Zwei geflüchteten Frauen aus Nigeria wollte Schwester Juliana Seelmann helfen. 2019 und 2020 gewährte die Menschenrechtsbeauftragte des Klosters Oberzell den beiden Frauen Kirchenasyl. Doch die rechtlichen Vorgaben dafür sind eng. Die Staatsanwaltschaft warf ihr deshalb "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" vor, weil die Frauen trotz eines abgelehnten Bescheids im Kloster blieben. Das Landgericht Würzburg beschäftigt sich jetzt damit.
Ordensfrau zu Geldauflage verurteilt
Schon einmal wurde der Fall verhandelt. Im Juni 2021 verhängte das Amtsgericht Würzburg eine sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt. Als Auflage soll die Schwester 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zahlen. Sollte sie in den nächsten zwei Jahren weiteres Kirchenasyl gewähren oder eine andere Straftat begehen, würden ihr zusätzlich 600 Euro Geldstrafe und ein neues Strafverfahren drohen – so das damalige Urteil. Sowohl Verteidigung als auch Staatsanwaltschaft legten dagegen Rechtsmittel ein.
OLG Bamberg gab Benediktinermönch recht
Doch seit dem Urteil vor mehr als einem Jahr kam Bewegung in das Thema Kirchenasyl – zumindest an den bayerischen Gerichten. Mit Spannung wurde im Februar 2022 eine Entscheidung vom Bayerischen Obersten Landesgericht (BayObLG) in Bamberg erwartet. Die dortigen Richter bestätigten das Urteil gegen einen Benediktinermönch aus dem unterfränkischen Münsterschwarzach. Die dortige Abtei hatte ebenfalls einem Flüchtling Kirchenasyl gewährt. Das Amtsgericht Kitzingen sah bei ihm keine "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt". Er wurde freigesprochen. Diese Entscheidung hielt auch das BayObLG Bamberg für richtig.
Staatsanwalt erwartet Freispruch für Schwester
Von einem Urteil mit Signalwirkung, sprachen Beobachter damals. Die Entscheidung am BayObLG habe man auch in Würzburg zur Kenntnis genommen, sagt nun Thorsten Seebach, Sprecher der dortigen Staatsanwaltschaft. "Es sieht nach einem Freispruch aus", erklärt er im Gespräch mit dem BR. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass beide Fälle ähnlich gelagert sind. Es geht um juristische Details.
Entscheidend wird sein, ob Juliana Seelmann nach der Ablehnung des sogenannten "Härtefallantrags" die Frauen aktiv darin bestärkt hat, weiterhin im Kloster zu bleiben. Sollte sie das nicht getan haben, so gilt ein Freispruch als wahrscheinlich. Franz Bethäuser, Anwalt der Ordensschwester, rechnet fest mit einer Entscheidung im Sinne seiner Mandantin.
Schwester wollte Frauen vor Zwangsprostitution schützen
Die beiden Frauen aus Nigeria hatte Julia Seelmann aufgenommen, um sie nach eigenen Angaben vor Zwangsprostitution und Menschenhandel zu bewahren. Weil sie einen Strafbefehl nicht akzeptierte und Einspruch einlegte, kam es zum Prozess. Die Ordensschwester berief sich vor dem Amtsgericht auf ihr Gewissen und ihren Glauben.
Die Verwarnung mit Strafvorbehalt aus erster Instanz bezieht sich allerdings nur auf einen der beiden vorgeworfenen Fälle. Der andere Fall war auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen offener Fragen vorläufig eingestellt worden.
Für den Berufungsprozess ist nur ein Verhandlungstag angesetzt. Eine Entscheidung fällt voraussichtlich im Laufe des Donnerstags. Dagegen wäre Revision zum Bayerischen Obersten Landesgericht möglich.
💡 Das bedeutet Kirchenasyl
Kirchenasyl bedeutet die zeitlich befristete Aufnahme von Geflüchteten ohne legalen Aufenthaltsstatus – etwa dann, wenn Menschen bei einer Abschiebung Folter, Tod oder inhumane Härten drohen. Eine Kirchengemeinde oder ein Kloster kann dann einen sogenannten "Härtefallantrag" beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stellen. Das BAMF muss daraufhin prüfen, ob ein erneutes Asylverfahren gestartet wird. Derzeit befinden sich laut der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft "Asyl in der Kirche" knapp 600 Menschen bundesweit im Kirchenasyl.
Mit Material von dpa.
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