Feuerwehrmann Nils Thal vor Kriegstrümmern.
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Feuerwehrmann Nils Thal will wieder zurück ins ukrainische Kriegsgebiet nach Charkiw, um zu helfen.

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Nürnberger Helfer in der Ukraine: Eindrücke aus dem Kriegsgebiet

Aus der ganzen Welt kommen Helfer in die Ukraine. Auch ein Feuerwehrbeamter aus Nürnberg war in Charkiw. Er tauschte den Strand in Thailand ein gegen Hilfsleistung in der Ukraine. Jetzt ist er zurück, will aber wieder ins Kriegsgebiet.

Einfach sei es nicht, als Freiwilliger ins Kriegsgebiet der Ukraine zu kommen um zu helfen, erzählt Feuerwehrmann Nils Thal im BR-Interview. Er habe über 100 Mails an Hilfsorganisationen geschickt, doch wegen des großen bürokratischen Aufwands habe das alles zu nichts geführt, beschreibt der 35-Jährige die Hindernisse. Er habe stattdessen das Angebot erhalten, einen Kurs im Sommer zu machen und danach in die Ukraine zu fahren. Das aber habe dem Feuerwehrbeamte, der noch einige Monate von seinem Sabbat-, also Urlaubsjahr übrig hat, zu lange gedauert. Deshalb habe er sich der Hilfsorganisation "Frankenkonvoi" angeschlossen, die bereits Erfahrung mit Hilfsleistungen in Kriegsgebieten wie etwa in Syrien hatte.

Vom Strand ins Kriegsgebiet

Schon lange bevor sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine zuspitzte, erzählt Nils Thal, habe er mit großer Sorge die Nachrichten verfolgt. Als es dann losging, stand sein Entschluss bereits fest. Er habe sich nicht gut gefühlt, faul am Strand liegend, während während gleichzeitig in der Ukraine der Krieg ausbrach. Also habe er versucht, dorthin zu kommen und praktisch direkt vor Ort zu helfen. Ziel war für ihn, die "Leidenskette" frühzeitig zu unterbrechen, sagt er im BR-Interview. Deshalb wollte er auch dorthin, wo es am größten ist - dort, wo die Bombardierungen stattfinden. Die Partnerstadt Nürnbergs Charkiw war sein Ziel.

Mit dem Auto im Zickzack durch die Ukraine

Seine Auto kaufte er für ein paar Tausend Euro gebraucht, als er aus Thailand zurück in Nürnberg war, um die Hilfsreise in die Ukraine vorzubereiten. Den Kofferraum lud er voll mit ausgedienter Feuerwehrausrüstung, ein paar Kisten mit Spielsachen und Nahrungsmitteln und einem Holzbrett mit Schlafsack darauf als improvisierter Schlafplatz für unterwegs. "Auto-Tetris" nennt er die Art, wie er den Wagen beladen hat. Das Tanken und die Orientierung seien die größten Herausforderungen auf dem Weg nach Charkiw gewesen, erklärt der 35-jährige Nürnberger.

"Ab der polnischen Grenze wurde es wirklich knifflig mit dem Tanken", so Thal, kilometerlange Schlangen vor den Zapfsäulen, um höchstens zehn Liter Treibstoff zu bekommen, weil dieser im ganzen Land rationiert wurde. Also habe er sich gewissermaßen von Tankstelle zu Tankstelle gerettet. Auf seinen Handyfotos sieht man übermalte Straßen- und Autobahnbeschilderungen, die es den russischen Militärs erschweren sollen, an ihre Zielorte zu gelangen. Nur mit Hilfe seiner eigenen Karten habe er nach Charkiw gefunden, eine Odyssee im Zickzack durchs Land sei das gewesen, so Thal.

Von Skepsis zu Freude

Papier, so Nils Thal, sei für die Menschen in der Ukraine geduldig. Große Angst vor russischen Saboteuren habe vorgeherrscht. Weil der Nürnberger aber weder Ukrainisch noch Russisch spricht, sei die Skepsis groß gewesen. Erst als er begonnen habe Englisch zu sprechen und erklärt habe, dass er ausgebildeter Feuerwehrmann und Ersthelfer aus der Partnerstadt Nürnberg sei, sei die Skepsis in Freude umgeschlagen, beschreibt Thal seine Ankunft in der Hauptwache in Charkiw. Er sei herzlich aufgenommen, aber nicht gleich in die erste Reihe geschickt worden, sondern als "eiserne Reserve", also wenn andere Feuerwehrleute von den stundenlangen Einsätzen zu erschöpft waren, eingesetzt worden.

Seine Fach- und Sachkenntnis habe den Kollegen vor Ort sehr geholfen, hätten ihm die Kollegen vor Ort gesagt. Denn die angelieferten Spenden von Feuerwehrgerätschaften konnten die Kollegen nicht bedienen, so Thal. Technische Schulungen seien genauso wichtig wie das Gerät selbst – der technische Stand in der Ukraine sei mit europäischen Standards nicht zu vergleichen. "Da ist noch viel Nachholbedarf", ist der verbeamtete Feuerwehrmann überzeugt.

Kriegsverbrechen dokumentieren

Vor allem nachts mussten die Feuerwehrmänner im Norden Charkiws mehrfach ausrücken: Wohnhäuser, Schulen, Lebensmittel- und Getreidelager, Traktorwerkstätten und Fabriken wurden mehrfach beschossen. Die Gefahr für ihr eigenes Leben hätten sie versucht zu minimieren, indem die Männer den ersten Beschuss abwarteten. Oftmals schossen die russischen Militärs aber zweimal nacheinander, erklärt Thal, mit einer Pause von 15 bis 30 Minuten – erst danach seien die Feuerwehrfahrzeuge ausgerückt.

Immer wichtiger sei auch die Dokumentation von Kriegsverbrechen geworden, so Thal weiter. Durch Artilleriefeuer oder weiterreichenden Marschflugkörper seien immer wieder Zivilisten ums Leben gekommen – "völlig unschuldig", erklärt der junge Feuerwehrmann sichtlich betroffen im BR-Interview. Um diese Beweise gerichtsfest zu machen, lässt sich der Nürnberger in den Berichten an die Vereinten Nationen als Zeuge auflisten. Die Bilder der Opfer sind für den erfahrenen Feuerwehrmann schwer zu ertragen, dennoch betrachtet er die Dokumentation durch ausländische Helfer als eminent wichtig. "Sonst könnte später von Propaganda die Rede sein", so Thal, "wenn ausschließlich ukrainische Zeugen den Bericht unterzeichnen".

Nürnberger Feuerwehrmann Thal will weiter helfen

Nils Thal ist seit dem Wochenende wieder zurück und im Dienst auf der Feuerwache 1 in Nürnberg. Natürlich sei die Arbeit auch hier eine tägliche Herausforderung, erzählt der Beamte, doch sein Bauch sage ihm, dass er in der Ukraine dringender gebraucht werde. Deshalb will er unbedingt wieder nach Charkiw und helfen. Ob er seinen Einsatz schnell wiederholen kann, ist noch offen. Denn dafür müsste ihn sein Arbeitgeber, die Stadt Nürnberg, freistellen.

Feuerwehrleute in Charkiw
Bildrechte: BR

Feuerwehrleute in Charkiw

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