Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) wird in diesen Tagen nicht müde zu betonen, dass er die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern will. Ideen hat er zuletzt viele ins Spiel gebracht. Und die Regierungsfraktionen im Bayerischen Landtag haben erst am Freitag ein Antragspaket zur Verbesserung der Pflege vorgestellt. Nun hat das Kabinett heute eine der Ideen finanziell unterfüttert. Bayern will so genannte "Springerpools" einrichten: zunächst in Form von 30 Modellprojekten, davon 20 in der stationären und zehn in der ambulanten Pflege. Mit 7,5 Millionen Euro vom Freistaat sollen dadurch entstehende Mehrkosten abgedeckt werden.
Springerpools: Kampfansage an die Leiharbeit in der Pflege
Holetschek will mit dieser Maßnahme mittelfristig die Zahl der Leiharbeiter in der Pflege reduzieren. Der Hintergrund: Immer mehr Pflegende arbeiten für Zeitarbeitsfirmen. Diese zahlen den Beschäftigten in der Pflege in der Regel mehr, als direkt beim Träger angestellte Pflegekräfte verdienen. Auch feste Arbeitszeiten werden den Zeitarbeitern garantiert.
Das führe zu erheblichen "Verwerfungen" in den Kliniken und Heimen. Die regulären Pflegekräfte, die "für ihren Beruf brennen, brennen aus", skizziert Holetschek die Situation. Mit Hilfe "innovativer Konzepte", hofft er, für alle Pflegenden planbare Arbeitszeiten und damit eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erzielen. So könne der Pflegeberuf wieder attraktiv werden. "Einspringen statt Abspringen" sei jetzt das Motto, so Holetschek.
SPD: Vorschlag ist ein "Notnagel"
Viel zu wenig für das Megathema Pflege kritisiert SPD-Gesundheitsexpertin Ruth Waldmann die Springerpools. Denn 7,5 Millionen Euro für 30 Einrichtungen seien mit Blick auf die gesamte Krankenhaus- und Pflegelandschaft "ein sehr kleiner Beitrag".
SPD-Gesundheitspolitikerin Waldmann glaubt auch ganz grundsätzlich nicht, dass die Springerpools die Attraktivität des Pflegeberufs entscheidend steigern können. Pflegekräfte würden häufig die Station oder Einrichtung wechseln und könnten weniger im Team arbeiten. Und auch für die Patienten sei es "schwierig", sich dann immer wieder auf neue Pflegekräfte einstellen zu müssen, so Waldmann.
Zwar seien Springerpools besser als die Ausweitung der Leiharbeit in der Pflege, stimmt Waldmann dem Minister zu, eigentlich aber seien sie "nur ein Notnagel". Die SPD-Landtagsabgeordnete wittert eine "Modellprojekt-Pseudolösung".
Langfristige Finanzierung von Springerpools völlig offen
Holetschek allerdings spricht nach der Kabinettssitzung davon, die Modellprojekte zeitnah ausrollen zu wollen "auf ganz Bayern - idealerweise auf ganz Deutschland", so der Minister. Finanziell ist das aber längst nicht geregelt - der Staat würde das wohl nicht in dem Umfang bezahlen, wie im Rahmen der Modellprojekte, lässt Holetschek anklingen. Er verweist auf notwendige Verhandlungen mit den Pflege- und Krankenkassen.
Der Präsident der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, Georg Sigl-Lehner, betont in einer ersten Stellungnahme, es sei "entscheidend, dass die Refinanzierung am Ende dauerhaft über die zuständigen Kostenträger gesichert ist und nicht zulasten der Pflegebedürftigen geht". Sprich: die Pflege- und Krankenkassen müssten die Finanzierung übernehmen.
Insgesamt befürwortet der Verband aber den Vorstoß des Gesundheitsministers: "Wir halten grundsätzlich Springerpools für eine gute Lösung, um mehr Dienstplansicherheit in den Einrichtungen zu gewährleisten, das Einspringen aus dem Frei zu vermeiden und so das Stammpersonal zu entlasten."
Bald finanzielle Sonderanreize für Pflegende aus Nicht-EU-Ländern?
Doch auch Holetschek ist bewusst, dass der Pflegenotstand alleine mit Springerpools, die ja auch erst mit Pflegekräften gefüllt werden müssen, nicht behoben werden kann. Nach der Kabinettssitzung deutet er mehr Anstrengungen Bayerns an, Pflegekräfte aus dem Ausland anzuwerben. So könne er sich vorstellen, für Pflegende aus dem Nicht-EU-Ausland, die in Bayern arbeiten wollen, einen finanziellen Anreiz zu setzen, "um ihnen das Eingewöhnen zu erleichtern".
Auch sollen Pflegekräfte generell schneller anerkannt werden. Holetschek spricht von einer "One stop Agentur – alles aus einer Hand", die beim Landesamt für Pflege Mitte des Jahres angesiedelt werden soll.
Teile der Opposition hatten zuletzt immer wieder kritisiert, dass gerade der Freistaat zu zögerlich sei, bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
"Gute Pflegeinfrastruktur" statt Pflegeplatzgarantie?
Derzeit leben laut Gesundheitsministerium rund 580.000 Pflegebedürftige in Bayern. Bis zum Jahr 2050 rechnen die Behörden mit bis zu einer Million Menschen im Freistaat, die pflegebedürftig sein werden. Eigentlich hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ab 2023 eine Pflegeplatzgarantie abgegeben.
Auf den Begriff "Garantie" wollte sich der Gesundheitsminister heute nicht festlegen lassen, auch wenn er betont, man wolle von dem Ziel "nicht abrücken". Die Bedürfnisse hätten sich bei den Pflegebedürftigen verändert, die meisten Menschen wünschten sich zu Hause versorgt zu werden. Es gehe deshalb darum, für eine "gute Pflegeinfrastruktur" zu sorgen, erklärt Holetschek.
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