Sie waren gerade wandern? In einer Outdoor-Jacke vielleicht? Und vorher gabs vom Bäcker noch einen Kaffee "to go"? In dem Fall haben Sie wahrscheinlich jede Menge "per- und polyfluorierte Alkylverbindungen" - kurz PFAS - mit sich herumgetragen. Denn diese PFAS sind in der Industrie äußerst beliebt. Weil sie fett-, wasser- oder schmutzabweisend sind, werden PFAS zum Beispiel zur Beschichtung von Kaffeebechern verwendet oder für Outdoor-Jacken. Aber bis in die jüngere Vergangenheit auch noch für Löschschaum auf Militärflughäfen.
PFAS kann menschlichen Körper schädigen
Das ist praktisch für die Industrie, aber schlecht für die Umwelt. Denn PFAS oder auch PFOA sind so robust, dass sie nahezu unzerstörbar sind und somit nicht abgebaut werden. Also reichern sie sich an: in der Umwelt und im menschlichen Körper. Sie können sogar über die Muttermilch von der Mutter auf das Kind übergehen. Einmal im Körper angelangt, können PFAS zu Gesundheitsproblemen wie Leberschäden, Schilddrüsenerkrankungen, Fettleibigkeit, Fruchtbarkeitsstörungen und Krebs führen.
Soweit die Theorie. Doch wie ist die Lage vor Ort? Das Bayerische Landesamt für Gesundheit hat nun die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht. Auf der einen Seite: Gemeinden mit einem PFAS-Eintrag in die Umwelt (Manching, Ansbach und Königsbrunn) durch Löschschaum von Militärflughäfen. Auf der anderen Seite Gemeinden, die keinen vergleichbaren Eintrag hatten (Schwabach, Wolnzach und Neusäß).
Königsbrunn ist eine belastete Gemeinde
Aus beiden Gruppen wurden Hunderte Menschen ausgewählt, deren Blut dann auf PFAS-Rückstände untersucht wurde. So wollte das Landesamt herausfinden, ob sich der PFAS-Eintrag in die Umwelt auf die Belastung der Bevölkerung niederschlägt. Um sich auch ein Bild von der Situation bei Lebensmitteln zu machen, untersuchte das LGL darüber hinaus Zufallsstichproben regional erzeugter Lebensmittel wie z. B. Hühnereier, Kartoffeln, Blattgemüse, Fleisch oder Milch. Zusätzlich wurden gezielt entnommene Proben von weiteren Lebensmitteln wie Fisch bewertet, bei deren Herkunftsort ein PFAS-Eintrag in die Umwelt bekannt war.
In Königsbrunn, einer der belasteten Gemeinden, waren in der Vergangenheit erhöhte Werte im Wasser nachgewiesen worden. Etwa in den Seen bei Oberottmarshausen und in Weihern beim Fohlenhof in den Naturausgleichsflächen. Die Stadt empfahl den Bewohnern daraufhin, auf den Fischverzehr zu verzichten, bis weitere Untersuchungsergebnisse vorliegen.
Das ergaben die rund 1.000 Blutproben
Das Landesamt hat die Studie nun ausgewertet. Das Ergebnis: Eine flächendeckende Aufnahme von PFAS über Trinkwasser oder Lebensmittel kann für die Bevölkerung in allen untersuchten Regionen ausgeschlossen werden - also auch den belasteten Gegenden wie Königsbrunn. So schreibt es das Landesamt. Bei den rund 1.000 Blutproben aus den sechs Regionen lägen die PFAS- und PFOA-Werte bis auf drei Proben unter dem Wert, ab der nach heutigem Kenntnisstand eine relevante gesundheitliche Beeinträchtigung möglich ist.
Auch die Trinkwasseruntersuchungen hätten gezeigt, dass Gehalte von PFAS im Trinkwasser in allen untersuchten Regionen entweder nicht nachweisbar waren oder deutlich unter den geltenden Leitwerten lagen.
EU-Regeln gegen das Problem
Die Ergebnisse des Monitorings stützen insgesamt Beobachtungen aus anderen Regionen, so das Landesamt. Auch sie zeigten, dass PFAS-Einträge in die Umwelt (Grundwasser, Pflanzen, Tiere) für die Allgemeinbevölkerung nicht relevant seien, wenn PFAS im Trinkwasser entweder gar nicht nachweisbar sind oder die geltenden Leitwerte weit unterschritten werden - so wie es in den sechs Untersuchungsregionen des Monitorings der Fall sei.
Und noch etwas stimmt positiv: Seit 2020 darf das besonders kritische PFOA nicht mehr in der EU hergestellt werden. Für Verbraucherprodukte gelten strenge Grenzwerte für PFOA und Vorläuferverbindungen. Und die Regulierung zeigt Erfolge: In der Umweltprobenbank des Umweltbundesamts lässt sich nachvollziehen, dass die Belastung der Menschen mit PFOA und PFAS im Zeitverlauf abnimmt.
Viele Kinder und Jugendliche belastet
Ob die Gefahr damit bereits gänzlich gebannt ist, bleibt jedoch abzuwarten. So hatte das Umweltbundesamt vor zwei Jahren in einer repräsentativen Studie nachgewiesen, dass in Deutschland Kinder und Jugendliche zwischen 3 und 17 Jahren zu viele dieser langlebigen Chemikalien im Blut haben. In einem Fünftel der untersuchten Proben lag die Konzentration über einem Grenzwert.
"Welche Schäden die langlebigen PFAS in der Umwelt auf Dauer anrichten können, ist häufig noch unerforscht. Wir versuchen daher, gemeinsam mit anderen europäischen Ländern, diese Stoffe in der EU so weit wie möglich zu verbieten. Dies ist aus Vorsorgegründen der richtige Schritt", so Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes.
Belastung im Landkreis Altötting deutlich über Grenzwert
Unabhängig von dieser Untersuchung läuft derzeit im Kreis Altötting eine großangelegte Studie zur Belastung mit PFOA. Dort ist bekannt, dass ein Großteil der Bevölkerung stark belastet ist. Tests im Jahr 2018 ergaben einen Schnitt von 24 Mikrogramm PFOA pro Liter Blutplasma. Damals galt dieser Wert noch als mehr oder weniger unbedenklich.
Tatsächlich gibt es erst seit zwei Jahren eine Art Grenzwert, ab dem die Konzentration mit PFOA als "möglicherweise gesundheitsgefährdend" gilt. Dieser Wert liegt jetzt bei zehn Mikrogramm pro Liter Blutplasma. Es soll nun untersucht werden, wie sich die Werte in den vergangenen Jahren, seit das Trinkwasser gefiltert wird, entwickelt haben. Ergebnisse werden Ende des Jahres erwartet.
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