Das zivilrechtliche Verfahren vor dem Landgericht Traunstein unter anderem gegen den verstorbenen emeritierten Papst Benedikt XVI. geht weiter. Die Feststellungsklage wird trotz Benedikts Tod weiterverhandelt, wie aus einem Schreiben des Landgerichts Traunstein hervorgeht, das dem Redaktionsnetzwerk CORRECTIV, dem BR und der "Zeit" vorliegt.
Verfahren soll Anspruch auf Schmerzensgeldzahlung klären
Noch vor Weihnachten, also vor Benedikts Tod, hatte eine Gerichtssprecherin der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) mitgeteilt: "Da wir nicht das Jüngste Gericht sind, wäre das Verfahren dann im Hinblick auf ihn erledigt." Daraufhin berichteten mehrere Medien fälschlicherweise, dass die Klage nun nicht mehr verhandelt werde.
Gemäß der Zivilprozessordnung müsste zwar das Verfahren nach dem Tod einer Partei unterbrochen werden. Weil der nun verstorbene Benedikt aber von einem Prozessbevollmächtigten vertreten werde, sei dies nicht der Fall, heißt es in dem Schreiben des Landgerichts. An die Stelle des Verstorbenen treten nun dessen Erben. Bisher steht noch nicht fest, wer Benedikts Erben sind. Dies wird aktuell vom Nachlassgericht am Amtsgericht in Traunstein geprüft. Das Verfahren geht also weiter. Der Prozessbevollmächtigte habe allerdings die Möglichkeit, eine Unterbrechung des Verfahrens zu beantragen, bis geklärt ist, wer die Erben des verstorbenen Papstes sind, so Gerichtssprecherin Andrea Tietz: "Ob ein solcher Antrag erfolgt, kann ich noch nicht sagen".
Strafrechtlich kann der Missbrauch juristisch nicht mehr verfolgt werden, weil die Taten längst verjährt sind. Zivilrechtlich wird es nun vor Gericht im Wege einer Feststellungsklage um die Frage gehen, ob Verantwortliche des Bistums in dem Fall eine Mitverantwortung tragen.
Benedikt hatte Verteidigungsbereitschaft erklärt
Die Zivilklage richtet sich nicht nur gegen den emeritierten Papst Benedikt, sondern auch gegen den ehemaligen Münchner Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter sowie den mutmaßlichen Täter, den Ex-Priester Peter H. Bei dem Verfahren soll es um den Anspruch auf Schmerzensgeldzahlungen gehen. Im Juni 2022 hatte Andreas Perr, ein mutmaßliches Opfer von Peter H., die Feststellungsklage vor dem Landgericht Traunstein eingereicht. Perr wird von dem Berliner Rechtsanwalt Andreas Schulz vertreten.
Perr hofft, dass das Gericht feststellt, dass Priester Peter H. ihn missbraucht habe und deswegen Schadensersatzanspruch besteht. Das Gericht hatte im Dezember den 28. März 2023 als ersten mündlichen Verhandlungstermin vorgeschlagen. Sämtliche Parteien sollten sich bis Mitte Januar äußern, ob ihnen der Termin möglich ist. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hatte seine Verteidigungsbereitschaft erklärt.
Missbrauchsgutachten wirft Benedikt Fehlverhalten vor
Der Priester Peter H. spielt im Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising eine zentrale Rolle: In den 1980er und 1990er-Jahren soll Peter H. in der Erzdiözese München mehrere Kinder und Jugendliche missbraucht haben, darunter auch den Kläger Andreas Perr. Das Münchner Missbrauchsgutachten warf Anfang 2022 Joseph Ratzinger Fehlverhalten vor.
Die Leitung der Erzdiözese rund um den damaligen Erzbischof Kardinal Joseph Ratzinger und späteren Papst Benedikt XVI. hatte den pädophilen Priester im Jahr 1980 im Erzbistum aufgenommen. Er wurde wieder in der Seelsorge eingesetzt, was ihm den Umgang mit Jugendlichen ermöglichte - obwohl H. zuvor bereits in Essen durch sexuelle Übergriffe aufgefallen war. 1986 verurteilte ihn das Amtsgericht Ebersberg wegen mehrfachem sexuellen Missbrauch. Benedikt bestritt erst, bei der entscheidenden Ordinariatssitzung, bei der es um die Aufnahme von Peter H. im Erzbistum ging, anwesend gewesen zu sein - obwohl er im Protokoll zitiert wurde. Kurz darauf korrigierte er seine Aussage: Der Fehler sei die "Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme" gewesen.
Gesicherte Einschätzung erst in 60 Jahren nach Akteneinsicht
Vor voreiligen Urteilen über den Umgang des verstorbenen Ex-Papstes Benedikt XVI. mit Fällen sexualisierter Gewalt warnt dagegen der Kirchenrechtler Thomas Schüller: "Eine gesicherte Einschätzung werden Historiker erst in 60 Jahren abgeben können, wenn die Akten der Glaubenskongregation aus seiner Amtszeit zugänglich sind", sagte Schüller der Kölnischen Rundschau. Er betonte aber: "Joseph Ratzinger hat im Unterschied zu seinem heiliggesprochenen Vorgänger Johannes Paul II. überhaupt erkannt, dass das ein dramatisches Thema ist."
Als Präfekt der Glaubenskongregation habe er es geschafft, Johannes Paul II. davon überzeugen, dass solche Delikte zentral in Rom untersucht werden müssen. "Ich verstehe aber gut, dass aus Sicht der Opfer sexualisierter Gewalt nichts von dem ausreicht, was von 1980 bis heute geschehen ist", sagte Schüller und fügt hinzu: "Das darf man auch nicht klein reden."

In Rom stehen Zehntausende auf dem Petersplatz Schlange, um sich vom verstorbenen Benedetto zu verabschieden.
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