Der Schrecken steckt dem 34-jährigen Fürstensteiner und seiner Frau – beide wollen nicht namentlich genannt werden – noch heute in den Gliedern. Die Feuerwehr brach vor einigen Tagen in ihr Haus ein, weil angeblich Gas austrat. Der Notruf war ein Fake – ausgelöst durch die Notruf-App "Nora".
Feuerwehr bricht Haustür auf
Die "Passauer Neue Presse" (PNP) hatte zuerst über den Fall berichtet. Das betroffene Pärchen war gerade in verschiedenen Zimmern in ein Videospiel vertieft, hatte Kopfhörer auf und bekam nichts mit, als 50 Feuerwehr-, Polizei- und weitere Einsatzkräfte anrückten. Auf Klopfen und Klingeln reagierten die beiden nicht; also brachen Feuerwehrler mit Atemschutz die Haustür auf, durchsuchten die Räume und trafen auf die verdutzten Bewohner. "Ich dachte nur: Was machen die in meinem Haus? Das ist doch ein Joke!", so der 34-Jährige. Erst nach einiger Zeit klärte sich auf, was wirklich passiert war. Die Schäden an der eingebrochenen Tür sind heute noch sichtbar.
Wer steckt hinter dem Notruf-Missbrauch?
Auslöser für den Einsatz war ein Notruf, eingegangen bei der Integrierten Leitstelle (ILS) in Passau. "Gasalarm!" hieß es. Eine Person sollte in Lebensgefahr sein. Abgesetzt wurde der Alarm über die Warn-App "Nora", die für Menschen mit Hör- und Sprachbeeinträchtigungen entwickelt wurde. Im Fürstensteiner Fall hat sie laut Polizei ein Unbekannter gezielt und absichtlich missbräuchlich in Gang gesetzt. Noch schlimmer: In den Tagen nach dem "Gaseinsatz" bei dem Fürstensteiner Pärchen wurden Polizei und Feuerwehr zwei weitere Male ohne Grund zum gleichen Haus gerufen. "Keine Ahnung, wer dahintersteckt", so die beiden zum BR. Die Polizei ermittelt.
Bei Missbrauch Gefängnisstrafe möglich
Das Notrufsystem arbeitet mit den Standortdaten des Handys. Trotzdem sind die Täter schwer zu fassen. Hacker können über private Netzwerke die Signale umleiten und so die Identität des Anrufers entsprechend verschleiern. Das Notsignal kann auch für Dritte abgegeben werden.
Günther Tomaschko, Sprecher im Polizeipräsidium Niederbayern, sagt: "Diese Apps, die relativ einfach zu bedienen sind, dienen dazu, Leben zu retten und Schlimmeres zu verhindern. Dass sie missbraucht werden, ist ein grober Unfug, den der Gesetzgeber mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft." Sebastian Stadler, Einsatzleiter bei der Feuerwehr in Fürstenstein, bezeichnet den Missbrauch als "absoluten Schwachsinn". Dadurch würden für längeren Zeitraum Einsatzkräfte gebunden, die vielleicht woanders dringend gebraucht würden.
Wie eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums dem BR bestätigte, ist die Nora-App zwischen Mitte Dezember und Mitte Januar 57 Mal missbräuchlich benutzt worden. Zur Erklärung: Die bundesweite Notruf-App ist unter Führung des Innenministeriums in NRW entstanden. Hier werden auch die Statistiken zum Missbrauch geführt.
"Kein überbordendes Problem"
Insgesamt aber sei Notrufmissbrauch kein überbordendes Problem, rechnet Polizeisprecher Tomaschko vor. In den letzten Jahren seien in den niederbayerischen Leitstellen etwa 120.000 Notrufe eingegangen. Die Zahl der Notrufmissbräuche bewege sich im niedrigen dreistelligen Bereich.
Das betroffene Pärchen in Fürstenstein hatte es in den letzten Wochen nicht nur mit Notruf-Fakes zu tun. Es stand auch schon ein Lieferservice mit Pizza vor der Tür, die nie bestellt wurde. Zudem hackten Unbekannte den Facebook-Account des 34-Jährigen.
💡 Hintergrund:
Mit der Nora-App, die für Android und IOS-Systeme verfügbar ist, können Bürger in Notfällen mit Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst Kontakt aufnehmen, ohne sprechen zu müssen. Die Hilfesuchenden können via Chat mit der Einsatzzentrale kommunizieren. Auch ein sogenannter "stiller Notruf" ist möglich. Entwickelt wurde die App von der Kölner Firma bevuta IT GmbH. Eine Anfrage des BR zum Thema Missbrauch der Nora-App hat der Software-Entwickler bisher nicht beantwortet.
Wer in Not ist, wählt die 110 oder die 112 oder bedient eine Notruf-App. Polizei, Feuerwehr und Einsatzkräfte sind meist schnell vor Ort.
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