"Jahrelang vernachlässigt" und "an die Grenze gebracht". So beschreibt Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) das bundesweite Schienennetz der Bahn.
Der Minister betonte bei einer Pressekonferenz in Berlin: "Ich erwarte, dass wir in Zukunft wieder die Uhr nach der Bahn stellen können." Das war zuletzt immer schwieriger geworden. Mehr als jeder dritte Fernzug kam im Mai zu spät - so schlecht war die Quote seit zwölf Jahren nicht mehr. Auch Regionalzüge verspäten sich häufiger.
Go-Ahead macht DB Netz verantwortlich für Probleme
Das Eisenbahnunternehmen Go-Ahead macht für Verspätungen oder Ausfälle seiner Züge in Bayern und Baden-Württemberg die Deutsche-Bahn-Tochter DB Netz verantwortlich. Grund seien zahlreiche Baustellen und Einschränkungen auf DB-Netz-Strecken. "Wir hoffen, dass DB Netz diese Schwierigkeiten in den Griff bekommt", erklärte der Geschäftsführer der Go-Ahead-Gesellschaften in Deutschland, Fabian Amini. Deutschland investiere seit Jahrzehnten zu wenig ins Eisenbahnnetz, monierte Amini. Das sei nicht bei jeder einzelnen Baustelle die Ursache, aber in der übergroßen Mehrzahl der Situationen.
So sei seit einer Woche auf der Bahnstrecke von Lindau ins Allgäu auf dem zehn Kilometer langen Abschnitt zwischen Lindau-Aeschach und Weißensberg von zwei Gleisen nur eines befahrbar, so Amini. Nach Aussage der DB Netz sei etwas am Gleis defekt und es solle noch eine Woche dauern, bis das Problem behoben sei.
In Baden-Württemberg hätten Probleme durch Langsamfahrstellen, Streckensperrungen, Stellwerks-, Oberleitungs- oder Signalstörungen in den Juni-Wochen drastisch zugenommen. "So wie bei anderen Bahnbetreibern, sind auch bei Go-Ahead die Pünktlichkeitswerte in der vergangenen Woche dramatisch abgerutscht." Letzte Woche habe Go-Ahead allein in Baden-Württemberg pro Wochentag mindestens 42 Stunden an Zugverspätungen verbucht.
"Daher muss dringend mehr investiert sowie viel vorausschauender instand gehalten und kundenfreundlicher gebaut werden", forderte Amini. "Wir entschuldigen uns bei unseren Fahrgästen für die Verspätungen und Zugausfälle", fügte er hinzu. Go-Ahead könne die Infrastrukturprobleme nicht beseitigen. "In Gesprächen mit DB Netz und den anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen versuchen wir, die Auswirkungen für die Fahrgäste zu verringern."
Generalsanierung mit Ziel "Hochleistungsnetz"
Angesichts der Probleme plant die Bahn, das Streckennetz ab 2024 mit einer Generalsanierung besonders belasteter Strecken zum "Hochleistungsnetz" zu machen. Baumaßnahmen sollen so terminiert werden, dass ein Streckenabschnitt gebündelt saniert werden könne - und nicht etwa in einem Jahr das Gleisbett und im nächsten die Oberleitung, was zu langen Sperrungen führen würde. Zudem sollen Strecken nicht nur repariert, sondern auch für mehr Leistungsfähigkeit ertüchtigt werden.
Hat die Bahn früher Überholgleise und Weichen abgebaut, soll es davon wieder mehr geben. Auch mehr Signale, damit Züge an Baustellen bei vollem Tempo auf dem Nebengleis vorbeirauschen können. Statt immer nur am kostengünstigsten soll öfter schnell und damit kundenfreundlich gebaut werden.
Besonders überlastete Strecken in Bayern
In Bayern sind davon laut Deutscher Bahn die Strecke zwischen Würzburg und Nürnberg sowie der Knotenpunkt München betroffen. Wann die Bauarbeiten beginnen, werde noch abgestimmt, sagte Wissing. Nach der "Generalsanierung" der Abschnitte könne dann jahrelang mit keinen weiteren Sperrungen gerechnet werden, hieß es von Bahn-Chef Richard Lutz.
"Die Strecke wird einmal gesperrt und ist dann für viele Jahre baufrei", so die Idee. Für die Kunden machte Lutz jedoch deutlich: "Einen schmerzfreien Weg der Gesundung wird es nicht geben." Denn die Vollsperrungen werden wochen- oder monatelange Umleitungen und längere Fahrzeiten bringen.
Neue Bayerische Bahn-Initiative "MACH2"
Auch der Freistaat will im Schienenverkehr mehr Kapazitäten schaffen. Das bayerische Verkehrsministerium gab am Mittwoch bekannt, dass Bahnstrecken in Oberfranken, Oberbayern und Niederbayern zweigleisig ausgebaut werden. Dafür werden zusätzliche 15 Millionen Euro aus Landesmitteln investiert. Die Initiative "MACH2" solle das "Zugangebot im Freistaat verbessern, die Pünktlichkeit steigern und Anschlüsse noch stabiler machen", sagte Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) in München.
Insgesamt 150 Kilometer neue zweigleisige Strecke
Zweigleisig werden unter anderem die Abschnitte Bayreuth-Dürschnitz (Länge circa fünf Kilometer), Uffing-Murnau im Werdenfelser Land (circa sechs Kilometer) und Wörth-Loiching auf der Strecke Landshut-Plattling (circa sieben Kilometer). Außerdem werden Bahnhöfe im mittelfränkischen Langlau, im niederbayerischen Spiegelau und Pfenningbach und am Münchner Heimeranplatz mit einem zweiten Gleis ausgestattet und dadurch zu sogenannten Begegnungsbahnhöfen, um eine höhere Taktung zu erreichen.
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