"Wir schauen uns ganz genau an, was kommt dazu online. Dann haben wir einen Ermittlungsansatz, und diese Person schnappen wir uns dann auch", sagte Pressesprecher Marcus da Gloria Martins dem BR. Durch die Veröffentlichung von derartigem Material drohe eine Anzeige wegen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz (§ 22). Demnach dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.
Polizei musste Gaffern mit Gewalt drohen
Beim Unfall gestern seien Platzverweise ausgesprochen worden, so da Gloria Martins. Außerdem habe die Polizei mit der Anwendung von Gewalt drohen müssen. Erst dann seien einige Schaulustige zurückgewichen.
Weil die Versorgung der Verletzten absolute Priorität hatte, konnte die Polizei laut da Gloria Martins gestern nicht die Personalien einzelner Gaffer aufnehmen. Dennoch betont er, dass das Filmen und Fotografieren am Unfallort als Straftatbestand gelte, wenn dadurch der höchstpersönliche Lebensbereich der abgebildeten Personen verletzt werde. Nach §201a StGB kann das mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.
"Alleine die Unverfrorenheit, an ein Unfallfahrzeug heranzutreten, in dem noch jemand drin ist, und da dann mit der Kamera draufzuhalten, das zeugt schon von sehr viel Kaltschnäuzigkeit und fehlender Sensibilität." Polizei-Pressesprecher Marcus da Gloria Martins
Einsatzkräfte behindert? Bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe drohen
Wenn durch Gaffen – egal ob dabei gefilmt wird oder nicht – Personen behindert werden, die Hilfe leisten wollen, dann ist das ebenfalls ein Straftatbestand. Laut §323c StGB drohen dann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Gleiches gelte für unterlassene Hilfeleistung. Laut da Gloria Martins kann das einigen Gaffern vorgeworfen werden:
"Wer an einem verunfallten Fahrzeug steht, in dem noch jemand Hilfsbedürftiger drinnen ist, der macht sich der unterlassenen Hilfeleistung strafbar." Polizei-Pressesprecher Marcus da Gloria Martins
Das war bei dem Unfall gestern in der Nähe des Hauptbahnhofs der Fall. Laut Polizei standen einzelne Gaffer direkt bei den Unfallautos und filmten durch die Scheiben.
Experte: Gaffer sind schäbige Menschen
Gaffer folgen nach den Worten von Professor Alfred Gebert aus Münster einem Trieb von früher. Das erklärte der Wirtschaftspsychologe im BR-Interview. Die Frage, die sich der Mensch blitzschnell stelle, laute: Droht Gefahr? Deshalb schaue er hin. "Dann merken wir aber nach Bruchteilen von Sekunden: 'Ah ja, für uns besteht keine Gefahr.' Und dann müssten wir normalerweise helfen. Nur wenn da schon andere sind, dann helfen wir nicht mehr, sondern lassen die Professionellen kommen."
Wer Unfallopfer filme und das Video in die sozialen Netzwerke stelle, fühle sich – in Erwartung Tausender Klicks – wie ein "berühmter Dokumentarfilmer", so Gebert. "Aber im Grunde bin in ein ganz schäbiger Mensch, der sich an dem Leid anderer ergötzt."
Aus Geberts Sicht müssen Gaffer "überall verteufelt werden". Der Experte nimmt die Schulen – Stichwort "Medienerziehung" – und die Fahrschulen in die Pflicht. Sie müssten ihren Schülern beibringen, bei einem Unfall weiter auf den Verkehr zu achten und nicht zum Unfallgeschehen zu schauen.
"So was macht ein vernünftiger Mensch nicht"
Analog zum Pranger im Mittelalter plädiert der Wirtschaftspsychologe dafür, die Gesichter der Gaffer in der Zeitung abzudrucken. Die Botschaft, die damit verbunden sei, laute: "Seht her, das ist einer dieser blöden Voyeuristen. So was macht ein vernünftiger Mensch nicht."