“Für uns war das ein schrecklicher Tag“, sagt Vsevolod ‘Seva‘ Mnuskin über den 24. Februar als Russland die Ukraine überfiel. Der Nürnberger stammt aus der Ukraine, er hat Freunde und Verwandte dort. Dieser Tag hat für die Franken, die ihre Wurzeln in dem angegriffenen Land haben, alles verändert: Seitdem beherrschen Trauer und Sorge ihren Alltag. Doch nach dem ersten Schock werden viele aktiv: Sie organisieren Hilfslieferungen in die Ukraine und nehmen Freunde und Verwandte auf, die nach Franken geflüchtet sind.
Geflüchtete werden in Turnhallen und Zelten untergebracht
Im März musste alles schnell gehen: Am Nürnberger Bahnhof wurden Zelte für die Geflüchteten aufgestellt, auf dem Land wurden Turnhallen zu Schlafstätten umfunktioniert. Für sie treffen Unmengen an Kleider- und Lebensmittelspenden ein. Doch nur als Zwischenlösung: Dreiviertel aller nach Deutschland Geflüchteten kommen bei Privathaushalten unter und zwar sowohl in Wohnungen in den Städten Nürnberg, Fürth und Hof als auch auf dem Land. In der Stadt Nürnberg leben inzwischen 8.000 Geflüchtete aus der Ukraine.
Tafeln kommen an die Grenzen
Als Anlaufstelle für Hilfe ist die Tafel gefragt. Doch mit mehr Geflüchteten, mit mehr Menschen, die durch gestiegene Energiekosten Hilfe benötigen, kommen die Lebensmittelausgaben der Tafeln an ihre Grenzen. Oft arbeiten die Ehrenamtlichen bis zu zwölf Stunden im Tafelladen. Der Freistaat sichert Unterstützung zu. Die Staatsregierung sei sich dessen bewusst, dass die Tafeln derzeit unter erschwerten Bedingungen arbeiten, heißt es aus dem Sozialministerium. Deshalb gebe es in diesem Jahr eine zusätzliche Förderung von insgesamt 750.000 Euro, um die schwierige Situation abzumildern.
Spendenbereitschaft enorm groß
Die Deutschen haben in diesem Jahr bislang über 860 Millionen Euro für vom Krieg betroffene Menschen gespendet – ein Rekordwert. Auch die Spendenaktion mit dem BR, Sternstunden, vermeldet Rekordwerte. Hinzu kommen die Sachspenden und die unbezahlbare, ehrenamtliche Arbeit. Dabei helfen viele mit, die ihre Wurzeln in Ländern der ehemaligen Sowjetunion haben, neben der Ukraine auch in Kasachstan oder Russland.
Helfer mit Sprachkenntnissen
Die russische Sprache ist nun eine Kompetenz, die gebraucht wird. Denn die meisten Ukrainer sprechen neben ukrainisch russisch. Nur die Jüngeren können sich auch mit Englisch verständigen. Vor Ort helfen deshalb viele aus, die ihre Wurzeln in der ehemaligen Sowjetunion haben, als Dolmetscher als Vermittler zwischen Behörden und Geflüchteten und in Beratungsstellen der Behörden.
Hürden der deutschen Bürokratie
Die Ehrenamtlichen helfen, damit die Geflüchteten nicht in die Mühlen der deutschen Bürokratie geraten. Da sich Ukrainerinnen und Ukrainer Infos über das Handy suchen, initiieren russischsprachige Nürnberger Beratungshilfe über social media Kanäle namens “HELP Ukraine Nürnberg“ – in Zusammenarbeit mit Behörden. Schnelle, kleine Initiativen füllen damit manchmal Lücken, die schwerfällige Behörden hinterlassen. Denn auch Behörden und Ämter haben mit dem zu tun, worunter auch die Wirtschaft leidet: Personal- und Fachkräftemangel.
Hohe Motivation, zu arbeiten
Über 80 Prozent der Geflüchteten aus der Ukraine ist weiblich. Die meisten der Frauen haben trotz Kinder Vollzeit gearbeitet. Dabei sind sie gut qualifiziert und hoch motiviert. Kurz nach ihrer Flucht im März, sagt Irina, die mit ihren Kindern im Landkreis Fürth in einer Turnhalle untergebracht ist: "Ich möchte selbst Geld verdienen und nicht auf Kosten der Deutschen leben." Die Integrationsbereitschaft ist hoch, bescheinigt auch Bundesagentur für Arbeit-Chefin Andrea Nahles den Geflüchteten aus der Ukraine.
Integration in Arbeit
In Bayern arbeiten mehr als 22.000 von ihnen bereits in sozialversicherungspflichtigen Jobs, 4.600 in Mini-Jobs. Allerdings betonen Arbeitsmarkt-Experten immer wieder, dass die gutqualifizierten Ukrainerinnen nicht unter ihrem Ausbildungsniveau beschäftigt werden sollten. Damit zeigt sich neben den Zugang zu Integrationskursen ein weiteres Nadelöhr: Die Anerkennung der Berufs- und Ausbildungsabschlüsse. Integrationsexperten fordern deshalb immer wieder mehr Flexibilität bei der Anerkennung von Berufsabschlüssen.

Viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer unterstützten die Städte und Gemeinden, um den Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen
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