Nach den vielen Corona-Verstorbenen im vergangenem Jahr sind sie ein Lichtblick für alle Bewohner und Bewohnerinnen, genauso wie für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter: Ellen, Agathe, Trudi und Sissi. Die vier Hühner im Seniorenheim Harburg sind mit Abstand die jüngsten Bewohnerinnen im Ellen-Märker-Haus. Sie leben in einem Auslauf im Garten des Pflegeheims.
Hühnerauslauf ist Treffpunkt für alle
An diesem sonnigen Vormittag stehen die Tiere mal wieder im Mittelpunkt: Emmy Weber geht, geführt von einer Helferin, herum und verteilt Löwenzahnblätter. 20 bis 25 Hühner habe sie früher selbst gehalten. Die betagte Dame war es auch, die die Mitarbeiterinnen auf die Idee mit den Tieren brachte – weil sie abends das Pflegepersonal immer wieder fragte, ob denn auch alle Hühner zurück im Stall seien – als es in dem Harbuger Heim noch gar keine gab.
Hühner sind wie eine Art Therapie
Mit einem Lächeln erinnert sich Pflegedienstleiter Michael Kupke daran, wie aus der Hühnerliebe von Bewohnerin Emmy Weber der Plan für den Auslauf mit den Tieren wurde. Jetzt will er auf die Hühner gar nicht mehr verzichten. "Wenn jemand erregt ist oder weglaufen will, dann wirken die Hühner beruhigend. Das ist eine ganz gute Therapie", sagt Kupke. Und viele Bewohnerinnen und Bewohner verbinden Erinnerungen mit den Hühnern, weil sie früher selbst welche hatten. Wilhelm Lang erzählt, wie er von seinem Fenster im ersten Stock jeden Morgen als Erstes hinausschaue, um zu sehen, ob denn die Hühner schon munter seien. Der Senior mit Strohhut auf dem Kopf war früher Landwirt und hatte selbst Kühe, Schweine und natürlich auch einige Hühner.
Corona brach im Heim gleich zu Beginn aus
Die Hühner bieten Abwechslung nach schwierigen Monaten für Bewohner und Mitarbeiter gleichermaßen. Das Ellen-Märker-Haus in Harburg war eines der ersten Seniorenheime in Bayern, in dem das Corona-Virus Ende März 2020 grassierte. Innerhalb kurzer Zeit starben 14 der 48 Bewohnerinnen und Bewohner, also fast jeder Dritte.
Infektionen ließ Pflegedienstleiter an sich selbst zweifeln
Nach den Corona-Wochen sei dann bis Jahresende kein einziger Bewohner mehr gestorben, sagt Pflegedienstleiter Michael Kupke. Deshalb habe es auf das gesamte Jahr gerechnet nicht mehr Todesfälle gegeben als unter normalen Umständen auch. Der Tod so vieler Bewohner in so kurzer Zeit sei jedoch ein Schock gewesen. Er habe sehr an sich gezweifelt, sagte Kupke dem BR. Währenddessen habe man nur funktioniert, danach aber darüber nachgedacht, ob man alles richtig gemacht habe. Letztlich habe die Pandemie aber auch dazu geführt, dass sein Personal noch besser zusammenhalte.
So gut wie alle Bewohner geimpft
Nur einen Monat nach Ende des Corona-Ausbruchs sei das Pflegeheim, das von der Diakonie betrieben wird, wieder voll belegt gewesen. Mittlerweile sind so gut wie alle Bewohnerinnen und Bewohner des Heims geimpft und seit zwei Wochen ist Besuch auch wieder ohne vorherige Anmeldung möglich.
"Schöner als vor dem Fernseher"
Dazu kommen Ellen, Trudi, Agathe und Sissi. Die Hühner sind Gesprächsthema unter den Bewohnern. "Das ist schöner, als vor dem Fernseher zu sitzen", meint Elfriede Deg. Es ist das etwas andere Public Viewing: Fünf Seniorinnen und Senioren stehen und sitzen jetzt vor dem Auslauf und schauen den Hühnern beim Scharren und Picken zu.
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