Nidal A. wurde am vergangenen Donnerstag vom Landgericht München zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Neben ihm sein Anwalt Adam Ahmed.
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Nidal A. wurde am vergangenen Donnerstag vom Landgericht München zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt.

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München: Mutmaßlicher Bombenbauer zu Bewährungsstrafe verurteilt

Das Landgericht München hat einen 29-Jährigen wegen Besitzes einer Bombenbau-Skizze zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Das Gericht konnte ihm nicht nachweisen, dass er der salafistischen Ideologie folgt.

Das Landgericht München hat am vergangenen Donnerstag den 29-jährigen Nidal A. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt – wegen "Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat". Fraglich bleibt, warum und ob Nidal A. die Tat überhaupt verüben wollte.

Anwalt: 29-Jähriger kein Salafist

Das Gericht geht davon aus, dass sich der 29-jährige Münchner eine handschriftliche Skizze zum Bau einer Bombe verschafft hat.

Bei der Durchsuchung seiner Wohnung im September 2017 in München hatte die Polizei die handschriftliche Skizze entdeckt. Diese habe, so die Generalstaatsanwaltschaft München, eins zu eins einem Propagandavideo der Terrormiliz IS entsprochen. In diesem Bombenbau-Video wird gezeigt, wie man in einer normalen Küche den Sprengstoff TATP herstellen kann.

Plante Nidal A. einen terroristischen Anschlag im Sinne des sogenannten Heiligen Kriegs? Eine klare Antwort auf diese Frage gab es im Laufe des Verfahrens keine. Die Generalstaatsanwaltschaft war davon ausgegangen, dass Nidal A. der salafistischen Ideologie folgt . Dieser Vorwurf konnte dem 29-Jährigen vor Gericht aber nicht nachgewiesen werden. Der Verteidiger Adam Ahmed hatte stets abgestritten, dass es sich bei seinem Mandanten um einen Salafisten handelt - ebenso ein muslimischer Prediger, der den 29-jährigen Münchner schon seit vielen Jahren kennt.

Bruder des Angeklagten wollte nach Syrien zum Kämpfen

Nidal A., so der Prediger als Zeuge vor Gericht, sei ein ganz anderer Typ als sein älterer Bruder Samir A.. Bruder Samir A. wollte 2015 zu einer Terrorgruppe nach Syrien ausreisen, wurde aber am Münchner Flughafen geschnappt.

Im Mai 2016 hatte das Landgericht München Samir A. zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Möglich machte dies der Paragraf 89 a Absatz 2a im Strafgesetzbuch, der schon den Versuch einer Ausreise zu einer Terrorgruppe unter Strafe stellt. Samir A. war im vergangenen Jahr ohne Erfolg gegen das Urteil und diesen Paragrafen vorgegangen. Inzwischen wurde er aus der Haft entlassen. Den Prozess gegen seinen Bruder Nidal verfolgte Samir A. von der Zuschauerbank - gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester.

Verteidigung will Revision einlegen

Laut Generalstaatsanwaltschaft München befanden sich in der Wohnung des 29-jährigen Nidal A auch Gegenstände, die zum Bau der Bombe verwendet werden können. Sie wurden bei der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden: Schraubenzieher, Metallkugeln, Draht, Chinaböller, Werkzeug, selbstbearbeitete Elektronikteile (Leuchtdioden), Glühbirnen, Klebeband, zwei Portionierungsspritzen, Zündhölzer, eine entleerte Autobatterie und eine Flasche mit 1,5 Liter Schwefelsäure (offenbar aus der Autobatterie stammend). Allerdings konnte das Gericht am Ende nicht nachweisen, ob diese Gegenstände wirklich zur Herstellung einer Bombe dienen sollten.

Verteidiger Ahmed hatte Freispruch gefordert, die Generalstaatsanwaltschaft dagegen eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Die Generalstaatsanwaltschaft will prüfen ob sie Revision einlegt, die Verteidigung kündigte an, diesen Schritt gehen zu wollen.

Wollte Nidal A. Verfassungsschützer töten?

Insgesamt verlief der Prozess sehr zäh, nicht immer waren die Vorwürfe für Prozessbeobachter nachvollziehbar. So hieß es in der Anklage, der 29-jährige Münchner habe im Juli 2017 in einer Chatgruppe angekündigt, er wolle "Spione" und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes töten. Die Unterhaltung war beim Bundesamt für Verfassungsschutz mitgelesen worden.

Allerdings blieb den gesamten Prozess über die Frage offen, ob die problematischen Aussagen des Angeklagten in dem Chat gesichert werden konnten. Verteidiger Ahmed hatte vergeblich beantragt, dass der Verfassungsschutz-Mitarbeiter vor Gericht erscheint, der die Aussagen entdeckt hat. Das lehnte das Bundesinnenministerium ab - mit Verweis darauf, dass eine Offenlegung der Methodik zu einem Nachteil für das Wohl des Bundes führen würde.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte die problematischen Aussagen im Juli 2017 registriert. Erst zwei Monate später gelangte die Information über das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz an die Polizei in München. Im September 2017 wurde Nidal A. festgenommen. Zudem durchsuchte die Polizei seine Wohnung.

Für Verteidiger Ahmed ist vollkommen schleierhaft, "wieso es zwei Monate dauert, bis eine angeblich so wichtige Nachricht weitergegeben wird, bei der es um Menschenleben geht."

Nidal A. wegen anderer Sache wieder in Haft

Nidal A. war ab September 2017 mehrere Monate in Untersuchungshaft. Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts München wurde im Mai vergangenen Jahres der Haftbefehl aufgehoben. Das Gericht hatte festgestellt, dass auf Grundlage des Haftbefehls kein dringender Tatverdacht besteht.

Inzwischen wurde der 29-Jährige wieder verhaftet - allerdings wegen einer anderen Sache. Hintergrund ist nach BR-Informationen ein Konflikt zwischen Nidal und seiner Ex-Partnerin, mit der er zwei Kinder hat. Er hatte versucht mit ihr Kontakt aufzunehmen, obwohl ein Kontaktverbot bestand. Dabei, so Anwalt Ahmed, hatte die Partnerin selbst immer wieder versucht, Nidal A. zu kontaktieren. Weitere Details zu den neuen Vowürfen gegen den 29-Jährigen sind bisher nicht bekannt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München bleibt auf BR-Anfrage abstrakt: "Diesem Untersuchungshaftbefehl liegen Tatvorwürfe aus dem häuslichen Bereich zugrunde, unter anderem besteht der dringende Tatverdacht der Bedrohung, der versuchten Nötigung, des Diebstahls sowie der Nachstellung in Tateinheit mit Verstößen gegen das Gewaltschutzgesetz."