Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kocht in einer Berufsschule, er posiert mit einer Freiwilligen Feuerwehr, nimmt in Bierzelten ein Bad in der Menge – jeweils ohne Maske, ohne Abstand. Gesundheitsminister Klaus Holetschek steht umringt von prominenten Gästen bei einem Festakt, Staatskanzleichef Florian Herrmann (beide CSU) empfängt in der Staatskanzlei Gäste – auch hier: keine Maske, kein Abstand. Seit Wochen sorgen solche Fotos in den sozialen Netzwerken für Verwunderung und zum Teil auch hämische Kommentare. Denn eigentlich empfiehlt die Staatsregierung der Bevölkerung via Corona-Verordnung noch immer, freiwillig Corona-Schutzmaßnahmen einzuhalten.
"Auf einmal geht alles ohne Maske und Panikmache", schreibt beispielsweise ein Nutzer auf Instagram an Söders Adresse. Auf Facebook kommentiert ein User ein Holetschek-Foto mit den Worten: "Und wieder fehlt die Maske bei dem Typen mit Vorbildfunktion!" Und ein anderer: "Hä? Verstehe die Welt nicht mehr, wollten Sie nicht trotzdem weiter die Maske tragen?" Auf Twitter ist von "Doppelmoral" und fehlender Glaubwürdigkeit die Rede.
Bayerns Masken- und Abstandsempfehlung
In der aktuellen bayerischen Corona-Verordnung sind gleich zu Beginn unter Paragraph 1 "allgemeine Verhaltensempfehlungen" zu finden: "Jeder wird angehalten, wo immer möglich zu anderen Personen einen Mindestabstand von 1,5 m einzuhalten und auf ausreichende Handhygiene zu achten", heißt es dort. In geschlossenen Räumlichkeiten werde empfohlen, "mindestens eine medizinische Gesichtsmaske zu tragen". Die Möglichkeit, eine generelle Maskenpflicht in Innenräumen anzuordnen, hatte die Berliner Ampelkoalition mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes des Bundes abgeschafft.
Die bayerische Corona-Verordnung gilt vorerst bis 28. Mai. Das Gesundheitsministerium hält weiter an den Verhaltensempfehlungen fest – für alle Bürger, auch für Geimpfte und Genesene: "Trotz der erfreulichen Entwicklung der Infektionszahlen und der Belegungssituation in den bayerischen Krankenhäusern in den vergangenen Wochen sollten von jedem Bürger und jeder Bürgerin weiterhin möglichst alle empfohlenen Maßnahmen des Infektionsschutzes eigenverantwortlich umgesetzt werden", teilt ein Ministeriumssprecher auf BR24-Anfrage mit. Dazu zählten die Einhaltung des Mindestabstands, Beachtung der Hygiene, das Tragen von Masken in Innenräumen sowie regelmäßiges Lüften.
"Ich trage die Maske wie vorher"
Ministerpräsident Söder und sein Gesundheitsminister Holetschek zählten über Monate zu den größten Verfechtern einer FFP2-Maskenpficht in der deutschen Politik. Söder trug bei öffentlichen Auftritten stets konsequent eine Schutzmaske, die er bei Pressekonferenzen nur dann abnahm, wenn er selbst ein paar Sätze sagte, und anschließend sofort wieder aufsetzte.
Minister Holetschek versicherte noch am 26. April in einem Selfie-Video aus dem Landtag: "Ich trage die Maske im Innenraum auch wie vorher." Er versuche "so oft wie möglich" eine Maske aufzusetzen – "als Schutz". Vier Tage später postete er mehrere Fotos vom CSU-Parteitag, die ein User folgendermaßen kommentierte: "Komischerweise ist auf den Bildern keine einzige Maske zu sehen. Bis auf bei den zwei Sicherheitsleute ganz hinten."
Auch die SPD-Gesundheitsexpertin im Landtag, Ruth Waldmann, wunderte sich über die Aufnahmen: "Kein Mensch trägt da Maske", sagte sie vor zwei Wochen dem BR. "Da kommen ja wirklich viele Leute von weither und sitzen nah beieinander." Die SPD-Politikerin wirft Söder vor, er bleibe eine klare Corona-Linie schuldig. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) attestierte dem Ministerpräsidenten Ende April, er habe aus dem "Team Vorsicht" das "Team Volksfesthopping" gemacht: Söder zeige sich auf allen Volksfesten im Bierzelt "ohne Maske, mit Maßkrug in der Hand, ohne Abstand."
Söder will "ganz nah ran"
Söder sagt offen, dass er nach zwei Corona-Jahren ganz bewusst wieder auf Tuchfühlung mit der Bevölkerung geht. "Wir profitieren sehr davon, dass wir wieder so viele Begegnungen mit den Bürgern haben", erläuterte er heute nach einer CSU-Vorstandssitzung in München. "Dies ist die Basis für Bürger- und Volksnähe. Und da ist auch die große Stärke insbesondere der Staatsregierung und auch von uns als CSU."
Anders als in den zurückliegenden Corona-Monaten seien es "wirkliche Begegnungen, also nicht nur aus der Ferne sich zuwinken, sondern ganz nah ran". Das CSU-Motto "Näher am Menschen" bedeutet laut Söder jetzt: "Ganz nah ran!"
Ministerium: "Die Pandemie ist noch nicht vorbei"
Was entgegnet das Gesundheitsministerium auf den Vorwurf, dass sich Mitglieder der Staatsregierung nicht an ihre eigene Masken- und Abstands-Empfehlung halten? Ein Ministeriumssprecher teilt auf Anfrage mit, die Staatsregierung setze in der aktuellen Phase der Pandemie auf Eigenverantwortung. Sie empfehle, sich weiter an die gängigen Corona-Schutzmaßnahmen zu halten – und in Innenräumen Maske zu tragen. "Diesem Rat folgt auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek", versichert der Sprecher. Es sei aber eine individuelle Entscheidung, die Empfehlung umzusetzen.
"Klar ist: Hygieneregeln, Mindestabstand und eben auch das Tragen der Maske können weiterhin einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten", sagt der Ministeriumssprecher. "Klar ist auch: Die Pandemie ist noch nicht vorbei." Mit Blick auf den Herbst bleibe die Impfung die beste Empfehlung, sich wirksam vor schweren Krankheitsverläufen zu schützen und die Pandemie nachhaltig einzudämmen. "Gesundheitsminister Klaus Holetschek ist selbst dreifach geimpft und genesen."
Bayern fordert: Maskenpflicht in Bussen und Bahnen beibehalten
In Bussen und Bahnen soll nach dem Willen des bayerischen Gesundheitsministeriums auch in den nächsten Monaten eine Maskenpflicht gelten. Mit Blick auf die Forderung von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach einer Lockerung betont der Ministeriumssprecher: "Gerade an Orten wie Bus und Bahn, an denen zahlreiche Menschen häufig ohne Mindestabstand zusammenkommen, spielt das Tragen der Maske eine wichtige Rolle."
Der Freistaat fordere den Bund deshalb auf, "die Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr beizubehalten – auch über den Sommer". Der Sprecher fügt hinzu: "Mit Blick auf die kalte Jahreszeit, wenn sich das Leben wieder mehr in Innenräume verlagert, kann das Tragen der Maske aber auch in anderen Bereichen wieder mehr an Bedeutung gewinnen."
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