Den Auftakt ins Landtagswahljahr dürfte sich die Bayern-SPD anders vorgestellt haben: Erst tritt ihr Generalsekretär Arif Tasdelen nach Vorwürfen zurück, er habe sich gegenüber SPD-Frauen unangemessen verhalten. Dann muss die älteste Partei Deutschlands mit neun Prozent in der Sonntagsfrage zur Landtagswahl im jüngsten BR24 BayernTrend auch noch einen herben Dämpfer hinnehmen. Vor einem Jahr lag sie noch bei 14 Prozent.
Neun Monate vor der Wahl ist SPD-Spitzenkandidat und -Landeschef Florian von Brunn in der Defensive. Und das, obwohl er einen offensiven Wahlkampf angekündigt hatte - mit dem ehrgeizigen Ziel, im Herbst ein Ergebnis von 15 Prozent plus x einzufahren und dann mitzuregieren.
Da überrascht es wenig, dass parteiintern durchaus die Frage aufgeworfen wird, ob der Landeschef mit dem Thema bezahlbarer Wohnraum und dem Verweis auf seinen direkten Draht ins Kanzleramt die richtigen Akzente setzt.
Die Jusos und die Causa Tasdelen
Kurz vor Weihnachten hatte die "Süddeutsche Zeitung" über einen Vorstandsbeschluss der bayerischen Jusos berichtet: Dass die SPD-Nachwuchsorganisation den Generalsekretär und damit obersten Wahlkampfleiter nicht mehr bei ihren Veranstaltungen dabei haben will. Vorgeworfen wurde Tasdelen unter anderem, er habe auf unangemessene Art bei einer jungen SPD-Frau die Telefonnummer erfragt. Die weiteren Vorwürfe sind in der Öffentlichkeit nicht genau bekannt. Strafrechtlich relevant sollen sie nicht sein. Tasdelen selbst betonte, er habe sich überhaupt nichts vorzuwerfen.
Eine Kommission im SPD-Landesvorstand untersucht gerade die Umstände. Noch vor ihrem Abschlussbericht trat der SPD-Generalsekretär am Dienstag zurück: Die Gerüchte und öffentlichen Vorverurteilungen seien für ihn und seine Familie zu belastend geworden, teilte er schriftlich mit.
Kritik an von Brunn: "Unglückliche Kommunikation"
Den Umstand, dass SPD-Landeschef von Brunn seit dem Frühherbst von dem Juso-Beschluss wusste und es ihm nicht gelungen ist, die Angelegenheit geräuschlos zu entschärfen, kritisieren SPD-Mitglieder im Gespräch mit BR24. Sein Vorgänger als Fraktionschef, Horst Arnold, beispielsweise bedauert die "äußerst unglücklichen Kommunikationswege und Lösungsansätze".
Und der Hofer Landtagsabgeordnete Klaus Adelt zeigt sich verwundert, dass er von der Causa Tasdelen erst aus der Presse erfahren hat. Und das, obwohl er Mitglied des Landesvorstands ist. In der Vorstandssitzung Anfang Dezember sei nicht darüber gesprochen worden, sagt Adelt.
Landeschef verärgert über Jusos
Auch von Brunns Krisenmanagement nach Tasdelens Rücktritt wirft zumindest Fragen auf. Der Landeschef war in den vergangenen Tagen zu dem Fall sehr schmallippig, viel mehr als zwei allgemein gehaltene Sätze waren von ihm zunächst nicht zu bekommen.
Erst im BR-Interview am Donnerstagmorgen ließ er sich etwas mehr entlocken: Der Rücktritt von Tasdelen sei für ihn eine schwierige Situation, weil er mit ihm befreundet sei und eng mit ihm zusammengearbeitet habe. Die bayerische SPD nehme die Vorwürfe aber sehr ernst, sagte von Brunn und verwies auf die eingesetzte Kommission. Er stellte klar: "Wir haben ja im Moment sehr, sehr wenig belegte Fakten, dafür sehr viele Vorwürfe in der Öffentlichkeit."
Zugleich äußerte der Landesvorsitzende Unmut über die bayerischen Jusos: "Was ich schon kritisiere ist, dass Herr Tasdelen, bevor Beschlüsse gefasst worden sind, von den Jusos weder angehört worden ist, noch andere Zeuginnen und Zeugen, die bei diesen Ereignissen dabei waren." Unabhängig vom Fall Tasdelen: Auch ein öffentlicher Dissens zwischen Landeschef und Juso-Vorstand ist für den bevorstehenden Wahlkampfs nicht besonders günstig.
Personalnot: Wer folgt auf Tasdelen?
Schlagkräftig und sturmerprobt müsse ein neuer Generalsekretär oder eine neue Generalsekretärin sein - so ist es aus der Partei zu hören. Jemand der in der Lage sei, sofort loszulegen, um den Wahlkampf zu managen. Viel Zeit zum Einarbeiten habe der- oder diejenige nicht. Eine "fähige Person", die "gut vernetzt ist" müsse es sein, fordert beispielsweise Adelt. Auf Regionalproporz und andere Quotierungen könne man in diesen Zeiten keine Rücksicht nehmen, betont der langjährige Landtagsabgeordnete.
Konkrete Namen werden in Fraktion und Partei allerdings nur wenige genannt. Kaum jemand drängt sich wirklich auf. Die Gründe sind vielschichtig: Mehrere SPD-Bundestagsabgeordnete können mit Florian von Brunn nicht, andere aus der Landesgruppe sind so unbekannt, dass es schwer sein dürfte mit ihnen erfolgreich Wahlkampf zu machen.
In der Landtagsfraktion sieht es nicht besser aus. Nicht zuletzt, weil fast die Hälfte der aktuellen SPD-Landtagsabgeordneten bei der nächsten Wahl gar nicht mehr antritt. Außerdem gilt auch dort: Längst nicht jeder ist glücklich mit dem Führungs- und Politikstil des Fraktions- und Landesvorsitzenden von Brunn.
Macht von Brunn Vertraute zur Generalsekretärin?
Einzig die Landshuter Landtagsabgeordnete Ruth Müller wird immer wieder genannt. Sie habe "Power, Managementkompetenz" und sie sei "gut vernetzt", sagt eine Fraktionskollegin. Auch die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Simone Strohmayr, würde sich nach eigenen Angaben eine Generalsekretärin Ruth Müller wünschen: Die Niederbayerin sei "sehr kompetent, fleißig und politisch breit aufgestellt", betont Strohmayr. Als "gestandene Niederbayerin mit Empathie und Herz und als Fachfrau für Landwirtschaft" könne sie Brücken schlagen zwischen städtischen und ländlichen Regionen. "Das tut uns gut!"
Klar ist jedenfalls: Mit Müller würde von Brunn eine Vertraute aus dem Fraktionsvorstand zur Generalsekretärin machen. Eine, die auch im Hintergrund hart dafür gearbeitet hatte, dass der in der eigenen Partei damals nicht besonders beliebte, aber umso ehrgeizigere Münchner tatsächlich Partei- und dann auch Fraktionschef werden konnte. Müller selbst hält sich vorerst bedeckt. Auf BR24-Anfrage sagt die Landtagsabgeordnete aus Landshut nur: Es werde eine "vielleicht überraschend kreative Lösung" geben.
Schon heute Vormittag will von Brunn zusammen mit der Co-Landesvorsitzenden Ronja Endres die Nachfolgerin oder den Nachfolger Tasdelens vorstellen. Man darf gespannt sein, mit welcher Personalie und welchen Ideen die bayerische SPD-Spitze den Landesverband im Wahljahr aus der Krise führen möchte.
Landesparteitag der SPD Bayern
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