Photovoltaik auf denkmalgeschützten Häusern
Bildrechte: Quelle: Kommunales Energiemanagement/Stadt Nürnberg

Die Bayerische Staatsregierung will den strengen Denkmalschutz lockern.

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Photovoltaik – kommt der Denkmalschutz unter die Räder?

Die Bayerische Staatsregierung will den strengen Denkmalschutz lockern, damit auf möglichst vielen alten Häusern Solarstrom erzeugt werden kann. Wegen der geplanten Gesetzesänderung sehen Architekten und Heimatpfleger die roten Dächer in Gefahr.

Das zartgrüne Haus mit seiner weißen Putzgliederung und dem gemauerten Schmuckgiebel von 1883 steht in der Altstadt von Vilsbiburg in Niederbayern. In Teilen ist es bereits über 400 Jahre alt und deshalb ein eingetragenes Denkmal. Gisela Floegel, die Besitzerin, würde auf dem flachen Blechdach gerne Solarstrom erzeugen. Aber die 30 Module lagern seit 15 Monaten in ihrem Hinterhof, sie dürfen nicht installiert werden. Der zuständige Denkmalschutzbeamte lehnte eine Zustimmung mit der Begründung ab, die Solarmodule wären zu sehen und würden die Vilsbiburger Dachlandschaft beeinträchtigen. Jetzt liegt Floegels Antrag beim Landratsamt. Sie ist enttäuscht, dass Sonnenenergie ungenutzt bleibt, und man "stattdessen überlegt die Atomkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Das finde ich einfach unsinnig".

Künftig Anspruch auf Photovoltaik bei Denkmälern

Aber die Situation wird sich in den nächsten Monaten wohl grundsätzlich ändern. Denn künftig wird ein Veto der Denkmalschützer deutlich schwieriger. Hausbesitzer sollen bei Denkmälern einen Anspruch auf Photovoltaik bekommen. Entsprechende Lockerungen im Denkmalschutzgesetz hat das Bayerische Kabinett jüngst verabschiedet. Denn für den zuständigen Kunstminister Markus Blume (CSU) kommt dem Denkmalbereich eine Vorreiterrolle für die nachhaltige energetische Sanierung von Bestandsbauten zu: "Mit dem Gesetzesentwurf bringen wir Klimaschutz und Denkmalschutz zusammen. (…) Jedes Prozent, das wir an Energie sparen oder zusätzlich erzeugen können, ist wertvoll."

Landesamt für Denkmalschutz findet Lockerung gut

Derselben Ansicht ist auch der Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, Generalkonservator Mathias Pfeil, der dem Kunstministerium untersteht. Der Architekt durchlief verschiedene Positionen in der Staatsbauverwaltung unter anderem auch in der Staatskanzlei. Für Pfeil spiegelt die Änderung des Denkmalschutzgesetzes "den sich wandelnden Zeitgeist wider". Zu BR24 sagte er, Denkmäler seien "Meister des Überlebens" und schon immer Veränderungsprozessen ausgesetzt gewesen. Auch die Anpassung an die erneuerbaren Energien und eine Ausstattung mit angepassten Photovoltaik(PV)-Anlagen würden "ein Denkmal nicht umbringen, das kriegen wir sicher ganz gut hin". Als Chef des Landesamtes für Denkmalpflege habe er sich nicht verbiegen müssen, so Pfeil. Er finde den Gesetzesentwurf gut, schließlich seien "ganz stark unsere Ideen eingeflossen".

Landsberger Heimatpfleger sieht bei Neubauten mehr PV-Potenzial

Der Stadtheimatpfleger von Landsberg in Oberbayern sieht, wie andere Heimatpfleger und Architekten auch, die geplante Lockerung des Denkmalschutzes jedoch sehr kritisch. So sorgt sich der Historiker Stefan Paulus grundsätzlich um die Errungenschaften von 30 Jahren Denkmalschutz, die historischen Fassaden und die ziegelroten Dachlandschaften. Paulus bezweifelt gegenüber BR24, dass man mit der grundsätzlichen Erlaubnis von Solarmodulen ausgerechnet bei den rund 108.000 Denkmälern in Bayern anfangen muss. Also bei unter zwei Prozent des bayerischen Gebäudebestandes. Paulus meint, auf neueren Gebäuden oder auf Gewerbehallen wäre wesentlich mehr Platz für Solarmodule, die das Stadtbild kaum beeinträchtigen.

Dächer bald mehrheitlich blau metallic statt ziegelrot?

Sorge bereitet Paulus auch, dass künftig die unteren Denkmalschutzbehörden bei Städten und Kommunen über die Solardachanträge der Hausbesitzer entscheiden. Paulus sieht einen "enormen Druck, der dann natürlich entsteht". Er erwartet deshalb "eine Art Lawine auf den Denkmalschutz zukommen". Solarpaneele abzulehnen werde sehr schwierig für die Verwaltungen. Für seine Stadt Landsberg fürchtet Stadtheimatpfleger Paulus in Zukunft "ein Dächer-Meer in blau metallic" statt in ziegelrot.

Pfeil: Denkmalschützer bleiben an Entscheidungen beteiligt

Das Ende der ziegelroten Dachlandschaften in den Altstädten sieht Generalkonservator Pfeil dagegen nicht, die Probleme seien beherrschbar. Für mehr erneuerbare Energie müsse man eben auch mal "saure Äpfel akzeptieren". Und, beruhigt Pfeil, die unteren Denkmalschutzbehörden hätten nicht das erste und das letzte Wort. Zunächst trage das Landesamt für Denkmalschutz die Denkmäler ein, das dann auch bei jeder baulichen Veränderung beteiligt werden müsse. Allerdings: Der grundsätzliche Anspruch im Gesetz auf Photovoltaik sei "natürlich eine Verbesserung" für die Hausbesitzer.

Grüne und Generalkonservator: Mehr Geld für rote PV-Anlagen

Für Sabine Weigand, Denkmalschutzsprecherin der Landtagsgrünen, geht die geplante Novelle des Denkmalschutzgesetzes in die richtige Richtung. Allerdings fordert sie mehr Geld für die staatlichen Denkmal-Förderprogramme, damit sich die Hausbesitzer den Mehraufwand, etwa für denkmalgerechte Solarmodule, auch leisten können. Schließlich gebe es mittlerweile "wunderschöne, denkmalgerechte rote PV-Module", so Weigand. Aber diese seien eben teurer als das normale schwarze Solar-Panel. Auch Generalkonservator Pfeil sagt: "Natürlich" brauche er mehr Geld im Fördertopf. Er gehe deshalb davon aus, "dass er verstärkt wird."

Lockerungsgesetz gilt frühestens 2023

Das gelockerte Denkmalschutzgesetz berät der Landtag aber wohl frühestens im Oktober. Mit Glück kann Gisela Floegel auf ihrem denkmalgeschützten Dach in Vilsbiburg also frühestens nächsten Sommer Solarstrom erzeugen. Floegel ist zuversichtlich, dass die Erlaubnis irgendwann kommt, aber das Sonnenjahr 2022 ist dann wieder ungenutzt vergangen.

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