Eine Kaffeetasse und ein Meterstab, ein USB-Autoladeadapter und Baumwolltaschen: Im CSU-Fanshop können Markus-Söder-Anhänger zwischen einem halben Dutzend Produkten mit dem Namenslogo des bayerischen Ministerpräsidenten wählen. Es sind Überbleibsel der Söder-Kollektion zur Landtagswahl 2018 – Söder-Neuheiten zur Wahl 2023 sind bisher noch nicht im Sortiment. Denn auch wenn es kaum Zweifel an einer erneuten Spitzenkandidatur des Franken gibt, steht die offizielle Kür noch aus.
Die bayerischen Grünen sind da schon weiter: Sie wählten bereits im September ihre Landtagsfraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann zum Spitzenduo für die Landtagswahl. Die SPD will am Samstag nachziehen, die FDP im November. Die anderen im Landtag vertretenen Parteien folgen im Frühjahr – bei den meisten scheint aber klar, wer es wird.
Wie wichtig die richtigen Spitzenkandidaten sein können, haben die Ergebnisse der Landtagswahlen in diesem Jahr gezeigt: Dreimal setzten sich die aktuellen Ministerpräsidenten - zum Teil entgegen dem Bundestrend - klar durch (in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen), dagegen löste im Saarland die beliebte Herausforderin den Amtsinhaber ab. Im Freistaat zeigt der jüngste BR-BayernTrend ein Jahr vor der Wahl: Vor allem das Spitzenpersonal von SPD und FDP, in abgeschwächter Form auch der Grünen, hat dabei eine schwierige Ausgangslage. Ein Überblick über die (voraussichtlichen) Spitzenkandidaten und ihre jeweiligen Herausforderungen.
CSU: Söder mit guter Ausgangslage
Der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder
Für Markus Söder läuft es CSU-intern wieder besser. Das Murren insbesondere nach dem Absturz bei der Bundestagswahl vor einem Jahr ist leiser geworden, Söders Charme-Offensive für die CSU-Stammklientel scheint Wirkung zu zeigen. Der "grüne" Söder und Kämpfer für Frauenquoten war vorgestern, der Corona-Hardliner gestern, aktuell tourt der Ministerpräsident als Verteidiger der bayerischen Freiheitsliebe und konservativ-bürgerlicher Werte durch den Freistaat.
So sehr das Ausscheiden aus der Bundesregierung auch am christsozialen Selbstbewusstsein kratzt, bietet es für die Partei mit Blick auf den bayerischen Landtagswahlkampf auch Vorteile: Die CSU braucht sich nun nicht mehr um den Spagat zu bemühen, sich in Bayern von der Politik abzusetzen, die sie im Bund mitzuverantworten hat. Während in Berlin so unterschiedliche Partner wie SPD, Grüne und FDP unversöhnliche Positionen unter einen Hut bringen müssen, kann Söder von München aus bequem die Bayern-Karte spielen und die Berliner Ampel pausenlos attackieren.
Laut dem BR-BayernTrend im Oktober 2022 liegt die CSU im Freistaat zwar deutlich unter der 40-Prozent-Hürde, könnte nach derzeitigem Stand aber die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen und damit weiter die Politik in Bayern maßgeblich bestimmen. Die aktuell festgestellten 37 Prozent entsprechen in etwa dem vergleichsweise schwachen CSU-Ergebnis der vorigen Landtagswahl (37,2 Prozent) und dürften für Söder nächstes Jahr eine Messlatte sein: Sollte die CSU schlechter abschneiden als 2018, könnte der Parteichef in Erklärungsnot geraten – jeden Prozentpunkt mehr könnte er als Erfolg verkaufen.
CSU: Aigner in Lauerstellung
Die Chefin der Oberbayern-CSU und bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner
Söders persönliche Zustimmungswerte im Freistaat gehen seit Monaten zwar zurück. Immerhin jeder Zweite (50 Prozent) attestiert ihm aber eine gute Arbeit. Vor allem ist kein bayerischer Politiker so bekannt wie der Ministerpräsident: Gerade einmal zwei Prozent der Bayern kennen Söder nicht oder haben keine Meinung zu ihm. "Markus Söder ist unangefochten der beliebteste Politiker in Bayern", frohlockte zuletzt CSU-Generalsekretär Martin Huber – unterschlug dabei aber Ilse Aigner, die bayerische Landtagspräsidentin und Chefin der Oberbayern-CSU. Dabei steht Aigner auf Augenhöhe mit dem Ministerpräsidenten: Auch mit ihrer Arbeit sind laut BR-BayernTrend 50 Prozent zufrieden, wobei sie mit 81 Prozent nicht an Söders Bekanntheitswert herankommt.
Dass sie bereit wäre, die erste Frau an der Spitze der Staatsregierung zu werden, machte Aigner mehrfach deutlich. Zwar verfügt sie nicht über den unbedingten politischen Machtwillen Söders, dennoch ist eine politische Gemengelage denkbar, in der ihre Stunde schlagen könnte: Zum Beispiel, wenn die CSU schlechter abschneiden sollte als 2018 oder die Mehrheit mit den Freien Wählern verlieren sollte. Ein Szenario, das Beobachter für möglich halten: Aigner könnte Ministerpräsidentin werden und der Europapolitiker Manfred Weber den Parteivorsitz übernehmen. Der an der Basis beliebte Niederbayer hatte schon 2018 neben Söder als aussichtsreicher Kandidat für den CSU-Chefposten gegolten, wollte damals aber lieber EU-Kommissionspräsident werden - was ihm nicht gelang.
Mit Blick auf die aktuelle Schwäche der Opposition in Bayern könnte man zugespitzt sogar sagen: Parteifreundin Aigner ist wohl Söders schärfste Konkurrentin. Auch Innenminister Joachim Herrmann hatte zwar vor Jahren schon mal Interesse am Ministerpräsidenten-Posten bekundet, wird nächstes Jahr aber schon 67. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt wäre als Kandidat für den Parteivorsitz denkbar, gilt aber nicht als Liebling der Basis.
Freie Wähler: Alles dreht sich um Aiwanger
Der Freie-Wähler-Chef und bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger
Die Freien Wähler lassen sich mit der offiziellen Kür ihres Spitzenkandidaten für die Landtagswahl noch Zeit, sie gilt aber ohnehin nur als Formsache: Der bayerische Vize-Ministerpräsident, Landes- und Bundesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, ist als Zugpferd gesetzt. Es gibt niemanden in der Partei, der es auch nur entfernt mit Aiwangers Bekanntheitsgrad in Bayern aufnehmen kann. Nahezu neun von zehn Bayern (88 Prozent) haben eine Meinung zum Freie-Wähler-Chef. Er dürfte das durchaus als Bestätigung seines zuweilen polternden Kurses werten - auch wenn mehr Bayern mit seiner Arbeit unzufrieden (49 Prozent) als zufrieden (39 Prozent) sind.
Da sich CSU-Chef Söder schon jetzt auf die Freien Wähler als Wunschpartner in Bayern festgelegt hat, können sie aus gutem Grund auf fünf weitere Jahren Regierungsbeteiligung hoffen. Auch die Freien Wähler liegen im BR-BayernTrend im Oktober 2022 mit aktuell 11 Prozent ungefähr auf dem Niveau der Landtagswahl 2018 (11,6 Prozent).
Zuletzt agierten Söder und Aiwanger demonstrativ harmonisch - der Anti-Ampel-Kurs verbindet. Im Zuge des Wahlkampfs ist allerdings durchaus mit klaren Abgrenzungsversuchen zu rechnen: Schließlich kämpfen Freie Wähler und CSU um das gleiche Wählerklientel. Die eine oder andere Spannung zwischen den Koalitionspartnern scheint also programmiert.
Grüne: Schulze und Hartmann - das Kreuz mit dem Alter
Die bayerischen Grünen-Fraktionschefs Katharina Schulze und Ludwig Hartmann nach ihrer Wahl zum Spitzenduo für die Landtagswahl 2023
Stolze 95,3 Prozent haben Schulze und Hartmann gemeinsam auf dem Landesparteitag der bayerischen Grünen unlängst bekommen. Das Duo hatte die Grünen auch 2018 schon in die Landtagswahl geführt und mit 17,6 Prozent ein Rekordergebnis erzielt.
Der BR-BayernTrend diese Woche ergab, dass Schulze vom Spitzenpersonal der bayerischen Opposition die mit Abstand bekannteste Politikerin ist: Sie ist die Einzige, zu der mehr als die Hälfte (58 Prozent) eine Meinung äußern kann. Aber: Auch wenn sich die Mehrheitsverhältnisse in Bayern grundlegend verschieben sollten - Ministerpräsidentin könnte sie nicht werden, sondern müsste Hartmann den Vortritt lassen. Denn Schulze ist erst 37 Jahre alt, nächstes Jahr dann 38. Laut bayerischer Verfassung muss der Ministerpräsident mindestens 40 sein. Den Grünen-Antrag, das zu ändern, lehnten CSU, Freie Wähler und AfD erst Ende Juni im Landtag ab.
Den Mitvierziger Hartmann kennt mehr als jeder Zweite in Bayern nicht oder hat keine Meinung zu ihm (55 Prozent). Hartmann selbst will das nicht überbewerten: "Selbstvermarktung, immer die Suche nach der Kamera, nach der schnellen Überschrift: Das treibt mich nicht an", stichelt Hartmann gegen Söder. "Anstatt Bäume zu umarmen, ständig Selfies zu verbreiten und Stunden in die Selbstvermarktung zu investieren, investiere ich seit Jahren meine Zeit viel lieber in die inhaltliche Arbeit und in Gespräche mit den Menschen im Land." Der Grünen-Politiker will sich im Wahlkampf mit einem "anderen Politikstil" profilieren.
Zur vergleichsweise geringen Bekanntheit kommt ein anderes Problem: bundespolitischer Gegenwind. Die Arbeit der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP hat im Freistaat stark an Zustimmung verloren. Zwar konnten die bayerischen Grünen als einzige Ampel-Partei im BayernTrend bei der Sonntagsfrage etwas zulegen, die Zufriedenheit mit der Arbeit der Partei aber ging merklich zurück.
SPD: Von Brunn und der bundespolitische Gegenwind
Florian von Brunn nach seiner Wahl zum bayerischen SPD-Fraktionsvorsitzenden
Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schauten im Herbst 2022 bei der bayerischen SPD in München vorbeischauen, wenn die Genossen Florian von Brunn als Spitzenkandidaten aufstellten. Der 53-Jährige ist seit eineinhalb Jahren die Nummer eins der bayerischen SPD: Zunächst wurde er zusammen mit Ronja Endres an die Spitze des Landesverbands gewählt, anschließend forderte er mitten in der Legislaturperiode den damaligen Fraktionsvorsitzenden Horst Arnold heraus und löste ihn ab. Die knappen Wahlergebnisse zeigen dabei, dass er auch innerhalb seiner Partei und Fraktion polarisiert.
Von Brunn kann besser als seine Amtsvorgänger zuspitzen und angreifen. Als eines seiner Ziele gab er aus, der bayerischen SPD mehr Schlagkraft und mediale Aufmerksamkeit zu bescheren. Bei seiner eigenen Bekanntheit hat er aber noch reichlich Luft nach oben: Zwei Dritteln der Bayerinnen und Bayern (66 Prozent) sagt der Name des wichtigsten bayerischen Genossen nichts. "Ich bin neu als Spitzenkandidat", sagt von Brunn dazu. "Es ist klar, dass man als Neuer nicht so bekannt ist, wie die alten Gesichter." Punkten will er im Wahlkampf unter anderem mit sozialen Themen. "Ich bin sicher, dass meine Bekanntheit dann deutlich ansteigen wird." Aber es gehe nicht um ihn selbst: " Ego-Politik überlasse ich gerne anderen."
Mehr noch als die Grünen muss die Kanzlerpartei SPD auch im Land den Kopf für die Bundespolitik hinhalten. Eine Tatsache, auf die von Brunn das aktuelle Umfrageminus der bayerischen Sozialdemokraten zurückführt: "Zwischen den Landtagswahlen ist die Stimmung in einem Bundesland immer sehr stark bestimmt vom Bundestrend. Und im Moment reden die Leute über die großen Probleme: Sie reden über die Energiepreise, die explodieren, ob sie ihre Rechnungen zahlen können. Und natürlich sind wir mit dem Kanzler die Partei, die im Fokus steht." Klar ist: Sich von diesem Bundestrend zu lösen, könnte zu einer Herkulesaufgabe werden.
AfD: Großes Fragezeichen
AfD-Mitglieder während des bayerischen Landesparteitags 2019: Bei der AfD steht die Entscheidung über einen Spitzenkandidaten noch aus
Die AfD will ihre Entscheidung über einen Spitzenkandidaten im Frühjahr treffen. "Wenn's nach mir geht, wird es einen Spitzenkandidaten oder eine Spitzenkandidatin geben", sagt AfD-Landeschef Stephan Protschka auf BR24-Anfrage, aber "erst nächstes Jahr". Die Entscheidung werde auf dem Programmparteitag Ende März oder Anfang April fallen: Dort werde das Wahlprogramm verabschiedet und ein eventueller Spitzenkandidat gewählt.
Anders als bei den übrigen im Landtag vertretenen Parteien gibt es bei der AfD nicht den einen Kandidaten, auf den es wohl hinauslaufen wird. Sowohl der Landesverband als auch die Landtagsfraktion haben viele Führungswechsel hinter sich, eine Prognose ist aktuell schwierig. Bisher gebe es keinen offiziellen Bewerber, sagt der Landesvorsitzende. Er selbst wolle nicht kandidieren, sondern in der Bundespolitik bleiben.
"Den Nutzen eines Spitzenkandidaten sehe ich ganz klar darin, dass er oder sie der Partei ein Gesicht gibt", sagt Protschka. "Natürlich sollte es jemand sein, der bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad hat."
Anders als die Ampel-Parteien, die im Bund regieren und im Land in der Opposition sitzen, könnte die AfD von einer wachsenden Unzufriedenheit mit der Bundesregierung profitieren und hat somit eine andere Ausgangslage. Bei der Sonntagsfrage kletterte die Partei in Bayern zuletzt auf 12 Prozent - trotz der innerparteilichen Streitereien der vergangenen Jahre. "Die Presse nennt es Streit, ich nenn's Demokratie", sagt dazu der Landeschef. In der AfD werde "einfach viel mehr diskutiert".
FDP: Hagen und die Fünf-Prozent-Hürde
Der bayerische FDP-Fraktions- und Landeschef Martin Hagen
Für die bayerischen Liberalen wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Martin Hagen ins Rennen gehen. Der 41-Jährige ist Fraktionschef im Landtag und Landesvorsitzender in Personalunion. Auf dem FDP-Landesparteitag Mitte November wird er eine gehörige Portion Zweckoptimismus und Kampfbereitschaft verbreiten müssen, nachdem seine Partei in der Sonntagsfrage zuletzt eingebrochen und deutlich unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht ist.
Von einer "niederschmetternden" Momentaufnahme spricht Hagen. "Wir wissen, dass es für die FDP in Bayern immer ein schwieriges Pflaster ist, und gerade in einer Situation, wo der Bundestrend drückt, wo man für viele unbequeme Entscheidungen in Berlin auch in Mithaftung genommen wird, ist es natürlich schwierig."
Die bayerische FDP müsse im nächsten Jahr daher "durch landespolitische Themen in die Offensive kommen", lautet Hagens Devise. "Es geht um Bayern nächstes Jahr, nicht um Deutschland, nicht um die Ampel, das muss auch den Wählern klar werden."
Der BR-BayernTrend im Oktober 2022: Die Sonntagsfrage
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