Der Wolf hat am helllichten Tag zugeschlagen. Im Garten, nur etwa 20 Meter vom Wohnhaus entfernt, hat er das Schaf erlegt. Mittlerweile ist auch das Ergebnis der Genprobe analyisiert. Und das Landesamt für Umwelt hat keinen Zweifel - es war ein Wolf. Der Weiler liegt zwar abseits von Böbing, etwas oberhalb, nur ein einzelner Hof mit angrenzendem Wald. Trotzdem spricht Joseph Grasegger, der Vorstand des Bayerischen Schafhalterverbandes, von einer neuen Eskalationsstufe.
Forderung: Schutzstatus des Wolfs senken
Jetzt müsse dringend gehandelt werden, so Grasegger gegenüber BR24. Er fordert, den Schutzstatus des Wolfs zu senken: Da er nicht mehr vom Aussterben bedroht sei, solle er auch wieder gejagt werden können. Die Schafhalter gehen in der Region Garmisch-Partenkirchen und Weilheim-Schongau von mehreren Wölfen aus. Es gebe zahlreiche Fotobelege von Wildkameras und darauf seien sogar zwei Wölfe gleichzeitig abgebildet worden.
Der Vorstand des Bayerischen Schafhalterverbands spricht von 30 toten Schafen, die die Wölfe in den letzten Monaten gefordert hätten. Die gezahlte Entschädigung sei nur ein "Blutzoll" für die Besitzer. Solange nichts gegen die Wölfe unternommen werde, vermutet er weitere Opfer von Nutztieren, sobald die Weidesaison wieder beginnt.
Joseph Grasegger, Vorstand des bayerischen Schafhaltervereins, macht sich Sorgen um die Nutztiere im bayerischen Oberland
Wolf ist keine Gefahr für den Menschen
Das Landesamt für Umwelt versucht indes zu beruhigen, der Wolf sei scheu und es sei bisher zu keinen gefährlichen Begegnungen gekommen. Für den Menschen bestehe keine Gefahr, so Christian Tausch vom Landesamt für Umwelt auf Nachfrage. Das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) rät allen Nutztierhaltern der Region, ihre Tiere vor Übergriffen durch den Wolf zum Beispiel mit einer wolfsabweisenden Zäunung zu schützen.
Freistaat fördert Herdenschutzmaßnahmen
Zudem wurden weitere Gebiete in den Landkreisen Weilheim-Schongau und Garmisch-Partenkirchen in das Herdenschutz Förderprogramm aufgenommen. Damit fördere der Freistaat Bayern neben mobilen und elektrifizierten Festzäunen auch mobile Ställe und Herdenschutzhunde. Für den Oberammergauer Landtagsabgeordnete Florian Streibl (Freie Wähler) ist der Herdenschutz aber nur ein Baustein, er verlangt eine harte Linie gegenüber dem Wolf und begrüßte in einer Pressemitteilung die Entscheidung der EU-Parlamentarier, eine neue europäische Wolfstrategie zu erarbeiten.
- Zum Artikel: "Wölfe in Bayern – Viele Alpen und Almen nicht zu schützen"
Rund 30 Schafrisse gab es im bayerischen Oberland in diesem Jahr
EU berät über neue Wolfstrategie
Letzte Woche verabschiedete das EU-Parlament eine Resolution, darin wird auch explizit die Jagd auf den Wolf gefordert. Die Initiative ging von der EVP aus. Die größte Fraktion im EU-Parlament, zu der auch die deutschen Unionsparteien gehören, fordert seit einem Jahr die sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, kurz FFH-Richtlinie, zu überarbeiten, damit der Wolfsbestand stärker reguliert werden kann.
Schätzungen gehen davon aus, dass es in der EU etwa 19.000 und im Großraum Europa 21.500 frei lebende Wölfe gibt. Die Zahl der Wölfe wächst auch in Deutschland stetig - und gleichzeitig die Zahl der Attacken auf Nutztiere. Das sorgt immer wieder für heftige Debatten und Abschussforderungen. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 975 Angriffe von Wölfen mit 3.374 verletzten, vermissten oder getöteten Nutztieren gemeldet. Im Vorjahr waren es 942 Attacken. Bundesweit wird die Zahl der Wölfe auf derzeit 1.175 beziffert. Vor allem in Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen sind mehrere Wolfsrudel ansässig.
Jagd auf den Wolf bleibt ein Politikum
Die Grünen argumentieren, dass durch die Resolution der Schutz gefährdeter Tiere vernachlässigt werde. Sie wollen eine Koexistenz von Naturschutz und Landwirtschaft. Sinnvoller ist es deshalb aus ihrer Sicht, die Herdenschutzmaßnahmen auszuweiten. Der österreichische EU-Abgeordnete Thomas Waitz, gleichzeitig Co-Vorsitzender der Europäischen Grünen-Partei, stellte klar: Die Herabstufung des Schutzstatus werde keine Probleme für die Bäuerinnen und Bauern lösen, sondern sei nur eine Scheinlösung, die darauf abziele, den Wolf einfach abschießen zu können und wieder in vielen Gebieten stark zurückzudrängen oder mitunter sogar auszurotten.
Der Ball für ein Überdenken der Wolfstrategie liegt jetzt bei der EU-Kommission. Die Resolution löse zwar nicht das Wolfproblem, so Insider, aber sie habe den Druck erhöht für eine Entscheidung, wie mit Wölfen in Zukunft umgegangen werden soll. Mit einer schnellen Entscheidung wird aber nicht gerechnet.
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