Alles begann mit einem Schreiben des Stadtrats der Nürnberger Die Linke, Titus Schüller, an Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU). Zwei Mitglieder des neu gewählten Integrationsrats der Stadt sollen in der Vergangenheit "klar rassistisch und menschenverachtend" über Roma und Sinti gesprochen haben. Der, oder besser die Zankäpfel, sind Posts in Sozialen Medien. Ionela van Rees-Zota (CSU) und Galina Condrea sprachen online von "Zigeunern" und diffamierten Sinti und Roma. Auch AfD-Beiträge und Verschwörungstheorien wurden von ihnen geteilt. SPD-Mitglied Ilia Choukhlov steht in der Kritik wegen antimuslimischen Framings.
Dachverbandsvorsitzende: "Fast keine Institution rassismusfrei"
Der Fall schlägt mittlerweile hohe Wellen. Die Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns (AGABY) verurteilt jegliche rassistische Äußerungen, egal von wem sie stammen, heißt es in einer Mitteilung. "Wenn rassistische Äußerungen von Mitgliedern der Integrationsbeiräte stammen, sind sie besonders schmerzhaft, da es die definierte Aufgabe der Beiräte ist, Rassismus zu bekämpfen und sich rassistischen Ressentiments in der Gesellschaft entgegenzustellen", meint AGABY-Vorsitzende Mitra Sharifi im Gespräch mit der regionalZeit auf Bayern 2 und ergänzt, dass der Umgang mit dem Fall aber noch diskutiert werden müsse.
"Fast keine Institution in unserer Gesellschaft ist automatisch rassismusfrei", sagt Sharifi, die auch Vorsitzende des Integrationsrats in Bamberg ist. Rassistische Äußerungen könnten bewusst und unbewusst sehr oft vorkommen. Zwar verletze das immer sehr viele Menschen und vergifte die Gesellschaft, Sharifi plädiere aber dafür den Menschen, die rassistische Vorurteile äußern, eine Chance zu geben, sich mit ihren Fehlern auseinanderzusetzen.
Besonderes Augenmerk auf Migrantinnen und Migranten?
Rücktrittsforderungen von außen hält Mitra Sharifi für falsch. Der Rat selbst müsse sich damit beschäftigen – auch mit der Frage, ob die Äußerungen, die bereits ein paar Jahre alt seien, noch aktuell sind. Ressentiments und tradierte rassistische Denkmuster kämen nicht nur bei Deutschen, sondern auch bei Menschen mit Migrationshintergrund vor. Aber in allen Parlamenten säßen Menschen mit rassistischen Einstellungen, gegen Migranten sollte jetzt nicht härter ins Gericht gegangen werden. "Ich hatte ein bisschen das Gefühl: Die Migrantinnen und Migranten müssen jetzt wieder die Besseren sein".
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Allianz gegen Rechtsextremismus schlägt Maßnahmen vor
Kritik an den Aussagen kommt auch vom Vorsitzenden der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, Stephan Doll: "Es ist erschreckend zu sehen, wie sich einige der neu-gewählten Mitglieder des Nürnberger Integrationsrats in den sozialen Medien äußerten und wessen Posts sie auf ihren Seiten teilten. Das ist das Gegenteil dessen, wofür der Integrationsrat eigentlich stehen sollte." Die Allianz schlägt in einer Mitteilung zwei Maßnahmen vor.
Zum einen solle jedes Mitglied des Integrationsrats eine "Selbstverpflichtungserklärung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" unterschreiben, die auf den Grundsätzen der gleichnamigen Erklärung der AGABY beruhe. Außerdem soll das gesamte Gremium verpflichtend und regelmäßig an Anti-Rassismus bzw. Anti-Diskriminierungsseminaren sowie an Anti-Bias-Trainings teilnehmen, heißt es in der Mitteilung weiter. Anti-Bias ist ein diskriminierungs- und machtkritisches Praxiskonzept.
Ein weiterer Vorschlag der Allianz: Die betroffenen Mitglieder sollen sich mindestens für eine Woche in den jeweiligen Einrichtungen der Betroffenenorganisationen informieren, diskutieren und ehrenamtlich einbringen – neben einer Entschuldigung.
Satzungsänderung im Integrationsrat?
In einer Stellungnahme des Nürnberger Integrationsrats durch den vierköpfigen Vorstand heißt es, man sei entsetzt über die bekanntgewordenen Äußerungen einzelner Mitglieder. Da der Integrationsrat bisher keine Möglichkeit hat, gewählte Mitglieder abzusetzen, arbeite man an einer Änderung der Satzung, die dies zukünftig ermöglichen soll. Diese Änderung muss allerdings der Stadtrat genehmigen, teilte Geschäftsführerin Gülay Incesu-Asar BR24 mit. Die Änderung der Satzung sei Thema in der nächsten Vollversammlung am 7. Februar. Zudem wird eine klare Position und eine deutliche Entschuldigung von den in die Kritik geratenen Mitgliedern gefordert. "Das was bisher gesagt wurde, ist keine ausreichende Entschuldigung," so Incesu-Asar.
Streitbegriff "Zigeuner": Mücke oder Elefant?
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"Bitte verstehen Sie, dass es für mich einfacher ist, 'Zigeuner' zu schreiben statt 'Arbeitslose der Roma-Ethnie mit Vorstrafen'", postete beispielsweise van Rees-Zota, die auch Leiterin des Deutsch-Rumänischen Kulturzentrums Nürnberg ist. Die CSU-Politikerin schrieb weiter, dass der Begriff "Zigeuner" in Rumänien völlig normal sei und nun "aus einer kleinen Mücke ein Elefant" gemacht werde, deshalb habe sie die Posts gelöscht. Auch Galina Condrea verwendete den rassistischen Begriff. Linken-Stadtrat Titus Schüller meinte dazu, dass es ihm nicht nur um den Begriff "Zigeuner" gehe, sondern dass eine gesamte Ethnie als kriminell bezeichnet werde und das sei "nicht hinnehmbar".
Außerdem sind weitere Posts aufgetaucht: Galina Condrea teilte AfD-Beiträge auf Facebook; Ionela van Rees-Zota hat unter anderem verschwörungstheoretische Posts weiterverbreitet, in denen die Ökumene der Religionen als Teufelsanbetung bezeichnet werde.
SPD-Mann in der Kritik – "Haltlos" sagt Partei
Auch gegen den SPD-Mann Ilia Choukhlov werden mittlerweile Vorwürfe erhoben. Laut der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg verfolgt er eine Strategie des rechtsextremen Framings gegen Muslime durch wiederholtes Teilen von Links. Die SPD hält dagegen, dass Choukhlov lediglich die Sorgen jüdischer Menschen teile. Die Kritik sei "haltlos".
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