Zahlreiche Menschen stehen in einer langen Warteschlange an der Themse vor der Tower Bridge zwischen dem Start der Warteschlange im Southwark Park und der Westminster Hall um am aufgebahrten Sarg von Königin Elizabeth II. Abschied zu nehmen.
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Menschen stehen in einer Warteschlange vor der Tower Bridge bis zur Westminster Hall, um am Sarg von Königin Elizabeth II. Abschied zu nehmen.

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Parasoziale Beziehungen: Warum wir um die Queen trauern

Die ganze Welt trauert um die Queen. Hunderttausende stehen stundenlang an, um sich von ihr zu verabschieden. Meist Menschen, die sie nie persönlich kennengelernt haben. Eine Würzburger Forscherin weiß, was hinter der Trauer um Prominente steckt.

Seit Tagen trauert die Welt um die britische Queen. Elf Tage ist Elizabeth II. unterwegs bis zu ihrer letzten Ruhestätte. Menschen, die sie nie persönlich kennengelernt haben, stehen stundenlang an, um sich von ihr zu verabschieden. Wie erklärt sich dieses Phänomen? Was fasziniert uns so an Personen, die wir eigentlich gar nicht kennen, die uns aber doch gefühlt so nahe sind?

Die Würzburger Medienwissenschaftlerin Nicole Liebers weiß, was dahintersteckt, wenn Menschen mit anderen mitfühlen, die gar nicht in ihrem persönlichen Umfeld sind: das Phänomen der sogenannten "parasozialen Beziehungen".

Starke einseitige Beziehung zu einer Medienperson

Liebers hat an der Uni Würzburg ihre Doktorarbeit über diese besondere Art von Beziehungen geschrieben: "In der Wissenschaft nennen wir das 'parasoziale Beziehung' – und das ist genau das, was es heißt: nämlich nicht sozial, sondern parasozial. Das heißt, wir haben keine echte Beziehung, sondern eine einseitige Beziehung zu einer Medienperson", erklärt Forscherin Liebers. Und die könne sehr stark werden, "weil wir das nicht so ganz unterscheiden können in der Verarbeitung, ob die Person uns echt jetzt gegenübersitzt oder ob da ein Bildschirm dazwischen ist."

Gefühl, Promi besser zu kennen als den Nachbarn

Parasoziale Beziehungen entstehen Liebers zufolge nicht von heute auf morgen. Manchmal merke man es nicht einmal, so die Forscherin: "Man sieht vielleicht eine Person immer häufiger in den Medien, abonniert vielleicht deren Kanal in den sozialen Medien oder schaut regelmäßig die Fernsehschau von dieser Person. Und mit der Zeit haben wir immer mehr das Gefühl: Wir kennen die Person, wir können sie einschätzen."

Das könne so weit gehen, dass wir sogar das Gefühl hätten, "wir kennen sie besser als unseren Nachbarn oder unsere Nachbarin – was verrückt ist, weil unseren Nachbarn oder unsere Nachbarin sehen wir vielleicht alle paar Tage und die Person im Fernsehen haben wir noch nie in echt gesehen."

Würzburger Queen-Fan vermisst die Königin

Königin Elizabeth II. wurde 96 Jahre alt – viele Jahre, in denen wohl Millionen Menschen auf der ganzen Welt diese besondere Beziehung zu der Monarchin aufgebaut haben. Auch für die Würzburgerin Margit Rotter wiegt der Verlust der Königin schwer. Vor ein paar Jahren hatte sie sogar die Gelegenheit, die Queen einmal – ganz ohne Bildschirm – aus nächster Nähe für einen Augenblick zu sehen. "Es war immer ein Wunsch, dass ich sie vielleicht mal persönlich sehe."

Erinnerung: Blickkontakt mit der Königin

Im Juni 2015 ging Rotters größter Wunsch in Erfüllung: "Dann war der letzte Staatsbesuch 2015 und da dachte ich: Das ist die letzte Chance und habe dann geschaut, wo kommt sie Würzburg am nächsten? Und es war dann in Frankfurt, da habe ich mir Urlaub genommen und bin mit dem Zug nach Frankfurt gefahren. Ich habe mich drei Stunden am Römer in die Schlange gestellt, habe mich so langsam nach vorne gekämpft und irgendwann stand ich in der ersten Reihe."

Rotter ist bei Freunden und Kollegen für ihre besondere Beziehung zur Queen bekannt. Zu ihrem 60. Geburtstag organisierte ihr ehemaliger Chef den Auftritt eines Queen-Doubles und eine eigene Krone für die Würzburgerin.

Die Begegnung in Frankfurt und ihr 60. Geburtstag werden der Queen-Anhängerin für immer im Gedächtnis bleiben. Mit dem Tod der Königin hat sich Rotter noch nicht so ganz abfinden können: "Also ich würde mir schon wünschen, dass die Queen in diesen unruhigen Zeiten, wo nichts mehr ist, wie es war – wenn sie da noch bei uns wäre."

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