Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Olympiapark in München
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Stefan Puchner

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (vorne rechts) bei der Gedenkveranstaltung im Olympiapark in München

  • Artikel mit Video-Inhalten

Olympia-Attentat: Streit um Entschädigungen spitzt sich zu

In München ist der Opfer gedacht worden, die während der Olympischen Spiele 1972 ermordet wurden. Überschattet wurde das Gedenken von einem Streit: Hinterbliebene lehnen ein Angebot für eine weitere Entschädigung ab. Die Summe sei "beleidigend".

Am Gedenkort zum Olympiaattentat vor 50 Jahren hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gemeinsam mit der israelischen Generalkonsulin, Carmela Shamir, und dem Antisemitismus-Beauftragten von Bayern, Ludwig Spaenle, vormittags einen Kranz niedergelegt. So etwas darf es "nie wieder geben", sagte Söder. Für Aufsehen sorgte ein paar Tage vor der Veranstaltung die Absage der Hinterbliebenen-Sprecherin Ankie Spitzer.

#BR24Zeitreise: Gedenken an Olympiaattentat 1972

Streit um Hinterbliebenen-Entschädigung überschattet Gedenken

Die Witwe des ermordeten Fechttrainers Andrei Spitzer forderte eine offizielle Entschuldigung, eine politische Aufarbeitung und mehr finanzielle Entschädigung durch die Bundesregierung. Auch kämpfen die Hinterbliebenen um Akteneinsicht. Der Streit scheint sich nun zuzuspitzen.

Noch während der Gedenkfeier gab es eine Reaktion durch das Bundesinnenministerium, wonach die Bundesregierung weitere Zahlungen an die Familien der Opfer in Aussicht stellte. Zudem soll eine Kommission aus Historikern die Geschehnisse aufarbeiten, teilte das Bundesinnenministerium BR24 mit.

Hinterbliebene lehnen Summe ab

Nach Medieninformationen sollen die Opferfamilien dieses Angebot abgelehnt haben. "Die deutsche Bundesregierung hat uns eine völlig unakzeptable und beleidigende Summe angeboten", sagte die Sprecherin Ankie Spitzer der Deutschen Presse-Agentur (dpa).

Laut Spitzer sei die Rede von zehn Millionen Euro gewesen, abzüglich bereits geleisteter Zahlungen. "Wir sind verärgert und enttäuscht", so Spitzer weiter. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums hat das nicht bestätigt, derzeit würden noch "Gespräche laufen", hieß es.

Antisemitismusbeauftragter: Verantwortung für Staatsversagen

Dieser Streit schwelt seit Jahrzehnten. Man müsse das "großzügiger handeln", forderte auch Markus Söder. Zu BR24 sagte er, er bedauere, dass die Bundesregierung diesbezüglich so "formaljuristisch arbeitet."

Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) forderte die Bundesregierung auf, sich zu entschuldigen und deutlich zu machen, dass hier ein Staatsversagen stattgefunden hat. Dies sei "die Pflicht der Bundesrepublik Deutschland". Das bedeute auch, dass der Bund mit den Familien "auf Augenhöhe" spricht.

Insgesamt wurden die Hinterbliebenen bisher mit umgerechnet rund fünf Millionen Euro entschädigt: Direkt nach dem Attentat habe es eine Zahlung von etwa vier Millionen Mark gegeben sowie 2002 weitere drei Millionen Euro als humanitäre Geste im Hinblick auf Deutschlands besonderes Verhältnis zu Israel.

Olympische Spiele 1972 "Ausgangspunkt zu einem modernen Bayern"

Söder sagte auf der Gedenkveranstaltung, er selbst habe 1972 als Fünfjähriger erlebt, wie innerhalb eines Tages "ein Traum zum Albtraum wurde". Auf der einen Seite seien die Spiele vor fünfzig Jahren "freudige, moderne und tolerante" gewesen, auf der anderen Seite waren sie ein "großer Schmerz".

Für den Freistaat waren die Spiele 1972 aber auch der Ausgangspunkt zu einem modernen Bayern, betonte Söder am Rande der Veranstaltung. Er wünsche sich auch heute mehr Mut zu moderner Architektur. Die Infrastruktur-Maßnahmen und der Bau des Olympiaparks hätten Bayern nach vorne katapultiert. Damals sei "wirklich groß", mutig und "auch ein bisschen kreativ-disruptiv" gedacht worden. "Es gibt wohl kaum jemanden, der dieses Gelände nicht super findet."

Goldmedaillen-Gewinner: Richtig, dass Spiele weitergingen

Geladen waren auch zwei deutsche Goldmedaillen-Gewinner: Der Ruderer Hans-Johann Färber sowie der Speerwerfer Klaus Wolfermann. Als damaliger Sportler habe er nach dieser "niederschmetternden Nachricht" nicht "gewusst, sich zu orientieren". Heute aber hält er es für richtig, dass die Spiele zunächst weitergingen. "Alles andere wäre der Tod der Olympischen Spiele für die Zukunft gewesen."

Die Olympioniken seien damals im Geiste des Sportes, in Frieden und Brüderlichkeit gekommen, sagte die israelische Generalkonsulin, Carmela Shamir. Ihnen, aber vor allem der Opfer, will das israelische Generalkonsulat am 4. September in Form einer Fahrradtour vom Olympiapark bis zum Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck gedenken.

Versuch Geiseln zu befreien endet in verheerender Schießerei

Bei dem Olympia-Attentat vom 5. auf den 6. September 1972 nahmen acht Terroristen der palästinensischen Organisation "Schwarzer September" elf Athleten, Betreuer und Kampfrichter aus Israel als Geiseln und forderten die Freilassung von 328 inhaftierten palästinensischen Gesinnungsgenossen.

Die Geiselnahme endete in einer Katastrophe auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck. Alle elf Geiseln, fünf Terroristen und ein Polizist wurden während einer verheerenden Schießerei ermordet. Bis heute werden den Behörden und der Polizei gravierende Versäumnisse und Fehler vorgeworfen.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!