München, Mitte Oktober, Prozessauftakt: Ein 22-Jähriger aus dem Landkreis Augsburg soll für deutsche IS-Kämpfer Facebook-Profile eingerichtet haben.
"Es ist was Besonderes - insofern als eigentlich relativ bescheidende Tatvorwürfe hier jetzt in einem Strafsenat des Oberlandesgerichts verhandelt werden sollen." Christoph Kühn, Strafverteidiger
Staatsschutzverfahren wegen Terror-Vorwurf
Ein Prozess mit hohen Sicherheitsanforderungen. Das heißt: Einlasskontrollen vor dem Gerichtssaal, die Kleidung wird abgetastet, Taschen werden durchsucht, jeder muss seinen Personalausweis vorlegen. Ziemlich viel Aufwand: Der Angeklagte sitzt nicht mal in Untersuchungshaft. Zudem, sagt sein Anwalt, habe er sich von der Salafisten-Szene komplett gelöst, die Tatvorwürfe würden fast drei Jahre zurück liegen. Aber es ist eben ein Staatsschutzverfahren: Der junge Mann war mit IS-Terroristen in Kontakt. Das wird deutlich, als die Anklage verlesen wird.
"Ein Wolfsburg stammendes IS-Mitglied schrieb dem Angeklagten über den Messenger-Dienst Whatsapp, als dieser gerade in der Schule saß. Sein Facebook-Account, sei gerade gesperrt worden. Er möge bitte einen neuen Account erstellen. Kurz darauf schickte der Angeklagte dem IS-Mitglied von der Schule aus das Passwort für einen neu erstellten Facebook-Account." Anklageschrift
Aufwändige Verfahren
Es geht hier also kaum um ein Kavaliersdelikt, sondern um mutmaßliche Terrorunterstützung. Selbst kleine Fälle brauchen viel Zeit, sagen Ermittler.
"Angesichts der Verschwiegenheit des Milieus und der komplizierten Ermittlungen müssen Sie davon ausgehen, dass Sie für so ein Verfahren tatsächlich Monate ermitteln – in enger Kooperation mit der Polizei. Natürlich gibt es immer weitergehende Spuren, die es zu verfolgen gilt. Diese Verfahren gehören ähnlich wie Kapitaldelikte oder wie Wirtschaftsdelikte zu den wirklich zeitaufwändigen und personalintensiven Verfahren." Oberstaatsanwalt Andreas Franck
Bayern kommt noch zurecht
Die Zahl der Terrorverfahren steigt in den letzten Jahren kontinuierlich. Mehr als 800 hat allein die Bundesanwaltschaft in diesem Jahr eingeleitet. Seit Monaten fordert sie mehr Personal. Es ist aber fraglich, ob all diese Verfahren zur Anklage kommen und inwieweit deutsche Gerichte davon betroffen sein werden. Bayern kommt mit der Zahl an Terrorverfahren bisher zurecht. Ein wichtiger Grund: Seit Jahresbeginn gibt es in der Generalstaatsanwaltschaft München eine eigene Einheit für solche Fälle - die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Sie koordiniert die bayerischen Verfahren und hat inzwischen 70 Fälle von der Bundesanwaltschaft übernommen.
Zentralstelle ermittelt in 101 Fällen
Vier Oberstaatsanwälte plus Leitung ermitteln derzeit in 101 Fällen: Zwei Verfahren beschäftigen sich mit einer als terroristisch eingestuften Organisation aus Sri Lanka. Es geht um das Sammeln von Spendengeldern für diese Gruppe, deren Motive aber nicht islamistisch sind. Alle anderen Verfahren, mit denen sich die Zentralstelle auseinandersetzt, sind islamistisch motiviert.
Prozess nächste Woche gegen Prediger
In einem aktuellen Fall haben die bayerischen Behörden jahrelang Hinweise gesammelt, bis es zur Anklage kam. Kommende Woche beginnt der Prozess gegen einen Prediger, der engen Kontakt zur salafistischen Szene in Bayern pflegte und vor einigen Monaten im Nürnberger Raum verhaftet wurde. Der Prediger soll Kraftfahrzeuge - darunter einen Krankentransportwagen - an Terroristen in Syrien geliefert haben. Schon seit ein paar Jahren war er im Visier der Sicherheitsbehörden.
Mühsame Amtshilfe aus den USA
Als Beweismittel dienen häufig Facebook oder Whatsapp-Unterhaltungen. Wollen bayerische Ermittler aber zum Beispiel auf Facebook zugreifen, müssen sie erstmal an das Unternehmen in den USA herankommen.
"Zunächst muss vor einem deutschen Richter ein Beschluss erwirkt werden zur Durchsuchung und Beschlagnahme des Facebook-Profils in den USA. Mit diesem Beschluss geht dann ein entsprechendes Ersuchen an das Bundesjustizministerium. Von dort wird das übermittelt an das amerikanische Justizministerium. Dort wird es dem Richter vorgelegt. Der prüft wiederum den Sachverhalt. Und wenn die Angaben als ausreichend und stichhaltig bewertet werden, erlässt er einen Beschluss gegenüber Facebook." Lothar Köhler, Leiter der Abteilung Staatsschutz im bayerischen Landeskriminalamt
Aber bis es dazu kommt, müssen Staatsanwaltschaft und Polizei oft sechs bis neun Monate warten. Droht Gefahr, geht die Chat-Einsicht wesentlich schneller. Gefahr heißt: bei Terror-Verdacht .