Ein Mann mit Kapuzenpulli lungert in einer Unterführung. Als eine junge Frau durch den Tunnel gehen möchte, spricht er sie an und droht sie zu schlagen. Zum Glück ist in diesem Fall alles nur gespielt. Der Tunnel ist nicht echt, sondern ein Raum in der Michael-Ende-Schule in Raubling im Landkreis Rosenheim. Das Opfer ist die angehende Lehrerin Katharina Eicher; der aggressive Mann ist Seminarleiter Ralph Kappelmeier. Im Rahmen des bayernweiten Präventionsprojekts "Pack ma's" zeigt der Polizist 30 angehenden Grundschullehrerinnen, wie Gewalt im öffentlichen Raum aussehen kann, und wie man sich am besten verhält.
Zivilcourage-Trainer wollen "Feuer entfachen"
Mit Rollenspielen könne man echte Emotionen erzeugen. "Den Leuten zittert die Stimme, die kriegen Schweißperlen auf die Stirn, obwohl wir im sicheren Raum sind", so Kappelmeier. Das Seminar ist Training für den Ernstfall. "Wenn wir bei den Lehrkräften ein Feuer entfachen, dann geben die das auch weiter an die Kinder und Jugendlichen." Das Ziel von "Pack ma's": möglichst viele Kinder und Jugendliche aufklären und sensibilisieren.
Hoeneß: "Jeder Bürger soll lernen: Wie verhalte ich mich richtig?"
Der erste Kurs fand 2012 im niederbayerischen Ergoldsbach statt - an der ehemaligen Schule von Dominik Brunner. Der Geschäftsmann hatte sich im September 2009 am S-Bahnhof in München-Solln schützend vor Schüler gestellt, die von Jugendlichen drangsaliert wurden. Brunner wurde selbst zum Opfer. Sein tragischer Tod war Anlass für die Gründung der Dominik-Brunner-Stiftung, die sich für Zivilcourage und ein gewaltfreies Miteinander einsetzt. Die Stiftung ist Kooperationspartner des Projekts "Pack ma's" und finanziert die Kurse gemeinsam mit dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband. Uli Hoeneß ist Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung. "Die Aktionen sollen dazu führen, dass jeder Bürger lernt: Wie verhalte ich mich richtig, dass es für die Sache den besten Ausgang nimmt", so Hoeneß auf einer Pressekonferenz an der Dominik-Brunner-Realschule in Poing.
5.000 Lehrerinnen und Lehrer haben an Kursen teilgenommen
Was in Niederbayern begann, wird mittlerweile in sechs von sieben bayerischen Bezirken angeboten. Rund 5.000 Lehrerinnen und Lehrer haben bereits bei den Seminaren mitgemacht - und ihr Wissen an Schülerinnen und Schüler weitergegeben. So wie Katharina Eicher, die eben noch die junge Frau im Tunnel war. Nach dem Rollenspiel ist sie sicher: Im echten Leben hätte sie anders gehandelt: "Ich glaub, ich hätte umgedreht. Vor allem wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich Schiss gekriegt", sagt sie. In diesem Fall wäre wegzugehen die richtige Entscheidung gewesen, sagt Seminarleiter Ralph Kappelmeier.
Menschen ansprechen, Distanz herstellen, sich nicht in Gefahr begeben
Generell gelte in solchen brenzligen Situationen: Gezielt andere Leute ansprechen, um Öffentlichkeit herzustellen; den Täter siezen, nicht beleidigen oder provozieren, um zwischenmenschlich und auch räumlich Distanz zu schaffen. "Wenn es darauf ankommt, dann wünschen wir uns natürlich gute Helfer - aber immer unter der Maßgabe, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen. Das ist das Allerwichtigste", stellt Kappelmeier klar.
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