Klima-Aktivisten der "Letzten Generation" haben sich mit einem Schreiben an die Oberbürgermeister von Bayreuth und Bamberg gewandt. In dem Brief, der BR24 vorliegt, fordern sie Unterstützung bei dem Vorhaben, in Deutschland einen sogenannten "Gesellschaftsrat" zu installieren. Sollte diese Unterstützung ausbleiben, drohen die Aktivisten mit einer "maximalen Störung der öffentlichen Ordnung" in Bamberg. Der Oberbürgermeister der Stadt, Andreas Starke (SPD), spricht von Nötigung. Mehrere Fraktionsvorsitzende im Bamberger Stadtrat bezeichnen den Brief als Erpressung. Der Rathaus-Chef in Bayreuth sieht das ähnlich.
Maximale Störung der öffentlichen Ordnung angekündigt
Konkret heißt es in dem Schreiben der Protestbewegung, man erwarte ein öffentliches Zeichen der Unterstützung. Die Aktivisten müssten sichergehen können, dass die Stadt bereit sei, das größte Problem unserer Zeit - den Klimawandel - angemessen zu behandeln. Nach dem Vorbild der Stadt Hannover solle sich Bamberg beispielsweise mit einem Brief an den Bundestag wenden und sich darin mit den Forderungen der Aktivisten solidarisieren. Geschehe dies nicht, sehe man keine andere Chance, als den Protest auch auf die Stadt Bamberg auszuweiten. Dabei sichern die Aktivisten zu, sich gewaltfrei zu verhalten.
"Die Störung werden wir einstellen, sobald wir von Ihnen eine Reaktion bekommen, die es unserem Gewissen erlaubt, aufzuhören." Vertreter der "Letzten Generation" in einem Brief an die Stadt Bamberg
Bambergs Oberbürgermeister Starke machte daraufhin in einer Stellungnahme gegenüber BR24 deutlich, dass er die Vorgehensweise der "Letzten Generation" ablehnt. Das Vorgehen mache ein Gespräch mit den Aktivisten unmöglich. Ähnlich äußern sich auch Bamberger Stadträte, unter anderem von Freien Wählern und FDP. In einem Antrag fordern sie die Verwaltung der Stadt auf, keinerlei Gespräche mit den Aktivisten zu führen und zu prüfen, inwieweit sich diese strafbar gemacht haben.
Erst am Montag waren zwei Vertreter der "Letzten Generation" wegen einer Straßenblockade vom Amtsgericht Heilbronn zu mehrmonatigen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt worden.
Schulterschluss mit Aktivisten würde Stadt erpressbar machen
Von den Bamberger Stadträten heißt es weiter, man habe in der Vergangenheit bereits gezeigt, dass man das erklärte Ziel der "Letzen Generation", beschleunigt gegen den Klimawandel zu kämpfen, grundsätzlich teile. Erpressung sei jedoch keine legitime Form des Protestes. Ein Schulterschluss mit den Aktivisten würde die Stadt nun dauerhaft erpressbar machen.
Aus der Pressestelle der "Letzten Generation" heißt es, der Brief enthalte keine Versuche der Nötigung oder Erpressung sondern lediglich Gesprächsangebote. Man verfolge schließlich keine eigenen Interessen, sondern die einer großen Mehrheit. Mit der Wortwahl wolle man vielmehr deutlich machen, dass die Aktivisten nicht gerne protestierten, der Protest aber notwendig sei. Zudem habe nicht nur der Bamberger Oberbürgermeister einen solchen Brief erhalten. Derartige Schreiben seien an alle Städte gegangen in denen sich Aktivisten befänden, die die angekündigten Proteste auch umsetzen könnten. Die Schreiben seien zwar vor Ort verfasst, aber in Inhalt und Ton auf Bundesebene abgestimmt worden.
Städte sollen sich zur Einführung eines Gesellschaftsrats bekennen
Doch nicht nur der Ton des Briefes, auch die konkrete Forderung nach einem Gesellschaftsrat lehnen die Bamberger Stadträte ab. Nach ihrer Überzeugung müssten politische Entscheidungen nicht von "Räten", sondern von den demokratisch gewählten Volksvertretern getroffen werden.
Von den Mitgliedern der "Letzten Generation" hingegen heißt es, es habe sich bereits mehrfach gezeigt, dass demokratische Verfahren für einen angemessenen Umgang mit der Klimakrise offenbar nicht ausreichen. Selbst einfache Maßnahmen wie das Neun-Euro-Ticket oder ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen würden von der Regierung nicht umgesetzt, obwohl sie gesellschaftlich mehrheitsfähig seien. Ein Gesellschaftsrat sollte daher zusammen mit der Politik erarbeiten, wie bis spätestens 2030 die Emissionen in Deutschland auf Null gesenkt werden können. Aufgrund der Beteiligung aller Gesellschaftsschichten sollen die so erarbeiteten Lösungsvorschläge auf größtmögliche Toleranz in der Bevölkerung stoßen. Die Regierung solle zudem öffentlich zusagen, die mit den im Gesellschaftsrat erarbeiteten Maßnahmen in das Parlament einzubringen und dort zu verteidigen.
In Bamberg soll sich nun der Ältestenrat in seiner Sitzung am 17. März mit den Forderungen und dem Vorgehen der "Letzten Generation" beschäftigen.
Auch Bayreuths OB spricht von Nötigung und Erpressung
Unterdessen sei auch im Bayreuther Rathaus ein Brief der Aktivisten gekommen, heißt es auf Nachfrage von BR24. Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) habe den Initiatoren bereits geantwortet. Demnach teile er die Auffassung, dass aufgrund der Erderhitzung riesige Probleme auf die Menschheit zukommen. Die Stadt werde daher alles unternehmen, um ihren ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu gestalten. Angesichts der in dem Schreiben ausgesprochenen Drohung habe sich Ebersberger der Forderung nach einem "Gesellschaftsrat" aber nicht angeschlossen. Auch Ebersberger, selbst Jurist, sagt, der Sachverhalt sei als Nötigung oder gar Erpressung einzustufen.
In Hannover, Marburg und Tübingen hingegen hatten sich die Oberbürgermeister zuletzt mit der "Letzten Generation" solidarisiert und einen Stopp der Klebe-Proteste vereinbart. In einem Brief an die Bundesregierung rief der Marburger Oberbürgermeister zum Beispiel dazu auf, die Forderungen der "Letzten Generation" wohlwollend zu prüfen. Eine Sprecherin der Umweltbewegung erklärt auf Nachfrage von BR24, einige Rathaus-Chefs würden mittlerweile das Anliegen als wichtiger einstufen als die Form. Die teils heftige ablehnende Haltung gegenüber der Gruppierung sei darauf zurückzuführen, dass die Forderungen der Aktivisten immer konkreter würden und nicht mehr mit Lippenbekenntnissen zu beantworten seien.
Klima-Aktivisten verbinden Bamberger Reiter die Augen
Erst vor einer Woche hatten Mitglieder der "Letzten Generation" dem Bamberger Reiter im Dom die Augen verbunden. Bei der Aktion waren die Klima-Aktivisten über eine Leiter an das weltbekannte Wahrzeichen geklettert und hatten das Pferd des Reiters symbolisch angeschoben. Es stelle sich weniger die Frage, welchen Herrscher die Skulptur darstelle, als vielmehr, wann der Regent sich in Sachen Klimaschutz bewege, so die Aktivisten, die damit auf das "ewige Rätsel" anspielten, welche historische Figur sich hinter dem Reiter verbirgt.
Mitglieder der "Letzten Generation" haben dem Bamberger Reiter im Dom die Augen verbunden.
Aus dem Erzbistum Bamberg hieß es daraufhin, man habe grundsätzlich Verständnis, wenn mit spektakulären Aktionen Aufmerksamkeit für diese drängenden Fragen der Menschheit erzeugt werden soll. Die Aktion habe allerdings ein Kunstwerk von Weltrang gefährdet. Die Kosten zur Untersuchung, ob das Überstülpen der Augenbinde die hochempfindliche Farblackierung an der Krone des Reiters beschädigt hat, wolle man den Aktivisten in Rechnung stellen. Über das weitere Vorgehen will das Domkapitel in der nächsten Woche beraten. Von den Aktivisten heißt es, das Überstülpen der Augenbinde habe ein Archäologe mit Kenntnissen im Denkmalschutz vorgenommen. Die neben der Skulptur angelehnte Leiter sei zudem abgepolstert worden.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!