Am Geld sollten Masken-Geschäfte nicht scheitern. Bei der Beschaffung von Schutzausrüstung seien im März 2020 eher "die Menge und die Lieferzeit" entscheidend gewesen als der Preis, schildert die frühere bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) im Masken-Untersuchungsausschuss des Landtags. "Es war schlichtweg nicht die Zeit, wo man über Preise verhandeln konnte." Masken seien zu Beginn der Corona-Krise weltweit Mangelware gewesen. Mit den Vertragsabschlüssen sei sie aber nicht befasst gewesen, das habe sie delegiert, betont die CSU-Politikerin, die inzwischen das Europaressort führt.
Humls damaliges Ministerium war maßgeblich in umstrittene Masken-Käufe im Frühjahr 2020 involviert - mehrere davon kamen auf Vermittlung von CSU-Politikern zustande. Teilweise zahlten die Verkäufer dafür hohe Provisionen - beispielsweise an die langjährigen CSU-Abgeordneten Alfred Sauter und Georg Nüßlein sowie an die PR-Unternehmerin Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler. Huml sagt dazu im Ausschuss, sie könne sich nicht daran erinnern, von Provisionen gewusst zu haben.
"Es ging darum, Menschenleben zu schützen"
In ihrer achtstündigen Befragung wirbt Huml um Verständnis für ihre früheren Mitarbeiter und sich selbst. Gleich mehrfach betont sie: "Es ging darum, Menschenleben zu schützen und zu retten." Man sei von früh bis spät, "sieben Tage die Woche" mit der Pandemie beschäftigt gewesen. Es sei nötig gewesen, "unter großem Zeitdruck schnelle und pragmatische Lösungen zu finden". Es sei vielfach nicht möglich gewesen, "noch fünf Experten" hinzuzuziehen.
Die Masken-Angebote seien zum Teil befristet gewesen und man habe schnell entscheiden müssen, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass man zu zögerlich gehandelt habe. Es habe genug andere Interessenten geben, die die Masken sonst für den gleichen oder sogar einen höheren Preis genommen hätten, erläutert Huml.
Keine Erinnerung an Gespräch mit Sauter
Viele weitere Detailfragen der Ausschussmitglieder kann die heutige Europaministerin mit dem Abstand von zweieinhalb Jahren nicht beantworten: "Daran habe ich keine Erinnerung", sagt die CSU-Politikerin immer wieder. So erinnert sie sich beispielsweise nicht, ob sie mit ihrem Parteikollegen Sauter über das von ihm eingefädelte Geschäft direkt gesprochen habe.
Im Fall von Sauter sei sie "wahrscheinlich" der Meinung gewesen, dass er unentgeltlich handle. Schließlich seien alle daran interessiert gewesen, "dass wir Menschenleben retten". Sie sei davon ausgegangen, dass Sauter "aus diesem Ethos heraus" aktiv sei. Deswegen habe sie sich darüber keine Gedanken gemacht. Sie differenziere bei Sauter nicht, "ob er jetzt als Abgeordneter oder als Jurist mir gegenübersteht". Sauters Rolle bei den Angeboten habe sie nicht hinterfragt.
"Markt war weltweit zusammengebrochen"
Mit Blick auf Filz-Vorwürfe der Opposition sagt Huml: Sie könne sich nicht vorstellen, dass in irgendeiner Form ein Unterschied gemacht worden sei, ob Angebote über CSU-Kanäle eingegangen seien oder nicht. Es sei vielmehr darum gegangen, überhaupt Masken zu bekommen. "Der Markt war weltweit zusammengebrochen." Es habe ein Kollaps des Gesundheitswesens gedroht. Deswegen sei auf allen aussichtsreichen Wegen Schutzausrüstung beschafft worden. "Wir sind allen Hinweisen nachgegangen, die uns valide erschienen."
Das Gesundheitsministerium habe vor einer völlig neuen Situation gestanden - es sei erstmals mit der Beschaffung von Schutzausrüstung befasst gewesen, erläutert Huml. Es sei nötig gewesen, innerhalb von Stunden neue Strukturen zu schaffen. Gerade in der Anfangsphase der Pandemie sei es nicht immer einfach gewesen, die Angebote gründlich zu durchleuchten. Zwar seien immer wieder Zertifikate und auch Masken "optisch und haptisch" geprüft worden. Eine monatelange Untersuchung sei nicht möglich gewesen, "weil die Masken gebraucht wurden und zwar ad hoc".
Grüne: Es fehlte an Führung
Der Ausschuss-Vorsitzende Winfried Bausback von der CSU sieht durch Humls Aussage untermauert, dass im Frühjahr 2020 eine dramatische Situation geherrscht habe. "Es musste gehandelt werden, und es wurde gehandelt", sagt der ehemalige Justizminister.
Der Opposition reicht Humls Verteidigung dagegen nicht aus: In der Anfangsphase der Pandemie habe es im Ministerium "auf jeden Fall an Führung gefehlt", betont der Grünen-Abgeordnete Florian Siekmann. Anfangs habe es einen Mangel an klaren Arbeitsaufträgen, an Informationsfluss und an Personal gegeben. Das habe es "Masken-Dealern" wie Tandler und Sauter "leicht gemacht, dass sie ihre Angebote platzieren konnten".
FDP: Erstaunliche Erinnerungslücken
Der FDP-Abgeordnete Helmut Kaltenhauser beklagt, Krisenmanagement und Nachverfolgung im Gesundheitsministerium seien insgesamt mehr als fragwürdig gewesen. "Huml hat hier ganz klar versagt." Es sei erstaunlich, "mit welchen Erinnerungslücken sich unsere Zeugen herumplagen müssen".
Bei Huml sei es nicht anders. "Nur dort, wo vorgelegte Akten nicht wegzudiskutierende Fakten zeigen, werden die Lücken plötzlich weniger. Als es um Kontakte ging, die ihr Mann vermittelt hatte, wurde ihre Stimme plötzlich sehr zurückhaltend."
AfD: Schwerer Schaden für Glaubwürdigkeit
AfD-Fraktionsvize Gerd Mannes macht Ministerin Huml mitverantwortlich dafür, dass Sauter "mit seinen Machenschaften so weit kommen konnte". Wenn schon die Ministerin so blauäugig bei den Beschaffungen vorgegangen sei, könne man von den Mitarbeitern nichts anderes erwarten. "Sauter hatte damit leichtes Spiel und seine Parteikollegen schauten – ob planmäßig oder nicht – weg, während er sich den Staat zur Beute gemacht hat." Durch ihr Handeln und ihre fehlende Genauigkeit habe die Ministerin der Glaubwürdigkeit der Staatsregierung einen schweren Schaden zugefügt.
Aiwanger: Habe keinen Cent bekommen
Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) verwahrt sich am Abend bei seiner Aussage im Ausschuss gegen Filz-Vorwürfe. Das sei "üble Nachrede", die er entschieden zurückweise. Er habe den Eindruck, "es geht nicht um die Aufklärung von Sachverhalten, sondern um politische Manöver", um die Arbeit von politisch Verantwortlichen zu diskreditieren. Der Vize-Ministerpräsident betont: "Wir haben immer nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet." Jetzt im Nachhinein Debatten zu führen, wer mit wem per du gewesen sei, sei nahezu grotesk.
Es habe zwar "an einigen Stellen" Fehlverhalten gegeben, "zumindest moralisch", sagt Aiwanger mit Blick auf Provisionszahlungen an Politiker. Aber: "Ich habe nirgends irgendwo auch nur einen Cent bekommen oder eine andere Vergünstigung irgendwo bekommen."
Gesundheitsministerium "völlig überrollt"
Wie zuvor Huml verweist auch Aiwanger auf die große "Dramatik" zu Beginn der Pandemie, der Ruf nach Masken sei groß gewesen. "Wir mussten aktiv auf die Suche gehen." Mitte März 2020 habe das bayerische Kabinett beschlossen, dass das Wirtschafts- und das Gesundheitsministerium alles unternehmen müssten, um Material zu beschaffen - nicht nur Masken, sondern beispielsweise auch Krankenhausausrüstung und Desinfektionsmittel.
Das Gesundheitsministerium sei von dieser Aufgabe "völlig überrollt" worden, personell und organisatorisch, sagte der Wirtschaftsminister. Es habe sogar einen förmlichen Vertrag gegeben, dass sein Haus dem Gesundheitsministerium zuarbeiten solle.
Aiwanger stellt klar, dass er sich bei der Masken-Beschaffung nicht hinter Beamten versteckt habe. Vielmehr sei er selbst tätig geworden. Im Ministerium sei eine Arbeitsgruppe gegründet worden, die systematisch Kontakte gesucht und abtelefoniert habe.
"Wir haben richtig gehandelt"
Eine zentrale Rolle bei der Befragung Aiwangers spielt eine handschriftliche Liste mit elf ihm bekannten Firmen und Unternehmern, die er bei den Maskenbeschaffern platziert hatte - mit der Aufforderung, täglich alle Nummern abzutelefonieren. Der Minister weist den Vorwurf zurück, ihm bekannte Unternehmer bei Maskenkäufen bevorzugt zu haben. Wenn jetzt gefragt werde, "warum steht dieser und nicht jener Name auf der Liste", laute die Antwort: "Weil man der Überzeugung war, dass man mit diesen Namen eher zum Ziel kommt als mit Leuten, die man gar nicht kennt."
Aiwanger zeigt sich überzeugt, dass sein Vorgehen erfolgreich war. Vier Kontakte von der Liste hätten Masken geliefert. "Also wir haben richtig gehandelt", sagt er. Außerdem seien damals - in der Stunde der Not – Maskenkäufe wo immer möglich auch vergaberechtlich erlaubt gewesen.

Die ehemalige Gesundheit- und jetzige Europaministerin Melanie Huml im Masken-Ausschuss
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