen, bei uns im Praktikum war das gar nicht so." Polizeischülerin Marina dagegen reagiert nachdenklich: "So ein gewisses Schubladen-Denken hat jeder ein bisschen verinnerlicht, glaube ich. So ganz verhindern oder abschalten wird man das, denk ich mal, nie können. Zum Beispiel diejenigen, die einen etwas heruntergekommenen Stil haben und einfach in ein Schema reinpassen, etwa in der BTM-Szene, also Betäubungsmittelszene: Aufgrund von polizeilicher Erfahrung ist es oft so, dass es dann bei den Leuten etwas zu finden gibt. Und natürlich kontrolliert man die dann."

Wie viel davon ist polizeiliche Erfahrung? Wo nehmen die Vorurteile überhand? Wo übernimmt Alltagsrassismus das Steuer? Diesen Fragen müssen sich Polizisten heute mehr denn je stellen. Dafür müssen sie schon in der Ausbildung sensibilisiert werden. Die Ausbilder der bayerischen Polizei haben das erkannt und klären auf über Rassismus und Antisemitismus. Ob es reicht, liegt am Ende auch in der Hand jedes einzelnen Polizisten, wie sie im Alltag mit diesen Themen umgehen.

"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!