Den körperlich und seelisch anstrengenden Beruf als Notfallsanitäter halten viele Mitarbeiter nicht bis zur Rente durch. Doch jetzt gibt es immerhin Entlastung, denn die Finanzierung zusätzlicher Ausbildungsplätze in Bayern ist ab 2023 gesichert. An Interessierten mangelt es nicht, rund 20 Bewerbungen erhält das Bayerische Rote Kreuz pro Ausbildungsplatz.
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Ausbildungsplätze für 750 Notfallsanitäter
Jetzt steigen die Chancen für Interessierte, denn der Durchbruch auf dem Verhandlungsweg mit den Kostenträgern sei gelungen, sagt Sebastian Lange, Abteilungsleiter für den Rettungsdient beim BRK. Die Finanzierung sei gesichert. So könnten dieses und nächstes Jahr in einem Doppelhaushalt 750 junge Menschen zu Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern ausgebildet werden. Das bedeute eine Steigerung von 50 Prozent. Auch andere Rettungsdienste wie der Malteser Rettungsdienst und die Johanniter Unfallhilfe können ihre Ausbildungskapazitäten um etwa 40 Prozent erweitern.
Von rechtlichen Grundlagen bis medizinischen Kenntnissen
Drei Jahre dauert die bezahlte Ausbildung, insgesamt kostet jeder Ausbildungsplatz gut 90.000 Euro. Neben Unterricht zu organisatorischen und rechtlichen Grundlagen der Notfallmedizin lernen die Azubis viel über Körperfunktionen und erhalten medizinische Fachkenntnisse.
Celine Plate ist angehende Notfallsanitäterin beim BRK und sehr zufrieden mit ihrer Ausbildung, ihr gefällt der Wechsel von Rettungsdienstschule und Praxisphasen. Die angehende Notfallsanitäterin hatte gleich nach ihrem Abitur 2021 mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr beim Bayerischen Roten Kreuz im Münchner Stadtteil Aubing gestartet. Die Nachwuchskräfte begleiten Notfalleinsätze und machen Station bei verschiedenen Rettungswachen in der Stadt und auf dem Land.
Tiefer Einblick in den Arbeitsalltag der Notfallmedizin
Einen Teil ihrer Ausbildung verbringen sie in der Klinik. Damit bekommen die Azubis einen tiefen Einblick in den Arbeitsalltag der Notfallmedizin, sie machen den Rettungswagen-Führerschein und erwerben grundlegende medizinische Fachkenntnisse. Das sei für sie die wichtigste Motivation, auch ohne Medizinstudium viel Verantwortung gegenüber Menschen auf der Straße zu haben, erklärt Celine Plate. Notfallsanitäter sei ein schöner und abwechslungsreicher Beruf mit viel Kontakt zu Menschen.
Lebensrettung arbeitet am Limit
Die Notfallversorgung funktioniert zwar in Bayern, doch die Notfallsanitäter leiden zunehmend unter Personalnot. Seit den Corona-Jahren schnellen die Einsatzzahlen in die Höhe, Krankentransporte werden aufgrund des Operationsstaus in der Pandemie jetzt nachgefragt, denn die Kliniken holen Behandlungen nach, die in den letzten Jahren aufgeschoben werden mussten. In einer alternden Gesellschaft nehmen schwere Notfälle wie Herzinfarkte zu, es gibt inzwischen auch wieder mehr Verkehrsunfälle.
Belastung durch nicht gerechtfertigte "Notrufe"
Auf die steigenden Einsatzzahlen der Rettungsdienste haben die Kostenträger reagiert. Die Kranken- und Sozialkassen investieren im laufenden Jahr 900 Millionen Euro in die Notfallversorgung im Freistaat. Das Problem: Immer öfter werden die Lebensretter ohne Not gerufen. Ob werdende Eltern, die sich mit dem Rettungswagen zur Entbindungsklinik fahren lassen wollen, oder Bagatellunfälle wie kleine Schnitte, die auch der Hausarzt versorgen könnte.
Der gefühlte Dauereinsatz zehre nervlich an den Notfall-Teams, und binde unnötig Kapazitäten, erklärt Alexander Hameder, Bereichsleiter der Einsatzdienste beim Landesverband der Johanniter Bayern. Eine Einsatzfahrt koste 500 Euro innerhalb der Stadt, außerorts auch deutlich mehr, die Rettungswägen seien knappe Ressourcen, die womöglich dann andernorts gebraucht würden. Mehr Aufklärung der Bevölkerung sei nötig, die 112 nur in wirklich akuten und lebensbedrohlichen Notfällen zu wählen.
Umfrage: Viele wollen nicht länger als zehn Jahre im Beruf bleiben
Beim BRK Bayern arbeiten inzwischen rund 40 Prozent Frauen im Rettungsdienst. Der Wunsch nach Elternzeit und flexibleren Schichtdiensten, um Berufsleben und Familie besser vereinbaren zu können, wachse auch bei den Männern, sagt Sebastian Lange vom BRK. Auch wenn die Schichtdienstzeiten neu organisiert werden sollen, wird es womöglich schwierig, die Azubis nach ihrem Abschluss dauerhaft zu halten.
Eine bundesweite Online-Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Rettungswissenschaften e.V. von 2020 ergab, dass in Bayern über die Hälfte der angehenden Notfallsanitäter und Notfallsanitäterinnen nicht länger als zehn Jahre in ihrem Beruf arbeiten möchte. Um den Rettungsdienst als längerfristige Jobperspektive auch für die junge Generation attraktiver zu machen, fehlten bislang etwa Spezialisierungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, folgert Rettungsdienstexperte Thomas Hofmann von der Deutschen Gesellschaft für Rettungswissenschaften (DGRe) aus dem Ergebnis der letzten "Berufstreue"-Studie. Erschreckend sei demnach, dass die Zufriedenheit der Azubis im Laufe der dreijährigen Ausbildung abnehme und ebenso die Perspektive, im Rettungswagen längerfristig Dienst zu machen.
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Forderung nach besseren Perspektiven für Notfallsanitäter
Die angehenden männlichen Notfallsanitäter beklagten zwar auch die Höhe der Bezahlung, wichtig sei aber vor allem ein Angebot, das berufliche Perspektiven der Notfallsanitäter erweitere, etwa eine teilweise Akademisierung des Berufs, um neue Aufgabenfelder für aktive Notfallsanitäter zu erschließen. Bislang wechselten Berufserfahrene oft ganz, zum Beispiel ins Gesundheitsmanagement oder in die Gesundheitslehre, und gingen für den Rettungsdienst verloren.
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