Zwei Jahre statt einem Jahr: Eine Zahl entscheidet über Aufenthalt oder Ausreise. So steht es im Paragraf 2 des Aufenthaltsgesetzes. Seit einigen Monaten bereitet er Annette Noffz und ihrem Team am Würzburger Bürgerspital Kopfzerbrechen.
Denn geht es nach dem Gesetz, müssen fünf ausländische Pflege-Azubis im Herbst möglicherweise das Land verlassen: ihre Ausbildung zu Pflegefachhelferinnen dauert nur ein Jahr – und wird damit nicht als "qualifizierte Berufsausbildung" anerkannt.
Pflege-Azubis wollen in Deutschland arbeiten
Die angehenden Pflegehelferinnen begannen im Herbst 2021 in Würzburg zu arbeiten. Über eine Schule in Vietnam kamen die Verantwortlichen des Bürgerspitals mit ihnen in Kontakt. Sie lernten in Vietnam bereits Deutsch. Beim Bürgerspital absolvierten sie ein Freiwilliges Soziales Jahr. Die Stiftung stellte ihnen möblierte Wohnungen, ermöglichte zusätzliche Sprachkurse.
Anschließend sollten sie mit einer Ausbildung zu Pflegefachkräften beginnen. Diese dauert drei Jahre lang. Doch es stellte sich heraus, dass die Deutschkenntnisse dafür noch nicht ausreichen. "Weil das eine anstrengende, herausfordernde Ausbildung ist und gute Sprachkenntnisse verlangt", sagt Noffz, Stiftungsdirektorin des Bürgerspitals.
Frauen aus Vietnam werden Pflegefachhelferinnen
Stattdessen begannen die Frauen im Herbst 2022 Ausbildungen zu Pflegefachhelferinnen. Die Ausbildung ist bereits nach einem Jahr abgeschlossen. Sie gilt als einfacher als die Ausbildung zur Pflegefachkraft.
Für das Bürgerspital sind auch Pflegefachhelfer wichtig. Denn anders als ungelernte Kräfte dürfen sie zum Beispiel Medikamente oder Injektionen verabreichen. Ausgebildetes Personal kann das Bürgerspital dringend gebrauchen. Schon jetzt kann die Stiftung 40 von 300 Pflegebetten nicht belegen. Es fehlen schlicht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Bürgerspital würde die Frauen gerne weiterbeschäftigen.
Gesetz verlangt zweijährige Berufsausbildung
Doch die verkürzte Ausbildungszeit wird den angehenden Pflegerinnen und dem Bürgerspital nun zum Verhängnis. Denn laut Aufenthaltsgesetz dürfen die Frauen nur bleiben, sofern sie eine "qualifizierte Berufsausbildung" absolviert haben. Diese muss mindestens zwei Jahre gedauert haben. Die einjährige Ausbildung zu Pflegehelfern reicht also nicht aus – sofern sie nicht sofort im Anschluss eine Ausbildung zur Pflegefachkraft beginnen.

Eine Pflegerin kümmert sich um eine Frau im Würzburger Bürgerspital.
"Es gibt Tage da liegen die Nerven blank", sagt Noffz, "wir haben mehrere Mitarbeiter, die sich alleine um dieses Thema in großen Teilen ihrer Arbeitszeit kümmern." Eine von ihnen ist Kristina Schmidt, bei den Senioreneinrichtungen des Bürgerspitals zuständig für die Ausbildungen: "Das führt natürlich zu Ängsten bei unseren Auszubildenden, die nicht wissen, wo ab September ihr Lebensmittelpunkt ist."
Nach geltender Rechtslage ließe sich lediglich mit Ausnahmegenehmigungen verhindern, dass die jungen Frauen nach ihrer Ausbildung ausreisen müssen. Doch der Verwaltungsaufwand wäre groß. Das Bürgerspital will sich nicht darauf verlassen. Seit vergangenem Herbst hat sich Noffz deshalb an verschiedene Ministerien und Politiker gewandt.
Ministerien wollen Aufenthalt von Pflegehilfskräften ermöglichen
Tatsächlich ist das Problem in der Bundes- und Landespolitik angekommen – und es soll offensichtlich gelöst werden. Bundesinnenministerium und Bundesarbeitsministerium arbeiten derzeit an einer "Verordnung zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung". Inzwischen gibt es einen Referentenentwurf. Dieser sieht unter anderem vor, dass "Drittstaatsangehörige, die in Deutschland eine Ausbildung als Pflegehilfskraft abgeschlossen haben (…), eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten". So teilt es das Bundesinnenministerium auf Anfrage von BR24 mit. Das Gleiche soll für Personen gelten, die im Ausland eine solche Ausbildung absolviert haben – vorausgesetzt, sie wird in Deutschland als gleichwertig anerkannt.
Auch das Bayerische Innenministerium verweist auf diesen Referentenentwurf: "Derartigen bedarfsgerechten und branchenspezifischen Nachjustierungen im Bundesrecht stehen wir grundsätzlich offen gegenüber." Außerdem teilt das Ministerium mit: In Erwartung der erwarteten Neuregelungen soll es in Fällen wie denen des Bürgerspitals "keinesfalls Aufenthaltsbeendigungen geben".
Verordnungsentwurf im März im Bundeskabinett
Noffz und ihrem Team würde das zumindest ein paar ihrer Sorgen nehmen – vorausgesetzt, an dem Entwurf werden keine Änderungen mehr vorgenommen. "Dieses Thema alleine wird den Notstand im Pflegepersonal natürlich nicht beheben. Aber es wäre ein Baustein um die Situation zu verbessern", sagt sie.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums soll der Verordnungsentwurf noch im März dem Bundeskabinett vorgelegt werden.
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