Ministerium: Aus für Teil-Impfpflicht - Holetschek: "Überfällig"
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Mitarbeiterin und Bewohner eines Seniorenheims

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Aus für Teil-Impfpflicht – Holetschek: "Überfällig"

Das Bundesgesundheitsministerium hat das voraussichtliche Ende der Corona-Impfpflicht für das Personal im Gesundheitswesen bestätigt: Die medizinische Begründung für die Regelung entfalle. Für Bayerns Minister Holetschek ein "überfälliger" Schritt.

Die Corona-Impfpflicht für Personal in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen soll zum Jahresende auslaufen. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums bestätigte am Vormittag einen entsprechenden Bericht des ARD-Hauptstadtstudios. "Wir rechnen damit, dass zum Jahreswechsel die Variante BQ1.1 oder ähnliche Varianten das Infektionsgeschehen dominieren werden", sagte der Sprecher mehreren Medien. Zwar verhinderten Impfungen immer noch eine schwere Erkrankung, aber wohl nur noch begrenzt eine Übertragung des Virus. "Deshalb entfällt für die einrichtungsbezogene Impfpflicht die medizinische Begründung."

Die Teil-Impfpflicht ist seit Mitte März für alle Beschäftigten in Einrichtungen des Gesundheitswesens in Kraft und bis 31. Dezember befristet. Bisher hatte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nicht festlegen wollen, ob er sich für eine Verlängerung einsetzen wird - trotz Rufen aus den Ländern nach Klarheit. Vor einem Monat hatten Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen in einem Brief an Lauterbach ein Ende der Impfpflicht gefordert und eindringlich vor den Folgen einer Verlängerung gewarnt.

Holetschek: Brauchen jede Pflegekraft

Der bayerische Gesundheits- und Pflegeminister Klaus Holetschek (CSU) begrüßte das voraussichtliche Aus für die Teil-Impfpflicht. "Dieser Schritt war überfällig - und ich bin froh, dass der Bundesgesundheitsminister nun endlich unsere Empfehlungen aufgegriffen hat." Es gebe schon lange keine Rechtfertigung für eine einrichtungsbezogene Impfpflicht mehr. Die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei ursprünglich ein guter Ansatz gewesen, vulnerable Gruppen zu schützen. "Sie war jedoch immer nur als Vorläufer einer allgemeinen Impfpflicht gedacht, zu der sich der Bund aber damals nicht durchringen konnte."

Der CSU-Politiker betonte, jede verfügbare Arbeitskraft in Medizin, Pflege und Eingliederungshilfe werde benötigt - und die betroffenen Einrichtungen und Unternehmen bräuchten Planungssicherheit. "Klar ist aber auch, dass die Impfquote unter den Beschäftigten in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen höher ist als im Bevölkerungsdurchschnitt."

Kubicki: Aus für Impfpflicht unausweichlich

Auch mehrere FDP-Politiker bezeichneten es als richtig, die Teil-Impfpflicht auslaufen zu lassen. FDP-Vize Wolfgang Kubicki wertete die Entscheidung als unausweichlich. "Karl Lauterbach weiß natürlich, dass er sie ohnehin nicht hätte verlängern können", schrieb Kubicki auf Facebook. Die FDP habe längst klargestellt, dass es eine Weiterführung nicht geben könne. "Insofern hat die Nachricht keinen Neuigkeitswert."

Neu sei aber, dass das Bundesgesundheitsministerium nun offen eingestehe, dass der eigentliche Zweck der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht mehr erreichbar sei. "Diese banale medizinische Erkenntnis, der man sich auch im Haus Lauterbach nicht mehr verschließen mag, sollte aber die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht erst zum Jahreswechsel enden lassen, sondern sofort."

Der FDP-Politiker verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, in der es geheißen habe: "Gleichwohl kann eine zunächst verfassungskonforme Regelung später mit Wirkung für die Zukunft verfassungswidrig werden, wenn ursprüngliche Annahmen des Gesetzgebers nicht mehr tragen." Dieser Zeitpunkt ist nach Meinung Kubickis "lange erreicht".

Krankenhausgesellschaft: Viel zu lange gedauert

Auch für die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ist es "absolut richtig und überfällig", die einrichtungsbezogene Impfpflicht auslaufen zu lassen. "Eine andere Entscheidung wäre nicht mehr erklärbar gewesen", betonte der DKG-Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß. Es bleibe aber der Beigeschmack, dass diese Entscheidung viel zu lange gedauert habe.

Mittlerweile sei bekannt, dass die Impfstoffe zwar vor schweren Verläufen schützten, bei den Omikron-Varianten aber die Ansteckung und Weitergabe nicht verhinderten. "Damit wäre ein solch schwerer Eingriff in die Selbstbestimmung schon längst nicht mehr gerechtfertigt gewesen." Trotzdem habe die Bundesregierung über Monate an der Impfpflicht festgehalten. Die Beschäftigten der Krankenhäuser hätten in diesen Monaten noch mehr Bürokratie als ohnehin ertragen müssen, bemängelte Gaß. "Impfpflicht und die dazugehörige Bürokratie sind gerade unter dem Eindruck des massiven Personalmangels nicht mehr zu vermitteln."

Stiftung Patientenschutz: "Vernünftig"

Als eine "vernünftige Entscheidung" bezeichnete der Vorstand der Deutsche Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, das Aus für die Teil-Impfpflicht. "Darüber hinaus sollten in den letzten sechs Wochen des Jahres die Verfahren gegenüber Nicht-Geimpften ruhen", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Auch gilt es, Zwangsmaßnahmen einzustellen."

Die Impfung schütze vor schweren Krankheitsverläufen und Tod, aber nicht vor Weitergabe des Virus. "Deshalb lief die einrichtungsbezogene Impfpflicht von Anfang an ins Leere." Viele Bundesländer und Gesundheitsämter hätten das erkannt, sagte Brysch. "So wurden Sanktionen herausgezögert, auch um die Personalnot nicht weiter zu verschärfen."

Mehrere Länder verzichten auf Sanktionen

Seit 1. Oktober gelten für Beschäftigte im Gesundheitswesen strengere Vorgaben als zuvor: Das Pflege- und Gesundheitspersonal muss seither geboostert statt nur zweifach geimpft sein.

Bayern verzichtete aber weitgehend auf den Vollzug der Verschärfung, um "aberwitzige Bürokratie" zu vermeiden und die Versorgungssicherheit nicht zu gefährden. Mehrere Bundesländer folgen dem bayerischen Sonderweg, nur bei Neueinstellungen einen Booster-Nachweis zu verlangen.

Mit Material von AFP, KNA und epd.

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