Nachdem vergangene Woche Rassismusvorwürfe gegen zwei Mitglieder des neu gewählten Nürnberger Integrationsrats laut geworden waren, stehen nun weitere Anschuldigungen im Raum. Wie die Partei Die Linke mitteilt, äußerten sich die in die Kritik geratenen Galina Condrea und CSU-Mitglied Ionela van Rees-Zota in der Vergangenheit auch in anderen Posts rassistisch. Außerdem wurden Vorwürfe gegen ein weiteres Mitglied des Integrationsrats laut.
"AfD-Hetze und Verschwörungstheorien"
Linke-Landessprecherin Kathrin Flach Gomez wirft Galina Condrea vor, im Jahr 2018 einen Post der AfD-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel geteilt zu haben. Darin soll die damalige Kanzlerin Angela Merkel "in diffamierender Weise zum Rücktritt aufgefordert" worden sein und es sei gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung gehetzt worden. Einen weiteren Weidel-Beitrag, in der sie Klimaschutz als einen "Tarnbegriff" bezeichnet, kommentierte Condrea mit "Hier wird eine echte Wahrheit aus dem Parlament ausgesprochen", so Flach Gomez.
Ionela van Rees-Zota habe unter anderem im Februar 2017 verschwörungstheoretische Posts geteilt, in denen die Ökumene der Religionen als Teufelsanbetung im Rahmen der Freimaurerei bezeichnet werde.
Vergangenen Donnerstag hatten sich die beiden bei der konstituierenden Sitzung des Nürnberger Integrationsrats für die teilweise mittlerweile gelöschten Beiträge entschuldigt.
Streitbegriff "Zigeuner": Mücke oder Elefant?
"Bitte verstehen Sie, dass es für mich einfacher ist, 'Zigeuner' zu schreiben statt 'Arbeitslose der Roma-Ethnie mit Vorstrafen'", postete beispielsweise van Rees-Zota, die auch Leiterin des Deutsch-Rumänischen Kulturzentrums Nürnberg ist. Die CSU-Politikerin schrieb weiter, dass der Begriff "Zigeuner" in Rumänien völlig normal sei und nun "aus einer kleinen Mücke ein Elefant" gemacht werde, deshalb habe sie die Posts gelöscht.
Linken-Stadtrat Titus Schüller meinte dazu, dass es ihm nicht nur um den Begriff "Zigeuner" gehe, sondern dass eine gesamte Ethnie als kriminell bezeichnet werde und das sei "nicht hinnehmbar".
- Zum Artikel: Bundespräsident: Diskriminierung der Roma muss aufhören
Condrea äußerte sich nicht zu den Anschuldigungen.
Keine personellen Konsequenzen bei CSU
Auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks bei der CSU-Mittelfranken, sagte CSU-Bezirksgeschäftsführer Peter Jochum vergangene Woche, dass van Rees-Zota keine parteiinternen Konsequenzen drohten.
"Es ist skandalös, dass nach der mehr als fragwürdigen Entschuldigung im Rat keine Konsequenzen innerhalb der CSU folgten und beide Integrationsrätinnen weder zurückgetreten noch aus der Gruppe der CSU ausgeschlossen worden sind", moniert Kathrin Flach Gomez. "Wer so menschenverachtende Ansichten vertritt, darf im Integrationsrat einer Stadt, die sich Stadt der Menschenrechte nennt, keinen Platz haben."
- Auch interessant: Wie geflüchtete Roma aus der Ukraine gegen Vorurteile kämpfen
Linken-Stadtrat schreibt OB – König nimmt Stellung
Schüller hatte am Wochenende bereits ein zweites Schreiben an Oberbürgermeister Marcus König (CSU) gerichtet, in dem er den Rückzug der beiden aus dem Integrationsrat fordert. König hat mittlerweile auf die Schreiben Schüllers reagiert. Darin stimme der Oberbürgermeister mit dem Linken-Politiker überein, dass die Posts "aufgrund ihres diskriminierenden Inhalts völlig inakzeptabel sind".
König habe van Rees-Zota und Condrea zu Stellungnahmen aufgefordert, in diesen hätten sie sich von ihren Aussagen distanziert. Dem Vorschlag, sie aus dem Rat zurückzuziehen oder darauf hinzuwirken, könne König aber nicht nachkommen. Möglich seien entweder die Niederlegung des Mandats durch diese beiden Integrationsratsmitglieder selbst oder deren Abberufung durch den Stadtrat. Condrea und van Rees-Zota haben einen Rückzug bislang abgelehnt.
Laut OB König haben "Rassismus, Diskriminierung und auch andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit keinen Platz im Integrationsrat", nun sei der Zeitpunkt für "ernste und kritische Gespräche", der richtige Ort dafür sei der Integrationsrat selbst.
Neue Anschuldigungen gegen SPD-Mann
Unterdessen wurden zusätzliche Anschuldigungen von der Türkischen Gemeinde in der Metropolregion Nürnberg (TGMN) gegen ein weiteres Mitglied des Integrationsrats laut. SPD-Mitglied Ilia Choukhlov habe auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mehrere Tweets mit Links geteilt, die sich kritisch mit Geflüchteten und Muslimen auseinandersetzen, wie zum Beispiel "Flüchtlinge beschimpfen und berauben Juden" und "Politiker müssen Muslimen Grenzen aufzeigen". Ilia Choukhlov arbeitet beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Anders als die beiden anderen Ratsmitglieder hat sich Choukhlov damit nicht eindeutig rassistisch geäußert. Aber: "Wer in dieser Konzentration nur negative Berichte über Geflüchtete und Muslime penetriert, verfolgt eine Strategie des rechtsextrem Framings", sagt der TGMN-Vorsitzende Bülent Bayraktar dem BR. Derartige Denkmuster machten eine sachliche Diskussion über Flucht und Migration unmöglich und erschwerten Geflüchteten das Ankommen, so Bayraktar weiter. Er vermisse Solidarität bei antitürkischen und antimuslimischen Verhaltensmustern und fordert, dass alle gemeinsam gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Antiziganismus an vorderster Front kämpfen.
In einem Gesprächstermin mit Oberbürgermeister Marcus König und der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, von der die TGMN Gründungsmitglied ist, wolle Bayraktar über diese Themen "dringend" sprechen.
SPD weist Vorwürfe zurück
Die integrationspolitische Sprecherin der SPD in Nürnberg, Diana Liberova, sieht die Vorwürfe gegen Ilia Choukhlov als "haltlos" an. Er habe "aus unserer Sicht nichts Anderes gemacht, als die Sorgen jüdischer Menschen zu teilen", zudem habe er keine persönlichen Kommentare zu den Links gegeben, sondern nur die Artikel der Massenmedien geteilt. Liberova möchte diesbezüglich mit der TGMN noch einmal ins Gespräch gehen, um die Vorwürfe auszuräumen. Ihrer Meinung nach müsse die Arbeit gemeinsam im Sinne der Integration erfolgen und nicht bestehende Diskussionen vermischen – bezogen auf die Vorwürfe gegen Condrea und van Rees-Zota.
Integrationsrat
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!