Die Grünen drohen mit einer Verfassungsbeschwerde, weil sie befürchten, die Polizei bekäme Geheimdienstkompetenzen. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann beklagt eine angebliche Desinformationskampagne. Für ihn dient das Gesetz der effizienteren Terrorabwehr und reagiert auf die technische Entwicklung. In der Diskussion um die geplante Ausweitung der Befugnisse bayerische Polizisten sind die Fronten verhärtet. Es geht unter anderem um diese Punkte:
Ermittlungen bei "drohender Gefahr"
Die bayerische Polizei dürfte schon bei einer "drohenden Gefahr" aktiv werden, also wenn sie erwartet, jemand könnte in Zukunft eine Straftat begehen, ohne dass dafür konkrete Pläne vorliegen. Der Begriff wurde vom Bundesverfassungsgericht geprägt. 2016 hatten Verfassungsrichter entschieden, dass das Bundeskriminalamt im Zuge der Terrorabwehr verdächtige Personen schon bei einer "drohenden Gefahr" überwachen darf. Der bayerische Gesetzentwurf wendet den Begriff auf weitere Polizeimaßnahmen an. Dabei geht es nicht nur um Terrorabwehr.
Die Grünen im Bayerischen Landtag beanstanden, dass der Begriff der "drohenden Gefahr" nicht ausreichend definiert sei. Kritik kommt auch vom Landesdatenschutzbeauftragten Bayerns Thomas Petri.
"Die Vorverlagerung der polizeilichen Aufgaben in das Gefahrenvorfeld. Das ist nicht verfassungsrechtlich geboten." Thomas Petri, Landesdatenschutzbeauftragter Bayerns
DNA-Analysen und Täterprofile
DNA-Spuren zum Beispiel von Tatorten werden in Deutschland nur auf das Geschlecht der dazugehörigen Person untersucht. Technisch ist es inzwischen möglich, Aussagen unter anderem über Herkunft, Alter sowie die Augen-, Haar und Hautfarbe zu treffen. Wissenschaftler warnen aber vor Ungenauigkeiten, etwa wenn die Eltern einer Person aus unterschiedlichen Erdteilen kommen. Diese Informationen sollen Ermittler unter bestimmten Bedingungen nutzen dürfen.
Videoaufnahmen und Gesichtserkennung
"Intelligente Videotechnik" soll für Muster und Personenerkennung genutzt werden. Das heißt herrenlose Gepäckstücke am Bahnsteig könnten genauso erkannt werden wie "verdächtiges Verhalten von Personen".
Ein Echtzeitbildabgleich soll die Identifizierung gefilmter Personen ermöglichen. Die technischen Möglichkeiten sind hier allerdings noch ausbaufähig. Tests ergaben Trefferquoten von weit unter 50 Prozent bei schlechten Lichtverhältnissen. Der bayerische Landesdatenschutzbeauftragte Thomas Petri beanstandet, dass mit der Polizei verabredete Feldversuche zur Sinnhaftigkeit des Bildabgleichs nicht abgewartet wurden.
Beamte könnten außerdem Einsätze mit Bodycams filmen, also mit an der Uniform befestigten Kameras. Das betrifft auch Einsätze in Privaträumen Dritter.
Verbrecherjagd per Drohne
"Unbemannte Luftfahrtsystemen", wie es im Gesetzestext heißt, also Drohnen können unter bestimmten Bedingungen Videos von Verdächtigen drehen, deren Handydaten speichern oder auch Telefon- und Internetverbindungen kappen.
Postgeheimnis für Pakete und im Internet wackelt
Die Polizei soll anders als bisher Postlieferungen sicherstellen können - unter anderem bei "drohender Gefahr" und nach Anordnung eines Richters. Die Postdienstleister müssen dabei helfen. Nur das Gericht darf die Post öffnen, außer es erlaubt der Polizei, das selbst zu tun. Innenminister Herrmann verweist zur Rechtfertigung der Maßnahme auf über das Darknet bestellte Sendungen mit illegalen Inhalten.
Bisher regelt das Polizeiaufgabengesetz, in welchen Fällen "Sachen" sichergestellt werden dürfen. Im neuen Entwurf geht es auch um die Sicherstellung von Daten und je nach Fall um deren Löschung.
Polizei soll Sprenggeschosse abfeuern dürfen
Bisher durfte die bayerische Polizei im Ernstfall Handgranaten und Maschinengewehre einsetzen. in Zukunft sollen es auch "Sprenggeschosse" sein, "die aus Schusswaffen verschossen werden können".
Nicht nur mehr Befugnisse, auch mehr Pflichten
Der Gesetzentwurf stärkt nicht in allen Punkten die Befugnisse der Polizei. Er setzt auch EU-Datenschutzrecht um und regelt in diesem Sinne Auskunfts- und Löschpflichten der Polizei gegenüber Betroffenen. Außerdem werden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt. So muss eine neue Stelle eingerichtet werden, die überprüft, ob zum Beispiel durch die Aufzeichnung von Telefongesprächen der "Kernbereich privater Lebensführung" betroffen ist.
Landtag debattiert über neues Polizeigesetz
Am heutigen Dienstag diskutieren die Abgeordneten des bayerischen Landtags in einer Aktuellen Stunde über das Polizeiaufgabengesetz. Änderungen an dem Entwurf sind noch möglich. In den nächsten Wochen könnte das Gesetz verabschiedet werden.