Als Bauleiter im Bereich Straßenbau war der Hauptangeklagte ein alter Hase und wusste, wie das Geschäft mit Ausschreibungen funktioniert. Seit 1977 war er in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt. Wenn Firmen etwa versuchten, überflüssige Leistungen abzurechnen, sollte er dies erkennen.
Bei einem Gespräch im Jahr 2011 soll er dann mit dem Geschäftsführer einer Straßenbaufirma einen Deal geschlossen haben, da sind sich die Ermittler sicher: In den Angeboten tauchen demnach regelmäßig Positionen auf, die gar nicht erbracht wurden.
Vorwurf: Subunternehmer lieferte Scheinrechnungen
Bei jedem Auftrag wurden einige Arbeiten nur zum Schein abgerechnet, so der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ab einem gewissen Zeitpunkt immer Mehrkosten von einigen tausend bis hin zu sechsstelligen Beträgen abgezeichnet wurden.
Im Fall einer Nürnberger Firma addierten sich die Beträge demnach auf einen mittleren siebenstelligen, im Fall eines Bauunternehmens aus Berching im Landkreis Neumarkt auf einen mittleren sechsstelligen Betrag.
Damit der Betrug nicht gleich auffällt, seien auch Subunternehmer ins Boot geholt worden, die Scheinrechnungen ausstellten. Kontrolliert und mit dem Angebot verglichen hat die Baustellen anscheinend niemand. Den Gewinn aus diesem Betrugssystem hätten der Mitarbeiter des Bauamts und Verantwortliche der beteiligten Firmen untereinander aufgeteilt, so der Vorwurf.
Mit der Straßenbau-Firma soll der Abteilungsleiter im Staatlichen Bauamt zusätzlich zu dem betrügerischen Abrechnungssystem einen Deal geschlossen haben, damit diese bei öffentlichen Ausschreibungen bevorzugt behandelt wird. Belohnt wurde er den Ermittlern zufolge mit extra Schmiergeld. Mehr als 250.000 Euro soll er sich allein auf diese Weise dazuverdient haben.
Bestechung von Amtsträgern keine Seltenheit
Korruption in der Verwaltung ist keine Seltenheit. 23 Personen wurden in Bayern 2021 wegen sogenannter Amtsträgerdelikte verurteilt, teilt das Justizministerium auf BR24-Anfrage mit, aktuellere Zahlen liegen nicht vor. Im Jahr zuvor gab es sogar 38 Verurteilungen dieser Art im Freistaat. In der Privatwirtschaft wurden 2021 den Angaben zufolge zwölf Personen verurteilt, weil sie sich an Bestechung beteiligt haben.
Korruption in den Rathäusern von Ingolstadt und Regensburg
Im Herbst 2019 wurde der frühere Oberbürgermeister von Ingolstadt, Alfred Lehmann (CSU), gerade noch zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er mehreren Bauunternehmern lukrative Sanierungsobjekte zugeschanzt hatte. Dort kaufte er neben einer Privatwohnung noch mehrere Studentenappartements – weit unter dem eigentlichen Marktwert.
Noch mehr mediale Aufmerksamkeit erregte 2016 der Fall Wolbergs aus Regensburg. Als damaliger Oberbürgermeister kungelte Joachim Wolbergs mit mehreren Baufirmen, die im Gegenzug Geld an seinen SPD-Ortsverein spendeten. 2021 entschied der Bundesgerichtshof im Revisionsverfahren, dass sich Wolbergs der Bestechlichkeit schuldig gemacht hat. Andere Teile des Verfahrens sind noch offen.
Abteilungsleiter sitzt in Untersuchungshaft
Für die Angeklagten im Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gilt die Unschuldsvermutung. Einige Beteiligte haben die Vorwürfe bereits gestanden: Bis auf den früheren Mitarbeiter des Bauamts sind alle auf freiem Fuß. 17 Verhandlungstage hat das Gericht bis Ende Mai anberaumt, um den Fall gründlich aufzuarbeiten. Dabei soll es auch um die Frage gehen, warum die Kontrollmechanismen im Nürnberger Bauamt versagt haben und offenbar mehrere Millionen Euro an Schmiergeld gezahlt werden konnten. Bemerkt wurden die Unstimmigkeiten nämlich erst, weil der Abteilungsleiter monatelang krankheitsbedingt ausfiel.
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