"Rote Gebiete" heißt das Reizwort für die Bauern. Rote Gebiete, das sind Regionen mit hoher Nitratbelastung im Grundwasser. Hier darf in Zukunft 20 Prozent weniger Stickstoffdünger auf die Felder. Die Staatsregierung hat eine neue Karte erarbeitet, in der diese Roten Gebiete deutlich größer werden sollen als bisher. In Zahlen: Statt bisher zwölf Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen sollen künftig 17,2 Prozent "rot" sein. Besonders stark betroffen von Nitratbelastung im Grundwasser und deshalb auch von Düngebeschränkungen sind Niederbayern, Unterfranken und Mittelfranken.
Erst Rot, dann Grün, dann wieder Rotes Gebiet
Reinhold Meyer, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) in Ansbach, spricht von einer "starken Einschränkung" für die Landwirte: "Gerade viehhaltende Betriebe haben dann im Herbst Probleme bei der Gülleausbringung."
Auch Meyers eigener Hof ist betroffen. Vor zwei Jahren erst hat die Staatsregierung seine Felder aus dem Roten Gebiet herausgenommen, jetzt kommen sie – wie ein großer Teil West-Mittelfrankens - wieder hinein, und die Dünge-Beschränkungen kommen zurück.
Wasserversorger: Regierung rechnete Nitratbelastung schön
Nur logisch finden das die bayerischen Wasserversorger. Ihr Verband kritisiert, dass die Staatsregierung und die alte, unionsgeführte Bundesregierung zu viel Rücksicht auf die Interessen der Bauern genommen hätten – und zu wenig auf die Allgemeinheit, die auf sauberes Grundwasser angewiesen ist. Bei der Reform vor zwei Jahren wurden die Roten Gebiete nicht einfach nach Messwerten ausgewiesen, sondern nach einem theoretischen Modellierungsverfahren – und dadurch klein gerechnet. Das hat die EU letztlich nicht akzeptiert. Zu Recht, so Detlef Fischer vom Verband der bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW), denn die Nitratbelastung des bayerischen Grundwassers habe sich ja nicht entscheidend verbessert: "Wenn man dann plötzlich eine Karte sieht mit viel weniger roten Gebieten, bekommt man den Eindruck, hier ist etwas schöngerechnet worden. Und das hat man jetzt wieder korrigiert."
Abgrenzung der Roten Gebiete für Bauern teils rätselhaft
Im Detail passierte das jedoch auf eine Art und Weise, die für Bauern schwer nachzuvollziehen ist. Christoph Huber etwa, Landwirt aus Neufahrn in Niederbayern, wundert sich über die hin- und herwechselnden Roten Gebiete auf seinem Grund - und verweist darauf, dass der örtliche Trinkwasserversorger gar kein Nitratproblem hat. "Meiner Meinung nach ist das Messstellennetz nicht aussagekräftig genug", kritisiert er.
Alle fordern mehr Messstellen
Nicht nur der Bauernverband, sondern auch die Wasserversorger und die EU fordern von Bayern, das Messstellennetz zu erweitern. Daran arbeitet das Landesamt für Umwelt bereits seit Jahren. Während im Jahr 2012 nur 34 Nitrat-Messpunkte für ganz Bayern ausreichen sollten, gibt es inzwischen immerhin 685 offizielle Nitrat-Messstellen. Das Ziel des bayerischen Umweltministeriums lautet 1500 Messstellen, 2024 soll es erreicht sein. Dass neue Messungen zu weiteren Korrekturen bei den Roten Gebieten führen werden, ist wahrscheinlich.
Zu viel Nitrat im Grundwasser – seit Jahrzehnten
Das grundsätzliche Bild hat sich jedoch in all den Jahren durch die zusätzlichen Messungen nicht verändert: Die Nitratbelastung im bayerischen Grundwasser ist vielerorts zu hoch – und sie kann nur zurückgehen, wenn weniger Stickstoffdünger auf die Felder kommt. Erfolge zeigen sich dabei meist erst nach vielen Jahren. Die Stadtwerke Straubing etwa hatten seit den 1990er-Jahren ein Nitrat-Problem in ihrem Trinkwasser und mussten auf die "eiserne Reserve" in tieferen Bodenschichten zurückgreifen. Seitdem düngen die Bauern in der Umgebung weniger. Doch erste Verbesserungen bei den Nitratwerten im Grundwasser wurden erst nach etwa zehn Jahren sichtbar. Und erst jetzt, nach über 20 Jahren, sind die oberen Grundwasserschichten so weit erholt, dass Wasser von dort wieder unverdünnt ins Trinkwassernetz eingespeist werden kann.
Zu viel Nitrat kann vor allem für Säuglinge eine tödliche Gefahr bedeuten, deshalb gelten strenge Grenzwerte. Grundlage ist eine EU-Richtlinie, die bereits 30 Jahre alt ist, aber in Deutschland lange nicht ausreichend umgesetzt wurde.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!