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Die Uniklinik Erlangen hofft, dank einer neuen Studie die Therapie von Autoimmunkrankheiten deutlich verbessern zu können. Dieser waren sogenannte "Heilversuche" mit der CAR-T-Zelltherapie vorausgegangen, die allerdings nur bei lebensbedrohlich Erkrankten angewandt werden dürfen. Dabei hatten die Erlanger Mediziner bereits überraschend gute Erfolge erzielt.
Bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen hochwirksam
Sechs junge Patienten, die an systemischem Lupus erythematodes – einer chronisch entzündlichen Autoimmunerkrankung – litten und keine weitere Behandlungsmöglichkeit mehr hatten, konnten durch die sogenannte CAR-T-Zelltherapie gerettet werden. Alle sind jetzt beschwerdefrei.
Auch bei austherapierten Patienten mit Polymyositis, Dermatomyositis und systemischer Sklerose habe die CAR-T-Zelltherapie gute Erfolge erzielt, sagt Prof. Georg Schett, Direktor der Rheumatologie und Immunologie an der Erlanger Uniklinik.
Selten: systemischer Lupus Erythematodes
Bei der lebensbedrohlichen Autoimmunerkrankung SLE, systemischer Lupus Erythematodes, greift das Immunsystem eigene Körperzellen in verschiedenen Organen an. "Es bilden sich Antikörper gegen die eigene Erbsubstanz, was natürlich katastrophal ist, denn damit entsteht praktisch eine Autoaggression gegen sich selbst, eine Entzündung in den verschiedensten Organen, in denen sich diese Antikörper ablagern", erklärt Georg Schett.
Einer von 10.000 Menschen bekomme die Erkrankung, die weltweit verbreitet sei, so Schett weiter. Betroffen seien vor allem junge Frauen. Auslöser könnte eine genetische Veranlagung sein. Leider müssten Patienten oft einen langen Leidensweg durchmachen, bis die Krankheit erkannt werde. Der Lupus lasse sich aber im Blut nachweisen, es gäbe spezifische Tests, so der Direktor für Rheumatologie und Immunologie an der Erlanger Uniklinik.
Erste Lupus-Patientin mit CAR-T-Zelltherapie
Thu-Thao Vu-Thi war sechzehn, als sie am systemischen Lupus Erythematodes erkrankte. Das war im Herbst 2016. Die Jugendliche war sehr aktiv im Taekwondo, tanzte Hip-Hop und turnte gern. Dann bekam sie Schmerzen. Sie dachte zuerst an Muskelkater. Doch "die Gelenkschmerzen sind nicht besser geworden, sondern schlimmer und dann ist im Dezember die Müdigkeit dazugekommen", erzählt die heute 22-jährige Frau. Sie bekam massive Atemprobleme, konnte nur noch wenige Schritte gehen, saß zeitweise im Rollstuhl und musste täglich eine Handvoll Medikamente einnehmen. Der Schulalltag wurde zur Qual. Doch alle Therapieversuche halfen nicht.
Junge Lupus-Patientin galt als austherapiert
Vier Jahre später, Anfang 2021, mussten ihr die Erlanger Mediziner mitteilen, dass es keine Behandlungsmöglichkeit mehr für sie gebe. "Da habe ich erstmal angefangen zu weinen, weil ich mir dachte, toll, schon wieder ein halbes Jahr verschwendet. Dass einfach meine Krankheit nicht besser geworden ist, sondern schlechter und ich zuhause lag, mit Schmerzen, nicht atmen konnte, Herzklopfen hatte und dachte: Soll ich jetzt sterben, oder was? Gibt es keinen Heilweg, der so schnell wie möglich meine Schmerzen nimmt?" erzählt Thu-Thao Vu-Thi mit Tränen in den Augen.
Letzte Hoffnung: CAR-T-Zelltherapie
Glücklicherweise forschten die beiden Direktoren der Fachbereiche Immunologie und Hämatologie, Prof. Georg Schett und Prof. Andreas Mackensen schon daran, Lupus-Patienten mit körpereigenen, aber genmanipulierten Immunzellen zu behandeln. Dabei werden aus dem Patientenblut Immunzellen (T-Zellen) isoliert und mit einem künstlichen Rezeptor (CAR) ausgestattet. Dadurch können sie fehlgesteuerte Zellen zerstören. Die Uniklinik Erlangen verfügt über spezielle Reinraum-Labore zur Herstellung von CAR-T-Zellen.
Die Medizinische Klinik 5 der Uniklinik Erlangen verfügt über spezielle Reinraum-Labore zur Herstellung von CAR-T-Zellen.
CAR-T-Zellen bisher nur bei Blutkrebs im Einsatz
Bislang wurde die CAR-T-Zelltherapie aber nur bei Leukämie-Patienten erfolgreich eingesetzt. Für Autoimmunerkrankungen gab es keine Praxiserfahrung. Weil die Lupus-Patientin Thu-Thao Vu-Thi aber lebensbedrohlich krank war, boten ihr die Mediziner diesen möglichen Heilversuch an. Die junge Frau stimmte zu. Für den Direktor der Hämatologie und Internistischen Onkologie Andreas Mackensen eine schwere Entscheidung.
"Ich muss zugeben, ganz ehrlich, ich hatte große Sorge, dass das vielleicht gar nicht gut geht. Wir hatten ja überhaupt keinerlei Erfahrung und es hatte noch niemand vor uns gemacht und es bestand auch das Risiko, dass das vielleicht eher das Ganze noch verschlimmert." Prof. Andreas Mackensen, Direktor Medizinische Klinik 5, Hämatologie und Internistische Onkologie, Uniklinik Erlangen
Lupus-Patientin jetzt beschwerdefrei
Im März 2021 bekam Thu-Thao Vu-Thi eine einmalige Infusion mit ihren eigenen, genmanipulierten Immunzellen, den CAR-T-Zellen. Damit war sie – nach Angaben der Erlanger Uniklinik – die erste Patientin, die diese Therapie erhielt. Und sie führte zum Erfolg. Innerhalb weniger Monate war die junge Frau beschwerdefrei.
Heute freut sie sich, dass sie wieder ein ganz normales Leben führen kann, ohne Medikamente. Alle vier Monate kommt sie zu Nachuntersuchungen. Die Car-T-Zellen sind nach wie vor in ihrem Blut aktiv und schützen sie. Ihre Lungenfunktion verbessert sich mit jedem Test. Stolz erzählt sie den Ärzten bei ihrem Kontrolltermin im Oktober von ihrem Job in den Semesterferien. Die Firma habe ihr gesagt, dass sie einen Männerjob mache. Das hätten auch ihre Eltern toll gefunden, weil es für sie das erste Anzeichen war, dass sie wieder richtig gesund sei, so die junge Frau lachend.
Weitere Behandlungserfolge
Vier junge Frauen und ein junger Mann, alle ebenfalls lebensbedrohlich an Lupus erkrankt, konnten – wie Thu-Thao Vu-Thi – im Rahmen eines Heilversuchs erfolgreich mit der CAR-T-Zelltherapie behandelt werden. Diese Ergebnisse ermutigten die Mediziner der Immunologie und Hämatologie an der Uniklinik Erlangen, jetzt eine klinische Studie aufzusetzen, um die Wirksamkeit der Therapie zu belegen und eine Zulassung zu erreichen.
Studie zu CAR-T-Zelltherapie bei Autoimmunerkrankungen
Geht es nach den beiden Klinikchefs für Immunologie und Hämatologie wird die klinische Studie Anfang nächsten Jahres starten. Es bestehe die Möglichkeit, nicht nur Lupus-Patienten, sondern auch Patienten mit anderen Autoimmunerkrankungen einzuschließen. Man müsse natürlich abwarten, ob sich die bisherigen Ergebnisse bestätigen ließen und ob der Heilerfolg anhalte. Man hätte ja noch keine zehn Jahre Erfahrung, erklärt Andreas Mackensen. Ist die klinische Studie aber erfolgreich, kann die Zulassung der CAR-T-Zelltherapie für diese Autoimmunerkrankungen beantragt werden. Danach könnten auch Patienten von der Therapie profitieren, die nicht lebensbedrohlich erkrankt sind.
Behandlung gegen Autoimmunkrankheit
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