Zacken im Eingangsbereich der Münchner Stadtsparkassenfiliale
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Zacken im Eingangsbereich der Münchner Stadtsparkassenfiliale am Max-Weber-Platz sollen das Sitzen und Liegen verhindern

    Herzlos? Diskussion über Zacken gegen Obdachlose bei Sparkasse

    Kein Herz für Obdachlose – auch nicht in der Weihnachtszeit: Das werfen Twitter-User der Stadtsparkasse München derzeit vor. Gitter mit Eisenzacken sollen sie vom Eingangsbereich einer Filiale fernhalten. Doch ist die Kritik wirklich gerechtfertigt?

    Ein Foto, das derzeit auf Twitter kursiert, sorgt für heftige Diskussionen im Internet. Es zeigt den Eingangsbereich der Stadtsparkasse München am Max-Weber-Platz, wo mit Zacken versehene Metallgitter angebracht sind.

    Solche baulichen Maßnahmen gibt es schon länger, sie laufen unter dem Namen "defensive Architektur" und sollen etwa Obdachlose davon abhalten, sich hinzulegen. Die Diskussion ist also nicht neu, doch durch den Tweet des Journalisten Ronen Steinke, beginnend mit den Worten "Shame on you, @sparkasse München" wurde sie nun wieder neu entfacht.

    Vorwurf: Fehlende Menschlichkeit

    User "Arschlumpf" etwa meint: "Anstatt die Obdachlosigkeit zu bekämpfen, bekämpfen deutsche Städte lieber obdachlose Menschen, indem sie Metallspikes bauen, die verhindern sollen, dass sich obdachlose Menschen vor Geschäften niederlassen." Und Mitzi meint: "Wenn ich es nicht besser wüsste sieht dieses Gitter aus, als ob man ein Tier fernhalten will. Ist absolut das letzte und hat mit Menschlichkeit einfach mal nichts zu tun. Wie schnell ein Mensch abrutschen kann, dürfte inzwischen auch jedem klar sein. Ich würde die Bank wechseln."

    Andere User haben Verständnis für die Sparkassen

    Hat die Stadtsparkasse den Tadel aber wirklich verdient? Für die Kunden ist es sicher nicht immer angenehm, auf lagernde Obdachlose im Eingangsbereich zu treffen. Gerade Frauen haben dann Angst, überhaupt das Gebäude zu betreten. Das meint auch Userin Frauke: "Das Problem sind nicht die Sparkassen, deren Reaktion ist nachvollziehbar, da es Kunden verprellt, ältere Menschen oder Frauen trauen sich dann vielleicht nicht rein. Die Städte müssen einfach im Winter mehr Unterstützung, Unterkunft anbieten. Die sozialen Einrichtungen tun genügend."

    Kunden fühlten sich nicht mehr sicher

    Dass die Vorrichtung beim Beratungscenter der Filiale am Max-Weber-Platz vor einiger Zeit eingebaut wurde, hat die Stadtsparkasse BR24 bestätigt. Der Grund: In der Vergangenheit sei es immer wieder zu größeren Kundenbeschwerden gekommen, nachdem der Geldautomatenraum von Obdachlosen und auch anderen Gruppen als Aufenthaltsort genutzt wurde.

    Die Münchner Polizei kenne das Thema sehr gut und habe in der Vergangenheit dazu angehalten, "keinen Aufenthaltsort für andere Zwecke als Bankgeschäfte vorzuhalten". Kunden hätten sich "über ein mangelndes Sicherheitsempfinden bei der Vornahme sensibler Geldgeschäfte, insbesondere in den Abendstunden" beschwert, sagt Sebastian Sippel, Pressereferent der Stadtsparkasse München. "Auch bieten die Geldautomatenräume keinerlei sanitäre Einrichtungen und keine adäquate Möglichkeit zur Müllentsorgung. Wir wollen unseren Kunden saubere Foyers bieten, in denen sie sich zu jeder Tageszeit sicher fühlen."

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    Die Sparkasse begründet die Zacken unter anderem damit, dass Kunden sich über ein mangelndes Sicherheitsempfinden beschwert hätten.

    Müll und Exkremente im Eingang

    Auch User Hans-Jürgen Willacher weiß als ehemaliger Sparkassenangestellter aus eigener Erfahrung, was die Übernachtungen der Obdachlosen für Folgen haben können: Exkremente, benutzte Kondome, Drogengeschirre. Was wahrscheinlich kein Geschäft gerne im Eingangsbereich hat.

    Man habe völliges Verständnis für die Situation der Menschen, die in diesen Tagen keine Unterkunft haben, so die Stadtsparkasse. Es gebe aber Angebote der Stadt, die Nacht im Warmen zu verbringen.

    Gründe für Übernachtungen im Freien sind vielschichtig

    Doch gibt es wirklich genug Angebote für Obdachlose? Jörn Scheuermann von der Wohnungsnotfallhilfe Südbayern meint, ja. In der Landeshauptstadt müsse niemand, "der dies nicht bewusst anders entscheidet, auf der Straße, im ÖPNV oder in Parkanlagen schlafen". Warum dies manche Menschen trotzdem vorziehen, sei vielschichtig und immer individuell begründet. "Es halten sich manchmal auch einfach nur hartnäckig Vorbehalte gegenüber entsprechenden Einrichtungen, die schlichtweg nicht stimmen", so Scheuermann.

    Die Stadt habe aber auch erkannt, dass sie selbst gefordert sei, die eigenen Angebote weiterzuentwickeln und attraktiver zu gestalten, meint Scheuermann weiter. Deshalb sei unter dem Motto "Wohnen statt Unterbringen" schon vor Jahren ein völlig neuer Standard von Unterkünften geschaffen worden, der weit über dem gesetzlich normierten Standard liegt und versucht, so schnell wie möglich in eigenen Wohnraum zu vermitteln.

    Auch konstruktive Vorschläge auf Twitter

    Neben reiner Kritik gibt es auch Stimmen auf Twitter, die konstruktive Vorschläge machen: User Mirco Fruster hat zwar Verständnis für die Bank, meint aber, eine Spende in gleicher Höhe der baulichen Maßnahme könnte die Situation für beide Seiten etwas entschärfen.

    Dies tut die Stadtsparkasse München nach eigenen Angaben bereits: Man spende regelmäßig für Vereine und Institutionen, die unter anderem auch obdachlosen Menschen helfen. Zum Beispiel den Münchner Kältebus, die Münchner Tafel, die Malteser oder diverse Sozialstationen in der Stadt.

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