Mit den E-Bikes hat vor vielen Jahren ein Trend begonnen, der mittlerweile zum Alltag geworden ist. Auch in den Bergen biken viele Menschen mit Motor und Akku. Die Technisierung geht aber noch weiter: So gibt es bereits Tourenski mit einer motorbetriebenen Aufstiegshilfe sowie eine E-Wanderhose mit integriertem Motor.
Ähnlich funktioniert auch ein Exoskelett. Einen solchen High-Tech-Stützapparat für den Körper oder die Beine kann man unter anderem zum Wandern nutzen, um leichter bergauf und bergab zu laufen oder um längere Strecken mit weniger Anstrengung zurückzulegen. Für Menschen mit Einschränkungen kann das eine hilfreiche Unterstützung sein.
Wandern mit Handicap möglich
Deshalb hat Martin Ebner heuer den IM-Punkt in Muggendorf in der Fränkischen Schweiz eröffnet. In diesem Inclusion-Meeting-Point berät und begleitet er Menschen, die trotz Handicap gerne in der Natur wandern möchten. Neben einem geländegängigen Rollstuhl, für den er bereits eine Auszeichnung erhalten hat, verleiht er auch Exoskelette.
Diese Stützapparate wiegen rund zwei Kilo und lassen sich mit einem Hüft- und zwei Beingurten leicht anlegen. Dazwischen sind zwei motorbetriebene Metallarme befestigt, die die Oberschenkel beim Gehen unterstützen sollen. An beiden Seiten des Hüftgurts sitzt ein Regler für die verschiedenen Unterstützungsstufen.
Selbstversuch im Wiesenttal
Für einen Selbstversuch starte ich mit Martin Ebner zu einer Wanderung oberhalb des Wiesenttals. Wie so oft in der Fränkischen Schweiz geht es gleich steil bergauf. Der Akku soll ungefähr für eine rund 20 km lange Wanderung halten. Ein zweiter Akku als Reserve passt locker in den Rucksack, denn er ist ähnlich klein und leicht wie eine Powerbank.
Da ich nicht sofort eine Unterstützung spüre, schalte ich den Motor am Hüftgurt über das Pluszeichen hoch. Martin Ebner erklärt mir, dass das Exoskelett mein Bein nun ungefähr mit einer Kraft von 5 Kilo hochhebt und runterdrückt. Ähnlich wie beim E-Bike muss man sich bewegen, um eine Unterstützung zu bekommen.
Aquamodus soll Knie schonen
An das surrende Geräusch beim Gehen gewöhne ich mich schnell. Etwas störend finde ich jedoch den Gurt an der Hüfte. In den Stufen 1 und 2 spüre ich eine angenehme Unterstützung meiner Oberschenkel beim Laufen. In der höchsten Stufe 3 fühle ich mich allerdings wie eine Marionette, die an unsichtbaren Fäden gezogen wird. Das liegt vermutlich daran, dass die höchste Stufe eher zum Rennen gedacht ist als zum Wandern.
Martin Ebner nutzt das Exoskelett auch gerne zum Bergabgehen, denn der sogenannte Aquamodus schone seine Knie, sagt er. In diesem Modus bremst der Motor den Oberschenkel ab, sodass ein Gefühl wie beim Waten durch Wasser entsteht. Dieser Widerstand soll verhindern, dass die Schritte zu groß und unkontrolliert werden. Am besten ist es tatsächlich, wenn man bei Interesse so ein Exoskelett selbst ausprobiert. Ich persönlich komme ohne Motor sehr gut die Berge hoch und runter. Aber wer weiß, wie es mal im Alter sein wird oder nach einer Erkrankung.
Martin Ebner verleiht Exoskelette im IM-Punkt in Muggendorf.
Einsatz in der Medizin und Rehabilitation
Ähnliche Modelle werden bislang in der Industrie, beim Militär und allem voran in der Medizin und Rehabilitation eingesetzt: "Mit einem Exoskelett kann man beispielsweise nach Verletzungen und Operationen frühzeitig mit einer trainingsspezifischen Bewegung beginnen. Es kann aber auch grundsätzlich als Trainingsmittel genutzt werden", erklärt der Sportmediziner Leonard Fraunberger von der Uni Erlangen-Nürnberg.
Er empfiehlt jedoch, dass solche Exoskelette individuell angepasst werden und gut sitzen sollten. Erste Studien dazu sind geplant. Neben dem medizinischen Einsatz hält er einen Nutzen von Exoskeletten auch in der Freizeit für möglich, da man durch die Unterstützung langsamer ermüdet.
Zeichnet sich ein neuer Trend ab?
Exoskelette können Menschen mit schweren Erkrankungen oder schweren Verletzungen helfen, im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine zu kommen. Ein neuer Denkansatz ist, die Exoskelette zu nutzen, um körperliche Leistungen zu steigern, ähnlich wie bei E-Wanderhosen mit Motor und Tourenski mit motorisierter Aufstiegshilfe.
Olaf Perwitzschky aus dem Test- und Servicebereich des Bergmagazins ALPIN beobachtet eine zunehmende Technisierung im Bergsport. Ob die Exoskelette fürs Wandern allerdings ein Renner werden, kann er noch nicht sagen: "Ob sie als Massenprodukt auf den Markt kommen werden, wird sich unter anderem über die Handhabbarkeit, Preis, Gewicht usw. entscheiden. Aber das Potenzial dafür haben sie."
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