Achter Verhandlungstag im Prozess um die Würzburger Messerattacke
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Achter Verhandlungstag im Prozess um die Würzburger Messerattacke, dieses Mal im "Vogel-Convention-Center".

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Prozess um Würzburger Messerangriff: Täter war bereits auffällig

Am achten Verhandlungstag zur Würzburger Messerattacke hat sich das Gericht mit der Vorgeschichte des Angreifers beschäftigt. Dieser hatte bereits früher zweimal ein Messer gezogen. Mehrmals befand er sich in psychiatrischer Behandlung.

Drei Mal wirft der Zeuge dem Beschuldigten einen auffallend langen Blick zu, während er den Saal verlässt. Eben hat der Mitarbeiter der Stadt am Landgericht Würzburg ausgesagt. Es ist der achte Verhandlungstag im Prozess zur Messerattacke in Würzburg. Der Sozialarbeiter wirkt, als sei er nicht all zu leicht aus der Fassung zu bringen. Doch die Geschehnisse beschäftigen ihn offensichtlich weiterhin. "Er ging mit dem Messer auf uns los und hat gedroht uns abzustechen", sagt er über den Vorfall. Doch der Sozialarbeiter spricht dabei nicht vom Amoklauf am 25. Juni 2021, sondern über ein Ereignis fünf Monate zuvor, in einer Würzburger Obdachlosenunterkunft.

Beschuldigter bedrohte städtische Mitarbeiter

Es ist der 12. Januar 2021. Der Sozialarbeiter, der nun im Zeugenstand sitzt, ist an diesem Tag mit der Postausgabe in der Würzburger Unterkunft beschäftigt. Etwa 90 Personen leben dort. Auch der wohl 32-jährige Somalier, der später die Bluttat begeht. Unvermittelt sei der Mann vor ihm gestanden, habe ihn wüst beschimpft – unter anderem als "scheiß Deutscher", schildert der Sozialarbeiter: "Für die Kollegen war das ganz komisch, weil er immer als freundlicher Bewohner beschrieben wurde."

Er und ein Kollege klopfen kurz darauf an der Zimmertür des Mannes. Plötzlich bedroht der sie mit einem Küchenmesser. "Das war eine Sache von zehn Sekunden, dann sind wir direkt geflüchtet", schildert der Zeuge. Erst die Polizei überwältigt den Mann.

Ärzte sprechen von "ausreichend stabilem Zustand"

Am nächsten Tag soll der Somalier ein Hausverbot erhalten. Doch schon wieder bedroht er den Mitarbeiter der Stadt Würzburg – dieses Mal im Freien. Erneut fallen wüste Beschimpfungen, erneut zieht der Bewohner ein Messer. "Die Angestellten haben sehr verängstigt auf uns gewirkt", erinnert sich eine Polizistin, die ebenfalls vor Gericht aussagt. Sie wurde damals zu der Unterkunft gerufen. Die Polizei bringt den Mann ins "Zentrum für seelische Gesundheit" (ZsG), ein psychiatrisches Krankenhaus in Würzburg.

Acht Tage lang bleibt er dort. Es ist bereits sein zweiter Aufenthalt in der Einrichtung. Am 21. Januar 2021 verlässt der Patient die Klinik. Nach Angaben der Ärzte hat sich sein Gesundheitszustand gebessert. Er befinde sich in "ausreichend stabilem Zustand". Einmal täglich soll er ein Medikament nehmen, das in der Psychiatrie hauptsächlich zur Behandlung schizophrener Psychosen eingesetzt wird. Hinweise auf "akute Eigen- oder Fremdgefährdung" lagen nicht vor, heißt es im Arztbrief. In solchen Fällen sind die Krankenhäuser rechtlich verpflichtet, Patienten zu entlassen.

Sicherheitskraft: "Die Entwicklung war richtig negativ"

Doch offensichtlich besserte sich der Zustand des Beschuldigten in den kommenden Monaten kaum. Am Landgericht sagt auch eine Sicherheitskraft aus, die in der Obdachlosenunterkunft arbeitet. Der 33-Jährige erinnert sich detailliert an den Beschuldigten. Ein "ruhiger Mensch" sei er gewesen. Doch in den fünf Monaten vor der Tat am Barbarossaplatz hätte sich sein Zustand verschlechtert. "Die Entwicklung war richtig negativ – es war klar, dass er psychisch nicht mehr bei sich war", erinnert sich der Security-Mitarbeiter. Der Somalier habe zuletzt mit Gegenständen gesprochen, am Tag der Tat laut im Haus herumgeschrien.

Der spätere Angreifer kam sogar noch ein weiteres Mal in psychiatrische Behandlung – am 14. Juni 2021, also elf Tage vor der Tat. Damals hatte er sich in der Würzburger Innenstadt unvermittelt in das Auto eines Fremden gesetzt. "Er war ganz starr, ganz fixiert im Auto gesessen", schilderte der Fahrer des Fahrzeugs nun als Zeuge den Vorfall. Einen Tag danach verließ der Beschuldigte das Krankenhaus – ein weiteres Mal.

Leben des Beschuldigten wirft weiterhin Fragen auf

Im Prozess bleiben auch nach acht Verhandlungstagen Details über die Vorgeschichte des Beschuldigten unklar, insbesondere zu seiner Zeit in Somalia. Gegenüber Ärzten in Würzburg gab der Angreifer an, dass er verheiratet sei und zwei Kinder habe. Bei einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik in Chemnitz sagte er, er habe eine Ausbildung zum Klempner und Elektroniker absolviert. In Sachsen hatte er längere Zeit gelebt. Zeitweise soll er regelmäßig Drogen konsumiert haben, darunter auch Heroin und Crystal Meth.

Die Mitarbeiter der Würzburger Obdachlosenunterkunft allerdings, konnten zur Vorgeschichte des Mannes nur wenige Angaben machen. Zeitweise hätte er in einem Würzburger Unternehmen gearbeitet, doch über sein Privatleben hätte der Beschuldigte nie gesprochen. "Ich habe ihn ruhig und in sich gekehrt in Erinnerung", sagte eine Mitarbeiterin der Stadt Würzburg. Viele Angaben des Beschuldigten bleiben wirr und unverständlich. Mehrfach sprach er etwa davon, dass er sich verfolgt fühle – angeblich von Mitarbeitern der deutschen Geheimdienste.

Gericht will Prozess noch im Juli zu Ende bringen

Im Prozess am Landgericht Würzburg geht es um den Amoklauf am 25. Juni 2021 in Würzburg. Ein Mann hatte sich damals aus der Warenauslage eines Kaufhauses ein Küchenmesser geschnappt. Er tötete drei Frauen und verletzte sechs Personen schwer. Zwei Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass der Mann an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist. Er gilt damit als schuldunfähig zum Tatzeitpunkt. Voraussichtlich wird der Beschuldigte nach Ende des Prozesses dauerhaft in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht.

Das Landgericht Würzburg hat für den Prozess 27 Verhandlungstage angesetzt. Dieses Mal verhandelte das Gericht im Vogel-Convention-Center, einer Veranstaltungshalle in Würzburg. Der letzte Prozesstag ist für den 23. September 2022 angesetzt. Das Gericht geht derzeit allerdings davon aus, dass möglicherweise noch vor den bayerischen Sommerferien eine Entscheidung fallen könnte.

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