Vor Schulen oder in Bereichen mit konkreten Gefährdungen – dort gilt innerorts Tempo 30. Aber reicht das? Eine bundesweite Initiative findet das nicht und fordert etwa, dass Städte und Kommunen selbst entscheiden sollen, wo welche Geschwindigkeitsbeschränkungen gelten. Der ADAC-Nordbayern hat sich jetzt zu den Forderungen der Initiative geäußert und sieht Probleme.
ADAC befürchtet wieder mehr Verkehr in Wohngebieten
Im Gespräch mit BR24 wandte sich der ADAC-Nordbayern deutlich gegen die Idee, 30 km/h als innerstädtische Regelgeschwindigkeit einzusetzen. Sollte sich die Forderung der Initiative durchsetzen, fürchtet der ADAC eine ganze Vielzahl von Problemen im Stadtgebiet.
"Wir haben es über die letzten Jahre geschafft, gerade die Wohngebiete mit Tempo-30-Zonen zu beruhigen und den Hauptverkehr und den Durchgangsverkehr auf den Hauptachsen zu bündeln", sagte Jürgen Hildebrandt, Geschäftsbereichsleiter für Verkehr, Technik und Umwelt beim ADAC Nordbayern. Wenn der Vorteil der höheren Geschwindigkeit auf der Hauptverkehrsstraße wegfalle, "werden natürlich die Pkw-Fahrer oder auch alle anderen motorisierten Kraftfahrzeuge wahrscheinlich den kürzesten Weg suchen", so Hildebrandt. So hole man sich unfreiwillig den Verkehr zurück in die Wohngebiete.
100 bayerische Orte in der Tempo-30-Initiative
Zuletzt schlossen sich immer mehr Kommunen in Bayern und Deutschland der Initiative "Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten" an. Allein in Bayern sind es laut Angaben der Organisatoren etwa 100 Kommunen. Darunter beispielsweise Würzburg, Nürnberg, Erlangen, Bamberg und Aschaffenburg. Einen Überblick über alle 360 Kommunen bundesweit, die sich der Initiative bislang angeschlossen haben, gibt es hier.
Die Initiative fordert laut eigenen Angaben jedoch keine sofortige Einführung von Tempo 30 überall, sondern mehr Handlungsfreiheit für die Kommunen, dies anzuordnen, wo es sinnvoll erscheint. Gegründet wurde die Initiative von den Städten Aachen, Hannover, Leipzig, Münster, Augsburg, Ulm und Freiburg. Ziel sei es, mit einer Mobilitäts- und Verkehrswende die Lebensqualität in den Städten zu erhöhen.
Tempo 30 Beschränkungen in bestimmten Fällen möglich
Innerorts gilt in Deutschland bereits seit 1957 eine generelle Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h. Besonders in Wohngebieten, abseits des Hauptverkehrs, können Kommunen bereits seit 2001 großflächig Tempo-30-Zonen anordnen. Seit 2017 ist es zudem für die Kommunen einfacher, Tempo 30 auch auf Hauptverkehrsstraßen anzuordnen – zumindest in besonderen Fällen, zum Beispiel vor Schulen, Kindergärten und -tagesstätten. Diese Neuregelung habe durchaus Sinn ergeben, sagte Hildebrandt vom ADAC Nordbayern. Vor allem an Stellen, an denen es zu Unfallhäufungen kam.
So hatte etwa die Stadt Nürnberg schon im Jahr 2011 beschlossen, Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen vor Schulen einzuführen und sei damit gut gefahren. Höchstgeschwindigkeiten auf Hauptverkehrsachsen einzuschränken obliegt derzeit weiterhin den übergeordneten Straßenverkehrsbehörden und liegt nicht in der Hand der Kommunen.
Forderung: Größere Anreize, um aufs Auto zu verzichten
Tempo 30 als neue Regelgeschwindigkeit einzuführen sieht der größte Automobilclub Europas "sehr kritisch". Laut dem ADAC Nordbayern sei es wichtig, nicht das Auto durch Tempo 30 generell madig zu machen, sondern Anreize zu schaffen, ganz auf das Auto in der Innenstadt zu verzichten. Beispiele für solche Anreize sind etwa mehr Park-and-Ride-Parkplätze oder der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Das 9-Euro-Ticket nannte Hildebrandt als gelungenen Vorstoß in diese Richtung.
Bei Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit müssten laut Jürgen Hildebrandt zunächst die Lichtsignalanlagen in Bayern entsprechend angepasst werden und "ich sehe wirklich nicht, dass wir Zeit, Geld und das Personal hätten, alle Lichtsignalanlagen in Bayern hier zeitgerecht entsprechend anzupassen".
Weniger Schadstoffe durch Senkung der Höchstgeschwindigkeit?
Hildebrandt sieht zudem nicht, dass sich dadurch Schadstoffe und Lärm reduzieren ließen, da viele Fahrzeuge bei Tempo 30 einen Gang herunterschalten würden und dadurch mehr Lärm und Schadstoffe erzeugten. Dieser Ansicht Hildebrandts widerspricht eine aktuelle Studie des Bundesumweltamts, das jüngst die Auswirkungen einer innerörtlichen Regelgeschwindigkeit von 30 km/h auf Lärm und Luftschadstoffe in drei Städten in Deutschland erforscht hat. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass zumindest die Lärmbetroffenheit durch Tempo 30 deutlich zurückging.
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